Das Hirtenfelder Kreuz#
(Klein- und Flurdenkmäler)#
von Martin KruscheHier ein anschauliches Beispiel, was Volkskultur im ursprünglichen Sinn bedeutet. Eine spirituelle und kulturelle Praxis, die jemand in Eigenverantwortung lebt, dabei keinen Zuruf von außen braucht.
Engagierte Menschen sind heute freilich nicht mehr bloß auf mündliche Überlieferung angewiesen, auf das, was der Brauch sei, sondern sie haben bei Interesse auch Zugriff auf unsere Archive der Kultur. So schrieb mir Frau Marianne Pregartner jüngst:
Guten Tag Herr Krusche,
bei der Herausgabe des Buches WEGMARKEN haben Sie bei uns nachgefragt, ob wir etwas über das o.a. Kreuz bzw. Bildstock wissen. Nun haben wir uns die Mühe gemacht und so finden Sie im Anhang die „Entstehungsgeschichte“ des Kreuzes. Bei der Übersetzung des Textes aus der Kurrentschrift hat uns Herr Baumgartner unterstützt. (Anm.: Der hölzerne Kapellenbildstock im Buch.) Wir haben vor ein paar Tagen auch eine Tafel an der Rückseite des Kreuzes mit dem Text angebracht. Wir sind uns sicher, dass das Kreuz dadurch eine kulturelle Aufwertung erfährt.
Liebe Grüße
Marianne und Alois Pregartner
Valorisierung und Trivialisierung#
So ist es! Kulturelle Aufwertung ist genau das, was Boris Groys in seiner Kunsttheorie als Valorisierung beschreibt, die ein Werk oder einen Prozeß in die Archive der Kultur überführt. Würde man den Bildstock verkommen lassen, wäre das ein Beispiel für die von Groys erwähnte Trivialisierung, die so einen Aufwertungsprozeß umkehrt.Ein anschauliches Beispiel, daß unser spirituelles und kulturelles Leben etwas Dynamisches ist und seinen Ausdruck oft in wechselweiser Form findet. Hier nun die Pregartner'sche Notiz zu dieser Wegmarke, wovon man sie jetzt auch einen Teil auf der Rückseite des Bildstockes findet:
Laut mündlichen Überlieferungen hat sich hier ein schweres Unglück mit einem Pferdefuhrwerk ereignet. In Erinnerung an den tödlich verunglückten Besitzer, Georg Hirtenfelder (+ 1873), wurde diese Gedenkstätte errichtet. Folgender Text wurde im Sterbebuch eingetragen: „Herzlähmung in Folge eines Schlages vom Pferde“
Juliana Hirtenfelder, die Gattin und Witwe des Georg Hirtenfelder verehelichte sich 1875 mit Peter Pregartner. Über Generationen hinweg wurde dieses Kreuz von den Nachkommen und Besitzern Pregartner der Liegenschaft in Wolfgruben 77, betreut. In den letzten Jahren hat sich Herr Alois Pregartner der Betreuung angenommen. (Quelle: Diözesanarchiv Graz-Seckau, Chronik der Gemeinde Ilztal)
- Wegmarken, Abschnitt VII (Ein kulturelles Zeichensystem: die Archipel-Phase)