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Kugelköpfe aus meinem IBM Composer.
Kugelköpfe aus meinem IBM Composer.

Trail, Protokoll #4: Unwägbarkeiten#

(Archipel Gleisdorf)#

von Martin Krusche

Ich hab da noch eine kleine Notiz aus den ersten Tagen, als mir klar wurde, daß wir hier ab nun eine Dreiecks-Situation erleben, die außerdem stellenweise durch andere geistreiche Menschen erweitert werden kann.

Das ist stets ein wenig riskant, weil zum Beispiel das Arbeitspensum ohne Vorwarnung Kategoriensprünge machen kann. Fußnötchen: Ich habe mir abgewöhnt, in solchen Zusammenhängen das Wort Quantensprung zu verwenden. Es stammt aus der Quantenphysik und bezeichnet genau das Gegenteil dessen, was Menschen landläufig damit ausdrücken möchten.

Quanten und Kategorien#

Der Quantensprung ist nämlich kein Sprung auf ein nächst höheres Level, wo wir von allem mehr vorfinden, sondern der Sprung auf ein unteres, kleineres Level. Gut, man muß das nicht unbedingt wissen, ich aber. Hier die Notiz:

es ist unbestreitbar, daß ich eben am rande der konfusion stehe, während ich bemüht bin, diesen chor der unwägbarkeiten für momente zu ordnen. klar ist mir allerdings: was ich uns - einigen - derzeit abverlange, ist als eine art "poetry in progress" zu verstehen.

es geht dabei weder um einen besonderen wow-effekt, noch um advantgarde. es geht schlicht um ein prozeßhaftes erzählen im rahmen einer kollektiven kunstpraxis. wenn dabei ein spezielles prinzip zur anwendung kommt, welches sich nicht aus literarischen kategorien ableitet, dann am ehesten das, was buddhisten unter karma verstehen. diese ansicht dient keinem werturteil, sondern besagt bloß: "alles hat konsequenzen. nichts ist egal."

Poetry in progress#

Das meint nicht bloß Gedichte, sondern das Schaffen, Erschaffen, das Formen von etwas Nächstem. Mir ist hier “das Nächste” weit lieber als “das Neue”. Es geht nämlich nicht um die Sensation der Innovation. Dafür müßten wir uns als Avantgarde ausrichten. Das interessiert mich aber derzeit nicht.

Es geht mir um eine laufende Erzählung, also um etwas Nächstes, das poetisch ist; von altgriechisch „poiein“, etwas erschaffen, hervorbringen. Aber das hab ich schon im vorigen Protokoll erwähnt.

Call and response... Heinz Payer reagiert auf ein Gedicht von mir, verzahnt es mit einer Grafik. Eva Surma reagiert auf dieses Ensemble, schickt mir das als Screenshot. Das möchte ich typografisch anders auflösen. Also suche ich einen Schriftfont, der mir für diesen Schritt zusagt. Und zwar einen, der an alte Typenhebelmaschinen erinnert. Ich mag diese Schriftbilder sehr.

Textstelle aus einem Gedicht von Eva Surma.
Textstelle aus einem Gedicht von Eva Surma.

Typografie zählt#

Das hat eine technische und kulturelle Verlaufsgeschichte. Die geht so: Typenhebel, Kugelkopf, Typenrad, Nadeldrucker, Tintenstrahler. Laserdrucker. So hat sich dieser Verlauf auf meinem Schreibtisch ereignet. Vom Mechanischen über die Elektrifizierung zum Elektronischen, bis das Digitale den mechanischen Teil völlig verändert hat.

So geschah es auch mit dem Schriftbild, wobei ich den Neunnadler an meinem ersten Computer am wenigsten mochte. Dieses Dot matrix printing sah sehr räudig aus, wenn man nicht das Geld für einen 24-Nadler aufbrachte.

Mein Laserdrucker ist dagegen bloß Muli. Ein Arbeitstier, mit dem ich auch problemlos große Druckjobs abarbeiten kann. Aber die Typenhebel-Maschine meiner frühen Jahre, das ergab definitiv eine eigene Schreibhaltung. Im nächsten Protokoll werden ich erläutern, weshalb ich für Surmas Gedichte hier einen Font gewählt habe, der einer alten Schreibmaschine der Firma Adler entspricht. Außerdem gibt’s nächste Inputs von außen, sogar von New York...