Gehen als das bessere Stehen#
Talking by Walking zur Quest III#
von Martin Krusche
Die Konferenz auf Wanderschaft war mit Kreativen aus dem Kunstbereich und dem Sozialbereich besetzt. Derlei ist allein schon durch die Tatsache spannend, daß beide Metiers im Kern vom Umgang mit immateriellen Gütern handeln. Die Kunstpraxis schließt primär die Rücksicht auf andere aus, weil sie Zwecke und Aufgaben vor allem aus sich selbst bezieht.
Die Praxis der Sozialarbeit wäre ohne Rücksicht auf andere undenkbar, weil sinnlos. Das sind zwei wunderbar gegensätzliche Merkmale, hinter denen sich dann Wege mit Berührungspunkten auftun.
Es korrespondieren diese Metiers in der unerbittlichen Anforderung bezüglich gelingender Kommunikation. Sei das nun eine Verständigung mit sich selbst, sei es die Hinwendung zu anderen. Wie man es auch dreht, das Scheitern in dieser Anforderung kann auch inspirierend sein.
Ein Gemeinsames ist auf alle Fälle, daß es da wir dort auch um Erzählungen geht. Menschen erzählen sich selbst, werden zur Erzählung, erzählen von sich, erzählen, was sie erlebt haben. (Das ist, salopp verkürzt, schon das Prinzip der griechischen Tragödie gewesen.)
Denken Sie nicht, ich würde hier um einige Begriffe kreisen, denen schlanke Klarheiten abzutrotzen wären, deren Qualität im Bereich von „Das Wasser ist naß“ liegt. Die reale soziale Begegnung, die sinnliche Erfahrung des Ganges durch eine blühende Landschaft, das Denken und die Gespräche unter Bedingungen bewegter Körper…
All das ergib in Summe Kräftespiele, welchem zum alten Kulturgut Europas gehören. So etwa in der Schule der Peripatetiker. Aber auch im Aspekt der Muße, der schöpferischen Nichttätigkeit, des absichtslosen Schauens. (Ich weiß von Menschen, die das für Mumpitz halten, aber viel Geld bezahlen, um sinnstiftende, wahlweise lebensberatende Workshops zu absolvieren. Lustig!)
Ursula Glaeser vom Kulturbüro Stainz hat mit ihrer Leidenschaft für den Modus „Talking by Walking“ solche selbstbestimmten Optionen gebündelt, da für sie ein auslandendes Denken in angewandter Stubenhockerei eher abschreckend wirkt. „Talking by Walking“ ist keine „Lehranstalt“, kein Workshop, sondern eine Methode der Inspiration.
Hinzu kommt, daß wir heute erleben, wie EDV-gestütze Vernetzung viele Menschen praktisch schon rund um die Uhr in eine Kommunikationssituation verstrickt, die eine Art elektronische Stubenhockerei ergibt. Durch solche Form der Begegnung in Telepräsenz als ein wachsendes Netzkultur-Phänomen ist Glaesers „Talking by Walking“ natürlich eine Art Sprung in die Zeitmaschine, um eine ältere Kulturtechnik auszuprobieren.
Aber neben dieser sinnlichen Erfahrung war jener Gang über die Hügel rund um Schloß Freiberg auch ein Teil der „Quest III“, eine weitere „Konferenz in Permanenz“, um an Inhalten des Kulturgeschehens zu arbeiten. Der Titel des Tages, „Quellen der Inspiration“, hat natürlich nicht nur auf dem Kunstfeld Gewicht, im Sozialbereich ebenso, bleibt ferner zur Alltagbewältigung unverzichtbar…