Notiz 112: Nächste Prozesse#
(Vom Howl zum Prisma)#
Von Martin Krusche#
Das Auftakt-Foto: ein verhüllter Yank Tank, Fullsizer, also wenigstens fünf Meter lang. Aufgrund einiger kantiger Linien vermute ich: ein Cadillac. Solche Post erhalte ich gelegentlich von Ida Kreutzer, Fotografin, Designerin, seit einigen Jahren in New York zu Hause. Wir sind beide Automobil-Paparazzi, was bedeutet: wenn in den Straßen eine interessante Kontur auftaucht, ein Stück alter Lacke, vom Sonnenlicht getönt, eine unübliche Chromleiste, dann zack! Foto!
Das verweist auf den transatlantischen Dialog, den wir eben aufgemacht haben: „Two Lane“. Von ganz anderer Art ist mein Dialog mit dem Fotografen Richard Mayr. Wir sind derzeit auf Tour, um Objekte für ein Buchprojekt dingfest zu machen. Das heißt: Station für Station über die Dörfer.
Robuster Dienstwagen. Ein Jeep Wrangler, der – egal, wo ich hinfasse – wie aus dem Vollen gefräst wirkt und mit dem es in Passagen geht, vor denen ich mir zweimal überlegt hätte, ob ich da rüber will. Unterwegs reichlich Zeit, um übers Leben zu reden. Zuhause Sichtung des Materials. So erschließen wir uns die „Wegmarken“; das wird auch der Titel des Buches sein.
Bei einer dieser Touren mit Mayr hab ich in Albersdorf ein Motiv gefunden, das in meine Leiste „Routen & Gegend“ kam. Der alte Schaukasten erhielt den Satz „ein winkel tausend erloschener nachrichten.“ als Bildunterschrift. Darauf reagierte Künstler Fritz Payer recht originell. Er antwortet ja gelegentlich auf visueller Ebene…
Zu all dem gibt es eine „Werkbank“, die mir auf Teleworking-Ebene die Kooperation mit vier Bürgermeistern ermöglicht. Das macht freilich Redaktionsbesprechungen in realer sozialer Begegnung keineswegs überflüssig. Allein schon im Durchgehen der geeigneten Fotos ist die reale Dialogsituation mit Richard Mayr jeglicher Telepräsenz vorzuziehen.
Parallel zu diesen Linien die Reflexionsarbeit an der eben verflossenen Ära und eine kulturpolitische Erörterung. Ich bin der Auffassung, nach der in den USA losgetretenen Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 sind wir in eine enorme Dynamik geraten, die sich zwischen 2010, 2015 und 2020 als interessante Krise manifestiert hat.
In „Was es wiegt, das hat’s“ durchleuchte ich diesen Prozeß und stelle meine Ansichten zur Debatte.
Okay, es ist vorerst eher ein Dialog. Backstage gibt es manchmal Kopfnicken. Aber in der Öffentlichkeit findet der oder irgendein kulturpolitischer Diskurs nicht statt; zumindest so weit ich sehe. Ich muß diesen Ozean des Schweigens zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Es gibt da keine Möglichkeit, um etwas zu forcieren.
Das alles macht nun schon den neuen Abschnitt greifbar, welchen ich nun unter dem Titel „Prisma“ eingeleitet habe. Der löst im Übergang mein 20 Jahres-Projekt „The Long Distance Howl“ ab. Etwas scheint an all dem schlüssig.
Als ich auf die Welt kam und aus den Sedimenten des Faschismus herauskroch, entwickelte sich etwas Bemerkenswertes. Es verdichtete sich in Österreich eine Mischung aus Sicherheit, Freiheit und Wohlstand, wie es das in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie zuvor für so viele Menschen gegeben hatte.
Ich zählte zu den ersten Alterskohorten, die diese Erfahrungen machen durften.
Das hatte eine Tiefe und ein Ausmaß gewonnen, wie sie für unsere Kinder nicht mehr verfügbar sind. Eine Entwicklung, die ich sehr beunruhigend finden, weil ich von vielen Mitten und Möglichkeiten weiß, diese Prozesse zu bremsen, wenn schon nicht zu stoppen. Zu diesen Mitteln gehören öffentliche Diskurse, Diversität, eine Reihe von klaren Positionen in einer pluralistischen Gesellschaft. Wir gehen auf spannende Jahre mit interessanten Aufgaben zu,. Besser gesagt: wir sind schon mittendrin.
- Prisma (Des neue Projekt)
- The Long Distance Howl (Des alte Projekt)
- Dorf 4.0: Die Notizen-Übersicht