Protokoll #23: Unser Archipel#
(Ein Feature)#
von Martin KruscheAls Mitte 2023 Gespräche für ein regionales Kulturprojekt begannen, war das noch dem Stichwort Lagerhaus zugeordnet. Archipelisches Denken im Sinn von Édouard Glissant kam erst später (im darauffolgenden Jänner) zur Sprache. Ab da entwickelte sich unser Vorhaben in Korrespondenz mit dem Archipel als Metapher.
Es war zwar ein reales Gleisdorfer Lagerhaus in unserem Blickfeld, aber vorerst noch nicht nutzbar. Allerdings hatte ich mit der Malerin und Kunsthistorikerin Monika Lafer sowie mit dem Fotografen Richard Mayr ein Trio bilden können, das erstens die konzeptuelle Arbeit an unserem Archipel begann, zweitens auch zügig in die Praxis ging.
Wir waren uns einig, daß es kein Leben im Konjunktiv gibt. Wenn da etwas wachsen soll, das nicht bloß alte Modi fortschreibt, frühere Kulturkonzepte reproduziert, dann müssen wir handeln, müssen wir dabei Aktion und Reflexion komplementär pflegen.
All das begann erst einmal mit No Budget, ging in den Bereich Low Budget. So entstand eine Basis, um für weitere Entwicklungen die Akquise nötiger Budgets starten zu können. (Auch das ist ja ein unverzichtbarer Teil der Kulturarbeit.)
Aus vorangegangenem Engagement im Kulturgeschehen war für uns klar, daß wir Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in ein Wechselspiel zu bringen haben. Dabei sind wir gerüstet, die Genres Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst auf relevantem Niveau zu bearbeiten.
Daß Lafer, Mayr und ich höchst unterschiedliche Persönlichkeiten sind, ist dabei äußerst nützlich. Es tut sich aus den verschiedenen Zugängen eine erhöhte Chance auf, in einen Bereich zu gelangen, wo etwas einigermaßen neu entwickelt werden kann. (Ich meine, Innovation proklamiert man nicht, die wird gegebenenfalls im Rückblick erkennbar.)
Was genau soll es werden?#
Niemand braucht im Bezirk Weiz ein nächste Mehrsparten-Kulturzentrum. Das gibt es schon. Niemand braucht im ganzen Land ein neues Museum, einen nächsten Kasten, der erhalten werden soll. Davon gibt es reichlich. Was in dieser Region ferner an Kulturinitiativen und Kunstvereinen präsent ist, brauchen wir nicht um eine weitere Formation der gleichen Art zu bereichern.Eine zentrale Herausforderung für das, was wir erreichen möchten, liegt in einer Arbeitsweise, die sich nicht in den Partikularinteressen einzelner Personen erschöpft. Wer den steirischen Kulturbetrieb kennt, weiß von unzähligen Kulturprojekten, die genau so lange laufen, wie ein, zwei Leute die meiste Arbeit erledigen, während andere gerne möglichst komfortabel mitfahren.
Wahlweise gibt es quasi staatsnahe Betriebe, die nur durch staatliche Finanzierung bestehen können, was gelegentlich mit der Bezeichnung „Freie Szene“ kostümiert wird. Das sind Klassiker der Zweiten Republik. Ist ein andere Modus möglich, wenngleich diese Art der Kulturarbeit marktwirtschaftlich nicht wie der Handel mit Brot und Gebäck laufen kann?
In diesem Sinn sind wir auch Entwicklungsabteilung und Versuchsstation. Im Land Steiermark wurde von der Politik 2023 aufgerufen, kulturpolitische Visionen mit dem Horizont 2030 zu entwickeln. Voilà! Wir sind im Spiel und werten unser Know how aus, das vor jene Tage zurückreicht, als Jeff Bernard (†) seine zweibändige Studie „Strukturen autonomer Kulturarbeit in Österreich“ (1990) veröffentlichte.
Es gibt nichts geschenkt#
Aber zugegeben, die Genres Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft in einem Vorhaben zu synchronisieren, das ist knifflig, zuweilen auch sehr anstrengend. Da verzahnen sich ganz unterschiedliche Codes, Arbeitsweisen, Kommunikationsstile von Menschen, die höchst unterschiedliche Prioritäten für vorrangig halten.Sie werden kaum überrascht sein, zu erfahren, daß an einer Universität, in einem Betrieb mit mehreren hundert Angestellten und in einer Kulturinitiative ganz verschiedene Strategien und Betriebsklimata für relevant gehalten werden; was durch Politik und Verwaltung in den Kommunen sowie auf Landesebene weitere Facetten erhält.
Wer da das eine oder andere leichtfertig formulierte „Wir“ vor sich herträgt, ist eventuell über das Nähkörbchen noch nicht gar so weit hinausgekommen. Es scheint eine eigene Aufgabe in der Kulturarbeit zu sein, sich die nun nötigen Kompetenzen miteinander zu erarbeiten, damit diese Felder komplementär wirksam werden können. Von hausaus ist das nicht angelegt.
Das heißt auch, dieser Teil der Kulturarbeit hat viel mit dem Zuhören zu tun, um erst einmal zu klären, was nun eine gute Frage sei. Es gibt Momente, da scheint gegeneinander gerichtet zu sein, was zusammenwirken soll, um ein Ergebnis zu sichern. Das liegt ganz einfach an der Verschiedenartigkeit der Genres und was da wie dort als jeweils bewährte Verfahrensweise gilt.
Man könnte von einer Emulsion der Strategien sprechen. Manches, das sich auf Anhieb noch nicht reibungslos verträgt, muß so adaptiert werden, daß sich ein Flow ergeben kann; in einer Praxis des Kontrastes.
So ein Weg eignet sich nicht für flotte Wow-Effekte, hat ganz andere Zielsetzungen. Es geht, kurz gesagt, um relevante Beiträge zum geistigen Leben eines Gemeinwesens. Das schließt unterhaltsame Momente keineswegs aus, aber die Fundamente müssen was taugen.
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Postskriptum#
Rund um die Metapher sind zwei Bereiche zu unterscheiden. Das Projekt „Archipel“ (Forum für Kunst und Kultur) hat einen Trägerverein: „Archipel Gleisdorf“ (Verein für Kunst, Kultur und Bildung)