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Tschartake im Raabtal.
Tschartake im Raabtal.

Historische Tiefe#

(Überwundene Grenzen)#

Ich habe schon angedeutet, daß allein der bloße Augenschein deutlich macht, wie unterschiedlich die Partnerstädte Gleisdorf und Nagykanizsa sind. Das meint nicht nur die Größe der Orte und ihr Umfeld. Der Kontrast wird besonders deutlich, wenn man die Geschichte der Regionen betrachtet.

Vor allem, weil dieser Raum, wie man ihn etwa entlang des alten Grenzflusses Lafnitz definieren kann, über viele Jahrhunderte permanent von Konflikten und gewaltsamen Ereignissen geprägt war. Hier berührten sich verschiedene Herrschaftskonzepte und Herrschaftsansprüche. Davon wurde die Gegend beackert wie von Hagelschlägen.

Dazu ist auch die Feistritz zu erwähnen, wie sie quer durch die Oststeiermark nach Fürstenfeld fließt und schließlich in die Lafnitz mündet. Das betrifft ebenso die Ilz, wie sie bei Großwilfersdorf in die Feistritz mündet. Im Raum Gleisdorf spielt die Raab eine exponierte Rolle. Ich denke gerade über Flüsse, Grenzen und Wehrbauten nach; im Zusammenhang mit der alten Militärgrenze.

Bei der Gelegenheit ist ein bemerkenswertes Beispiel künstlerischer Reaktionen auf einige der Aspekte zu erwähnen. Günther Pedrotti sorgt seit Jahren mit seiner Wasser Biennale im Raum Fürstenfeld, daß die Gegenwartskunst in diesen Zusammenhängen eine relevante Rolle spielt.

Die alten Grenzen und Konfliktzonen#

Als ich im April 2022 mit Fotograf Richard Mayr und Künstler Luis Siegl einige prägnante Orte besuchte, konnte ich mir am Ufer der Raab den Nachbau einer Tschartake genauer ansehen. Diese Mischung aus Wachturm und kleiner Burg - so standen auch welche an der Lafnitz - hatten ursprünglich die Perser in ihren Auseinandersetzungen mit den Osmanen gebaut. Die übernahmen dieses Konzept, das je nach eingesetzter Mannschaft unterschiedlich groß ausfallen konnte. Das haben unsere Leute überzeugend gefunden und diese Bauweise ebenso übernommen, den Modus schließlich sogar ins zivile Leben übertragen und derartige Speicher gebaut.

Die gesamte Oststeiermark war ein Gebiet, das laufend von Räuberbanden, Freischärlern und feindlichen militärischen Verbänden heimgesucht wurde. Das kam durch jene Randlage, die als eine Art Zaun des Reiches gegen Osten dienen mußte, und in der einigermaßen organisierten Militärgrenze vor allem gegen Süden/Südosten wirksam sein sollte.

Modell der befestigten Stadt Nagykanizsa.
Modell der befestigten Stadt Nagykanizsa.
Gleisdorf: das Kreuz am Rennfeld.
Gleisdorf: das Kreuz am Rennfeld.
Der Weizer Tabor.
Der Weizer Tabor.

Dabei konnte es zusätzliche Belastungen geben, die vereinzelt wirksam wurden. Etwa eine Hungerrevolte der Landbevölkerung. Oder ein Aufbegehren gegen eine Obrigkeit, weil deren Honoratioren sich zu viel herausnahmen und die Menschen drangsalierten. Die Schlacht am Gleisdorfer Rennfeld erinnert daran, als eines von drei Bauernheeren niedergeschlagen wurde. Oder Menschen brauchten Schutz vor Konfrontationen wie der des Söldnerführers Andreas Baumkircher mit dem kaiserlichen Heer. Baumkirchers juristisch gedeckte Fehde gegen Kaiser Friedrich III. wegen schuldig gebliebener Gelder betraf mit einigen Schlachten die Städte Hartberg, Fürstenfeld, Feldbach. Die erhaltenen Wehranlagen von Fürstenfeld oder der restliche Tabor von Feldbach erinnern unter anderem an solche Ereignisse.

Fürstenfeld, von links: Kunstschasffene Günther Pedrotti und Maki Stolberg, Politiker Franz Majcen.
Fürstenfeld, von links: Kunstschasffene Günther Pedrotti und Maki Stolberg, Politiker Franz Majcen.
Künstler Luis Siegl (links) und und Fotograf Richard Mayr in Körmend.
Künstler Luis Siegl (links) und und Fotograf Richard Mayr in Körmend.

Freiheit macht Arbeit#

Gleisdorf hatte einst ebenfalls einen Tabor. Eine Wehrkirche. Einen halbwegs geschützten Rückzugsort für Menschen, falls feindliche Kräfte auftauchten. Davon ist aber nichts erhalten geblieben. Wer sich in unserer Gegend einen Eindruck von solchen Anlagen verschaffen will, kann zum Beispiel Weiz besuchen, von dessen Tabor noch viel zu sehen ist. Wir sind eben schon über Jahrzehnte in ruhigeren Zeiten angelangt. Die waren eine Weile noch vom Kalten Krieg bestimmt. Man mag sich erinnern, wie die beiden Außenminister Österreichs und Ungarns, nämlich Alois Mock und Gyula Horn, am 27. Juni 1989 mit Bolzenschneidern Stacheldraht durchschnitten, so den Eisernen Vorhang symbolisch öffneten.

Eine radikale Geste. Ein Ausdruck des Ringens Europas um eine neue Ordnung, die es uns allen ermöglicht, die bitteren Lehren aus dem 20. Jahrhundert zu reflektieren, umzusetzen. Wir wissen inzwischen unmißverständlich, wie fragil solche Errungenschaften sind und daß wir sie pflegen müssen, um sie nicht zu verlieren.