Geborgene Schätze#
(Teamwork zur Informationssicherung)#
Von Martin Krusche#
Sie können es sich genau so vorstellen: Eine bisher unentdeckte Grabkammer wurde endlich gefunden und geöffnet. Nun hockt ein Team beisammen, um die Artefakte zu sichten. Gut, es schlummern keine Jahrtausende in den Archivalien. Aber es sind die Jahrzehnte einer versunkenen Ära.
Ich hab es Altmeister Fredi Thaler bei jenem Treffen das erste Mal aussprechen gehört: „Es ist vorbei.“ Er und Manfred „Hasi“ Haslinger gehören zu jenen Puchianern, die heute gewissermaßen technische Archäologie betreiben. Sie arbeiten derzeit (Sommer 2022) am Puch Landwagen, um aus Fragmenten und erhaltenem Zeugs das Fahrzeug wieder möglichst originalgetreu aufzubauen. Viele Recherche, viel Handarbeit.
Constantin Kiesling saß mit am Tisch. Er hat sich über die Jahre eine enorme Expertise bezüglich des Steyr-Puch Haflingers erarbeitet, hat recherchiert, korrespondiert, gesammelt, war erst vor einiger Zeit auf Archivmaterial gestoßen, das die Mitwirkung von Industriedesigner Louis Lucien Lepoix an der Pinzgauer-Gestaltung belegt. Es ist vergnüglich anzusehen, wenn ein Mann wie er unter den Blättern, Fotos, Planfilmen und Glasnegativen Material entdeckt, mit dessen Existenz er gar nicht gerechnet hätte. Oberster Lord Schatzkanzler war in diesem Fall Fotograf Robert Lukas.
Er hatte im Grazer Puchwerk seinerzeit „am Bandel“ angefangen. Schichtarbeit. Pleuel und Kurbelwellen. Als im Betrieb Fotos für Dokumentationszwecke benötigt wurden, fand er sein neues Metier, in dem der sich später selbständig gemacht hat.
Es gibt kein Puch Werksmuseum. Was immer von den Puchwerken, genauer: von der Steyr-Daimler-Puch AG am Standort Graz, an Unterlagen geblieben ist, wanderte in den Abfall oder wurde von Privatpersonen vor dem Schredder bewahrt, ist daher in alle Winde zerstreut.
Teamwork zur Informationssicherung #
Niemand kennt die Bestände und wo was erhalten blieb. Das macht es teilweise so mühsam, manche Informationen auszuheben. Lukas ist selbst Zeitzeuge, war seinerzeit als Insider dabei, später als Profifotograf von außen. Haslinger und Thaler sind unbezahlbare Zeitzeugen. Kiesling hat sich einerseits als leidenschaftlicher Sammler großes Fachwissen erworben, ist andererseits als Techniker in der Motorenentwicklung tätig, steht also in der Tradition der alten Meister.Ich werde in Sachen Puch manchmal als Experte adressiert, muß aber stets widersprechen. Ich bin der, der mit den Experten spricht. Ein Erzähler. Darin teile ich aber das große Vergnügen an den Entdeckungen. Ein sauberes Haflinger-Werksfoto mit einem Schweißtrafo auf der Plattform. Hier Afrikaner, da Asiaten, die Haflinger gingen auch nach Amerika, Australien, um die ganze Welt.
Kaum jemand kennt noch all die honorigen Herren mit den Hüten. Oder: Ehweiner. „Welcher? Da gab es drei.“ Die Glasnegative hatten es mir besonders angetan. Das sind wunderbare Stücke. Hier der Puch Pickup. Ging nie in Serie. Da das Imp-Coupé auf eine Art, die ich noch in keiner Publikation gesehen hab. Natürlich einige Details des Landwagens. Darum ging es bei diesem Treffen wesentlich. Wo kam die Vorderachse her? Wie wurde der Radstand verlängert?
Eben weil diese Ära schon geendet hat, weil solche Autos nicht mehr gebaut werden, weil auf die Art nicht mehr produziert wird, weil sich längst völlig verändert hat, auf welche Konzepte sich individuelle Mobilität einer Massengesellschaft stützt, aber auch weil so vieles bis heute nicht dokumentiert ist, während menschliches Wissen sehr schnell verschwindet, ist das ein Teil steirischer Wissens- und Kulturarbeit.
- Alle Fotos: Martin Krusche
- Funkenflug (Eine Erkundung)