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Von einer, die auszog, den TANGO zu lernen…#

von Karin Klug

Wann ich meine ersten zögerlichen, tapsigen Tango-Schritte gemacht habe? Ich weiß es nicht mehr so genau, muss wohl schon ein paar Jährchen her sein. In einer Tanzschule, das ist gewiss. Vor, seit, rück, gehen im Rechteck, gemeinsam mit einem mir unbekannten Tanzpartner, der, zur Gänze konzentriert auf seine eigenen Füße, mich nur unsicher vor sich herschob, und an den ich mich heute nicht mehr erinnere. Dann der erste Ocho, eine kleine Drehung in der Hüfte, noch wackelig, ungelenk, aber mit Stolz. Anfangs schien alles irgendwie ganz leicht. Keine Ahnung, warum alle so stöhnten.

Tango? Den lernt man nie. Nie wirklich, nie ganz, nie bis zur Perfektion. Seufzten die, die es wissen mussten. Die jahrelang schon tanzten, übten. Immer nur eine Annäherung, ein weiterer winziger Schritt in die angestrebte Richtung, dorthin, wo diese leidenschaftliche Musik pulsiert, das Herz des Tangos schlägt. Kann ich als moderne, mittelstädtische und ahnungslose Europäerin, die ich keinen Bezug zur Geschichte des Tangos habe, die den Großteil ihres bisherigen Lebens ohne Tango ausgekommen ist, die ich noch nie in Buenos Aires, am Rio de la Plata war, der Wiege des Tango Argentino, die Gardel und Piazolla, Pugliese und Troilo nur als lose Namen vom CD-Cover kennt, kann ich also jemals so vermessen sein, den Tango lernen zu wollen? Begreifen, fühlen, tanzen zu wollen?

Ich habe nicht viel darüber nachgedacht. Ich wollte tanzen. Und die Musik, diese unter die Haut ziehende, leicht schwermütige, getragene Folgen von Tönen, Klängen, Rhythmen, die hat mir gefallen. Die hat sich wie von selbst getanzt. Das bisschen gehen und drehen, das schien recht einfach. Das erste Kreuzen, geht ja. Dazu der ernste Gesichtsausdruck der Tanzenden ringsum, wie sie achtsam, sorgsam ihre Schritte setzten, ihre Füße beobachteten, die langsamen Bewegungen, all das gab der Situation, passend zur Musik, Bedeutsamkeit, Tiefe. Und sah schon von Anfang an gut aus, wie ich befand. Ich beobachtete sie gerne, die anderen Paare, da war so viel konzentriertes Miteinander, so viel Gemeinsames - gemeinsames Tun, erforschen, den eigenen Körper, die Musik, den Rhythmus, die Bewegungen des anderen.

Und so habe ich mich durch ein, zwei, drei Anfängerkurse getanzt. Ein paar Stunden mit wechselnden Tanzpartnern, die jeder anders an die Sache rangingen… mal verkrampfter, mal lockerer, mal vorsichtiger, mal überzeugter. Man redete meist viel in diesen ersten Stunden: „Hab ich das richtig gemacht? Hast du das gespürt? Nein, du solltest doch kreuzen! Wie ging das noch mal? War das jetzt ein Ocho? Bitte nicht so fest drücken!“ usw. Geplapper und Geplauder, Gelächter, das die Unsicherheit übertünchen sollte, die Hemmungen und Ängste.

Ich tanze bis heute, ein-, zwei-, dreimal in der Woche. Ich lerne und übe und genieße bis heute. Und ich weiß heute: ich werde nie fertig sein mit dem lernen, ich werde ihn nie ganz verstehen, begreifen, den Tango – aber er hat mich gepackt, fasziniert mich von Mal zu Mal mehr, und ich bleibe dran. Eine routinierte Anfängerin, eine leidenschaftliche Tänzerin, willig, weiter einzutauchen in diese magische, mythische, wunderbare Welt des Tango Argentino.

Erstmals erschienen in:
Tango Global, Band 1, Tango in Berlin
Allitera Verlag, 2014