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Häuptling Te Hira Te Kawau, ein Maori von Tāmaki Makaurau (Auckland)
Häuptling Te Hira Te Kawau, ein Maori von Tāmaki Makaurau (Auckland)

Illustrierte Menschen: Tribal affairs#

(Wurzeln des Tätowierens gibt es rund um die Welt)#

von Martin Krusche

Wir haben unser Kulturforum Archipel unter dem Einfluß des Denkens von Edouard Glissant konzipiert und benannt. Dieser bedeutende Exponent eines außereuropäischen Denkens lebte in der Karibik. Der Autor einer postkolonialen Kulturtheorie markiert für mich eine anregende Gegenposition zu den weitreichenden eurozentristischen Denkweisen.

Das läßt dann auch nach den kulturellen Codes anderer Weltgegenden fragen. Darin liegt einer der Gründe, weshalb ich hier das Thema Tätowierung aufgegriffen habe. Es hat zwar rund um die Erde Wurzeln und Relevanz, aber in der Karibik und in Südseeräumen ist es ganz wesentlich auf besondere Arten Teil einer Pflege von identitätsstiftenden Traditionen.

Für mich teilen sich solche Aspekte auch über den wunderbaren Klang einer Sprache mit, von der ich kein Wort verstehe. Dabei sind dann aber auch die Spuren der Kolonisierung deutlich. Als kleines Beispiel, was Thies Amelia Moran-Vaiho in sokchem Zusammenhang notierte:

„My kainga, through my father Petelo Isimoto Leka Vaihu, and his father Sililo Sinele Vaihu, hail from Longoteme, a small village bordering the Fanga'uta lagoon on Tongatapu. We have both Tongan and French ancestry. My father's tufuga tatatau, Croc Coulter, who is of British ancestry, told him about the recording of tatatau by French anthropologists after their arrival in Tonga.“

Ein Tufuga Ta Tatau ist ein Meister der klassischen Tätowierkunst. Doch wie schon angedeutet, Tattoos sind rund um die Welt zuhause, auch im alpinen Raum. Der rund fünftausend Jahre alte Mann vom Hauslabjoch, die Mumie vom Similaun (Ötzi), wurde 1991 gefunden. Ein Ereignis, das breit durch die Medien ging. Am Körper des Mannes konnten 61 Einzeltätowierungen festgestellt werden.

Diese Tattoos zählen zu den ältesten, von denen wir wissen. Solche Art den eigenen Körper als Medium zu nutzen, das findet sich auf allen Kontinenten. Dazu besteht die naheliegende Annahme, daß verschiedenen Ethnien Tattoos ganz unabhängig von einander erfunden haben.

Ein Prinz von den pazifischen Marquesas-Inseln (Harper
Ein Prinz von den pazifischen Marquesas-Inseln (Harper

Menschen mit größeren Tätowierungsgruppen begegnen einem heute längst im Alltag. Ein eher junges Phänomen. Stichwort „Arschgeweih“. Ich denke, es war in den 1990ern, als sogenannte Tribal-Tattoos einerseits auf die kulturellen Traditionen anderer Völker in entlegenen Gebieten verwiesen, um dann andrerseits bei uns trivialisiert zu werden. Dabei zeigte sich speziell die Variante „Arschgeweih“, wie sie vielerorts über die Hosenbünde selbst eher biederer Leute herauszuragen. (Das war oft Anlaß zu Spott.)

Wir sahen traditionell anmutende Tätowierungen freilich vor allem in Kinofilmen, etwa bei neuseeländischen Maori oder bei japanischen Yakuza. Diese Eindrücke waren schließlich auch bei uns stilprägend.

Das zeigt sich ich in den Verfahrensweisen. Ich hab in Gleisdorf zusehen können, wie sich Camino Winter ein Motiv auf traditionelle Art stechen ließ. Das bedeutet: unter Verzicht auf elektrische Maschinen von Hand geklopft,

Die Session von Camino Winter#

In jenen Tagen der großen Gleisdorfer Convention trafen sich die Tattoo-Begeisterten mit der Hot Rod-Szene. Es war die Veranstaltung, bei der ich mit Altmeister Herbert Hoffmann ein gespräch führen konnte, von dem ein Video-Dokument erhalten ist. Siehe:

Einleuchtend, daß in dieser Subkultur ein schlichtes Bonmot kursiert: "Yes it hurts". Bei überseeischen Ethnien kam es übrigens vor, daß die Familie oder die Dorfgemanschft jemandem beistand, eine langfristige Tatau-Prozedur emotional und physisch zu bewältigen. Das war nicht mit ein, zwei Stündchen erledigt. Bei der Gelegenheit konnte ich auch ein paar Bilder von jener Situation einfangen, in der sich Camino Winter ein Tattoo auf traditionelle Art stechen ließ.

Bild 'tattoo003c'
Bild 'tattoo003d'