Das Wort erheben#
(Marlene Streeruwitz im Retzhof)#
von Martin KruscheEs steht außer Diskussion, daß Marlene Streeruwitz eine der bedeutendsten Autorinnen österreichischer Gegenwartsliteratur ist. Muß es dann betont werden? Ja. Nicht wegen Streeruwitz, sondern weil die öffentliche Wahrnehmung in solchen Zusammenhängen etwas lahmt.
Streeruwitz wird am Samstag, dem 7. September 2024, ab 18.00 Uhr im steirischen Bildungshaus Retzhof (Dorfstraße 17, 8435 Wagna) lesen. Und zwar auf Einladung von und in Kooperation mit der #igfem. Das ist die IG feministische Autorinnen, welche 2019 von Gerlinde Hacker und Mag.a. Dorothea Pointner in Wien gegründet wurde. In der Steiermark engagiert sich Eva Surma für diese Belange.
Ich sehe vor allem zwei gewichtige Gründe, den Auftritt von Streeruwitz und die Arbeit der #igfem zu betonen. Erstens haben sich das geistige Leben der Steiermark und der steirische Kulturbetrieb durch die Social Media grundlegend verändert; und zwar nicht zum Vorteil.
Was uns ab dem Ende der 1980er Jahre unter dem Stichwort „Neue Medien“ annehmen ließ, es werde zu einer Demokratisierung eben dieses geistigen Lebens kommen, das kulturelle Geschehen werde durch die damals neue „Medienkonvergenz“ gewinnen, etablierte sich vorrangig als ein Sturm der Geschwätzigkeit und des Gezänks. Der Boulevard ist sehr breit geworden.
Kein Grund zum Kulturpessimismus! Es entstanden natürlich auch ganz neue Möglichkeiten, etwa Gate Keepers im Zugang zur Öffentlichkeit zu umgehen. Da zählen nun, wie wir heute wissen, nicht bloß Teleworking, Mediennutzung und Netzkultur. Es bedarf auch weiterhin verstärkt des Einsatzes im Raum realer sozialer Begegnungen, wie eben durch die #igfem.
Der zweite wesentliche Grund, weshalb ich Streeruwitz und die Arbeit intellektueller Frauen betone, ist sozialgeschichtlicher Art. Eben noch mußten geistreiche Frauen einen Männernamen als Pseudonym annehmen, um überhaupt publizieren zu können. Eben noch mußten Frauen darum kämpfen, daß sie zu einem Hochschulstudium zugelassen werden. Eben noch war es ein hartes Ringen, daß man Frauen das Wahlrecht zugestand und so in weiteren Schritten begonnen hat, ihre umfassende Mündigkeit anzuerkennen, die bis dahin bloß durch Ressentiments in Frage gestellt war.
Da aber Mentalitätsgeschichte etwas sehr Zähes ist, worin wir nur träge Bewegungen erkennen können, weil Gesellschaften als Kollektive mögliche Kursänderungen ungefähr so flott schaffen wie ein Containerschiff bei hohem Seegang, zählen Aufmerksamkeit und Augenmerk, wenn sich Frauen zu Wort melden.
In der 2024er Anthologie „Störfeuer“ der #igfem beginnt ein Text von Gerlinde Hacker mit der Frage „wer spricht hier?“ In der dritten Zeile antwortet sie: „metoo“. Ob man es nun zur Kenntnis nimmt oder nicht, die Möglichkeiten von Frauen sich zu äußern, zu publizieren, sind allein schon durch ungünstige Veränderungen in der „Gutenberggalaxis“ erneut geringer geworden.
Der Kulturbetrieb gleicht solche Schwächen des Verlagswesens nicht von selbst aus. Social Media haben selbstverständlich keinerlei Wunder bewirkt. Es bleibt die Obliegenheit engagierter Menschen, in diesen kulturellen Angelegenheiten ausgleichend zu wirken.
Dabei ist es ein Glücksfall, wenn eine versierte Kraft wie Marlene Streeruwitz auch abseits des Landeszentrums mitwirkt. Diese Veranstaltung ist übrigens zugleich der Schlußakzent jener Schreibwoche, die Eva Surma unter dem Titel „Schreiben am Meer“ geleitet hat.
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