Notiz 091: Stattliche Position#
(Ein Erbhof in Wünschendorf)#
Von Martin Krusche#
Ich sehe mir natürlich auch profane Wegmarken an. Eine spezielle Markierung mit ganz unterschiedlichen Elementen repräsentiert ein tiefergehendes Stück Geschichte der agrarischen Welt. Es sind in der Kleinregion Gleisdorf noch etliche Bäche erhalten, die einst sowohl im bäuerlichen wie im städtischen Leben wichtige Komponenten des Alltagsleben und der Arbeitswelt waren.
Geht man im Süden von Gleisdorf den Gerstmannweg entlang, verläuft daneben der schmale Mittereckbach. Dieser biegt beizeiten nach rechts zum Urschaweg ab. Aber dazu schwenkt er zuerst bei einem Gehöft links weg, läuft um das Anwesen herum, um dann die neue Richtung einzuschlagen. Das illustriert schon den einstmals praktischen Zusammenhang.
Dieser Bach hat verschiedentlich Passagen, die dem Hochwasserschutz unterliegen. Das heißt dann amtlich: „Zur Erhöhung der Abfluss- und Feststofftransportkapazität im Siedlungsgebiet werden lineare Schutzmaßnahmen errichtet. Es werden Maßnahmen für eine möglichst rasche Hochwasserabfuhr in Restrisikogebieten ergriffen, um die Schadwirkung im Überlastfall und Versagensfall möglichst gering zu halten.“
Hier aber wirkt derzeit alles ganz moderat und man kommt an kleinen Stegen vorbei, um schließlich eine besondere Entdeckung zu machen. Es ist das oben erwähnte, übrigens stattliche Anwesen, an dessen Haupthaus sich eine Wandmalerei befindet, die den Stolz ausdrückt, daß man hier offenbar über Generationen gut gewirtschaftet hat.
Die Jahreszahl 1868 läßt erahnen: 20 Jahre nach der Bauernbefreiung, als sich der Lauf der Dinge fundamental geändert hatte, war diese Wirtschaft in einem völlig neuen Status aufgestellt. Herkömmlich gilt ein Hof dann als Erbhof, wenn er mehr als 200 Jahre Familiengeschichte hat. (Allerdings gibt es in der Steiermark – im Gegensatz zu anderen Bundesländern - kein diesbezügliches Gesetz.)
Die symbolischen Anforderungen sind hoch. Mindestens 200 Jahre Familienbesitz müssen ohne Unterbrechung in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad gegeben sein.
Es geht um eine geschlossene Hofversion, die genügend Ertrag für den Unterhalt der Familie gewährleistet, wobei die Eigentümer den Hof selbst bewohnen und bewirtschaften müssen.
Ich denke, es ist ein für unsere Region eher untypischer Betrieb. Ich weiß zwar nichts über dazugehörige Flächen, aber historisch sind hier kleine Selbstversorgerwirtschaften vorherrschend gewesen. Dieser Hof ist merklich größer.
Auf der geschnitzte Bank unter dem Wandgemälde befindet sich die Miniatur eines modernen Steyr Traktors. Es braucht etlichen Ertrag, um einen Maschinenpark zu erwirtschaften, der solches Gerät einschließt. (Würde mich nicht wundern, wenn dort zur Erinnerung irgendwo in einer Garage auch ein gepflegter Fünfzehner Steyr aus der Nachkriegszeit stünde.)
Vielleicht hatten die Leute hier schon Pferde (Noriker?), wo andere Bauersleute ihre Arbeit noch mit Ochsen erledigten, manche sogar Kühe einspannen mußten, weil es für mehr nicht reichte.
In der gegenüberliegenden Fahrzeughalle hab ich einen ausgedienten Klassiker aus österreichischer LKW-Produktion gesehen.
Der Steyr Typ 91 mit dem markanten Design des Belgiers Louis Lucien Lepoix wurde 1978 eingeführt. Eine Ikone unter den heimischen Lasteseln.
Man könnte ihn seinerseits heute als Wegmarke deuten, als Denkmal der Arbeitswelt. (Alle Fotos: Martin Krusche)
- Wegmarken (Ein kulturelles Zeichensystem)
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