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Martin Krusche by Heinz Payer
Martin Krusche by Heinz Payer

Trail: Die Sache der Poesie#

(Archipel Gleisdorf)#

von Martin Krusche

Da ich meinem Selbstverständnis nach Lyriker bin, was mich seit Jahrzehnten beschäftigt, kenne ich sicher die meisten Ressentiments, mit denen sich Menschen von der Lyrik abwenden. Das beeindruckt mich wenig.

Es gilt ohnehin generell, daß Literatur ein Appell ist, ein Angebot, welches auch abgelehnt werden kann. Ich fände es unter meiner Würde, das zu beklagen. Diese Haltung ergab sich aus sehr verschiedenen Momenten. Dazu zählen einige Gespräche mit dem bosnischen Autor Dzevad Karahasan (†). Davon habe ich mir folgende Passage notiert.

Zitat: „Als Journalist mußt Du eine Leserschaft ansprechen. Als Schriftsteller einen einzelnen Menschen. Meine Aufgabe liegt darin, daß ich Dich in Deiner absoluten Einmaligkeit, Unwiederholbarkeit, irgendwie berühre und anspreche. Verstehen wir uns? Ich hab keine Leserschaft. Ich hab Gesprächspartner.“

Damit möchte ich geklärt sehen, in welchem Lager ich stehe, wissend, daß auch ganz andere Positionen vertreten werden. Im Gedicht „Die Mauer“ von Eva Surma gibt es diese zwei Zeilen: „Ich bin die Welt.
Der Rest ist der Rest.“

Für mich steht außer Zweifel: Um Gedichte zu schreiben, die etwas taugen, sollte man diesen Zustand kennen. Falls ich über die Welt eine relevante Aussage machen möchte, muß der Rest der Rest sein, damit ich mich konzentrieren kann. Das ist kein Lebenskonzept, sondern eine Schreibhaltung. Um seinen Alltag zu bewältigen oder um mit anderen Menschen in Einklang zu sein, finden wir eine Vielzahl von Optionen, die sich bewähren können.

Aber „Der Rest ist der Rest“ bedeutet, daß ich für Momente vollkommen unbehelligt bleiben muß, weil zu schreiben heißt, daß der gelingenden Dialog mit mir selbst dann absoluten Vorrang hat. Wozu? Um das aufzuspüren, was gerade entsteht. Dieses Entstehen ist das, was der Begriff Poesie bezeichnet. Das altgriechische Poisesis steht im Kontrast zur Praxis. Ein Erschaffen ist kategorial anders als ein Erledigen.

Lyrik ist in solchen Zusammenhängen eine sehr konzentrierte Form des Erzählens, das ich so verstehe: Im Verfassen von Gedichten erkunden wir, was die Conditio humana sei. Es ist, als würde ich mit einer Handlampe einen enormen Felsendom durchstreifen, um zu klären, wo wir uns befinden. Das macht Lyrik, die etwas taugt. Ein Lichtstrahl in der Finsternis zu sein. Ich weiß keinen besseren Grund, um Gedichte zu schreiben.