Feminismus: pragmatische Zugänge#
(Eine Standortbestimmung)#
Von Martin Krusche#
Nein, ich hab kein spezielles Interesse am Feminismus. Aber ich hab ein erhebliches Interesse am Gelingen meiner Arbeit. Das ist Wissens- und Kulturarbeit. Die taugt nur dann etwas, wenn ich mich dabei laufend um stichhaltige Befunde über den Zustand unserer Gesellschaft bemühe.
Dabei kann ich nicht ignorieren, daß wir in einer vorherrschenden Männerkultur leben. Dazu gehört als tradierte Konzeption, daß ein weibliches Subjekt im patriarchalen Denken nicht vorgesehen wurde. Womit und wie identifiziert man sich in solchen Verhältnissen?
Identität bedeutet, daß ich mich von anderen unterscheide und daß wir diesen Unterschied wechselseitig anerkennen. Damit hängen zwei wesentliche menschliche Grundbedürfnisse zusammen. Jenes nach Zugehörigkeit und jenes nach Autonomie, also Selbstbestimmung. Wechselseitige Anerkennung legt komplementäre Anordnungen nahe, schließt eine einseitig hierarchische Anordnung aus. (Volkstümlich heißt das: einander in Augenhöhe begegnen.)
Care-Arbeit als Tugend?#
Wenn wir uns gängige Klischees und Konventionen, diverse Rollenbilder näher ansehen, fällt auf, daß den Frauen Selbstlosigkeit gerne als Eigenschaft und Tugend zugeschrieben wird. Selbst-Losigkeit. Das Selbst soll also zurückgenommen werden, zurückgestellt sein. Ich greife ein populäres Motiv heraus: den Mythos von der „bedingungslosen Mutterliebe“, auch gerne und fälschlich als „Mutterinstinkt“ bezeichnet.Fälschlich deshalb, weil Instinkte was ganz anders sind. Die Liebe einer Mutter oder eines Vaters zu einem Kind (oder zu anderen Menschen) ist eine Beziehungsform, die selbstverständlich eine Genese, daher auch Bedingungen hat. Der genannte Mythos ist eine ideologisch begründete Strategie, um zum Beispiel das Gros der Care-Arbeit den Frauen zuzuschanzen.
Im Bereich des Alltagslebens brauchen Sie sich bloß die Zahlen bezüglich unbezahlter Care-Arbeit anzusehen. Konkret: „Unbezahlte Haus-, Familien- und Sorgearbeit wird überall auf der Welt zu einem Großteil von Frauen übernommen. Mütter, Töchter, Omas, Tanten und Enkelinnen pflegen, kümmern, betreuen und halten den Haushalt zusammen. Was wie eine Erzählung aus einer anderen Zeit klingt, ist leider auch 2024 noch Realität. Frauen übernehmen nach wie vor den Löwenanteil der unbezahlten Arbeit. In Österreich beträgt der Gender Overall Care Gap 71 Prozent.“ (Quelle)
Weshalb tun Frauen das? Weil sie so selbstlos sind? Weil sie nichts besseres zu tun wissen? Lustig! Die Frau als „dienendes Wesen“, das ist eine besonders infame Konstruktion. Fragen Sie sich selbst, ob sie – bei freier Wahl – in ihrem Leben lieber Subjekt oder Objekt sind. Ich lasse hier die „Tradwife-Bewegung“ unbeachtet, weil ein Rollenbild, das alte und vor allem patriarchale Konventionen reproduziert, ohne meine Beachtung auskommt. Dieser Trend hat seine Gefolgschaft, von der solche Haltungen erklärt werden.
Vom Objekt zum Subjekt#
Alle Frauen, die ich näher kenne, ziehen eine Subjekt-Werdung eindeutig vor, halten nichts davon, jemandes Objekt zu sein. Das ist aber so in unserer Kultur nicht sichergestellt. Es muß gewollt, erprobt, durchgesetzt werden. Natürlich auch gegen den Widerstand von Männern, weil es eine Verschiebung der nutzbaren Vorteile erzwingt.Wer das alles ignoriert, womöglich leugnet oder aktiv bestreitet, ist aus dem Dialog mit mir draußen. Mit solchen Konsorten gibt es für mich keinen Klärungsbedarf, welcher der Sache dienlich wäre. Die „Tugendzuschreibung“ in Sachen Selbst-Losigkeit von Frauen mit den gängigen Konsequenzen ist evident, ist gut dokumentiert, und steht außer Streit. Wer das bestreitet, hat verdeckte Intentionen. Da erübrigt sich jede Diskussion.
Weshalb befasse ich mich mit diesen Fragen? Erstens aus prinzipiellem Interesse. Zweitens – wie eingangs angedeutet - aus der Bemühung um taugliche Befunde über den gesellschaftlichen Staus quo, damit meine Arbeit gelingt. Drittens aus einem egoistischen Motiv bezüglich meiner Arbeitspraxis.
Bei der Wissens- und Kulturarbeit ist für mich die Kooperation mit geistreichen Frauen unverzichtbar. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr als bewährt und bestätigt; gleichermaßen in gelegentlicher Zusammenarbeit wie in längerfristigen Projekten.
Die Aufgabenstellung#
Ich bin nicht bereit, mir solche Möglichkeiten entgehen oder schmälern zu lassen. In zweierlei Hinsicht. Es betrifft das Arbeitsklima und die Arbeitsergebnisse. Der Modus hat – so weit ich sehe - drei simple Grundbedingungen, um weiblicher Intelligenz und Kompetenz das Aktionsfeld offenzuhalten: Nicht herabsetzen, nicht im Weg stehen, nicht anbaggern.Wer als Mann dabei zu tricksen gedenkt, kann ziemlich schnell herausfinden, mit welchem feinen Sensorium sowas erkannt wird. Es geht bei all dem freilich nicht bloß um Arbeitsklima und Arbeitsergebnisse, sondern auch generell um Bedingungen eines größeren Zusammenhanges. Da liegt eine interessante Aufgabe vor uns.
Wenn in unserer Gesellschaft der subjekthafte Mann dominiert und die objekthafte Frau aus diesem Setting aussteigen möchten, also eine subjekthafte Frau werden will, heißt das folglich, der Mann müsse zum Objekt werden?
Wenn weibliche Selbstbewußtheit nicht mehr als „Ergänzung“ des Mannes zur Verfügung steht, sondern ganz eigenen Agenda gewidmet wird, was bedeutet das für unseren Umgang miteinander? Es geht bei all dem ja um die Interaktion zwischen völlig verschiedenen Lebenswelten. Das passiert nicht reibungslos, ereignet sich nicht konfliktfrei.
Da ist nun der Feminismus ein Themenfeld in Resonanz mit der Praxis der Frauenbewegungen, wo inzwischen schon viel gedacht und geklärt wurde, was die Transformation unserer Verhältnisse angeht. Es nützt mir bei meiner Orientierung, wenn ich mich damit zu befasse. Es hilft bei den anstehenden gesellschaftlichen und politischen Aufgaben.
- Official Bootleg (Eine Erzählung, Phase III)
- Am Meer (Eine feministische Ausstellung)