Trail, Protokoll #5: Schriftbilder#
(Archipel Gleisdorf)#
von Martin KruscheGegen Ende des 19. Jahrhunderts feierte die Feinmechanik Feste. Das zeigte sich in einem Boom von Grammophonen, Nähmaschinen, Schreibmaschinen und Fahrrädern. Im Protokoll #1 stand die Notiz: „es ist freilich kein zufall, daß ich den schriftfont einer alten schreibmaschine der firma adler verwendet hab.“
Ich saß bis zum Ende der 1970er Jahre an mechanischen Typenhebelmaschinen. Davon gab es dann welche, die elektrifiziert waren. Anfang der 1980er hatte ich meine erste Kugelkopfmaschine.
Der folgte eine Elektrische mit Typenrad (Daisy Wheel), deren Besonderheit sich in einem Kleinen Display zeigte. Man konnte eine ganze Zeile in einen Speicher klopfen, auf dem Display überprüfen und dann ausdrucken.
Der im vorigen Protokoll erwähnte IBM Composer galt dann als teures Flaggschiff. Damit ließen sich komplette Seiten in sauberem Blocksatz fabrizieren, wie wir sie als Druckvorlagen für Zeitschriften und Bücher brauchten. Da waren textile Farbbänder für uns schon Geschichte.
Aber der Font „Adler“, den ich hier für einige Gedichte verwende, erinnert mich an jene Tage mit Typenhebeln, die sich verheddern konnten, an Textilbänder mit abebbendem Farbgehalt, an die kleinen Schatten, wenn ein Letter im Schwung zweimal anschlug.
Es war ein anderer Winkel im Universum des Schreibens. Wie man sehen kann, ergibt das auch andere ästhetische Qualitäten. Aisthesis, das altgriechische Wort für Wahrnehmung, steht da in einem klaren Zusammenhang, denn das Lesen, das Entschlüsseln von Schrift, ist ein sehr anspruchsvoller kognitiver Prozeß. Wir vergessen das leicht, weil es uns so selbstverständlich geworden ist.
Luis Siegl alias Teglich Alois, der nicht nur als Autor und Musiker wirkt, sondern auch im Grafischen sehr bewandert ist, schickte mir ein Font-Bild mit der Anmerkung: „...wobei ich in diesem Zusammenhang auch ein Farbband mit leichten Spuren der Trockenheit sehr schätze.“
All dem steht gegenüber, daß ich Notizhefte nie aufgegeben hab. Handschriftliches bildet einen anderen Winkel jenes Universums. Wie schon angedeutet, es geht um unterschiedliche Schreibhaltungen, aber auch um verschiedene Schriftbilder, die jeweils etwas anderes ausdrücken.
Die 1990er Jahre ermöglichten durch den Boom der Personal Computers Wüsten ästhetischer Grausamkeiten. weil nun im Heimwerker-Modus gelayoutet werden konnte. Das sogenannte Desktop Publishing. Ich war darin keine Ausnahme. Es wurde gestaltet, als gäbe es kein Morgen.
Aber schließlich brachten mich alte Bücher auf die Idee, daß Buchgestaltung und Typografie etwas mit der Erleichterung des Leseaktes zu tun haben könnten. Naja, da verrate ich jetzt keine Geheimnisse...
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Weiterführende Links#
- Die Adler 7 Schreibmaschine
- Der Luis (Teglich Alois)
- Teglich Alois in der Soundcloud
- Nette Roboter und neue Computer