AUFRUF 1945 Tierrettung#
Ein Aufruf der Schönbrunner Tiergartenverwaltung erreichte das „Neue Wiener Tagblatt“ im März 1945 und hatte sich unter der Bevölkerung schnell herumgesprochen, die das Schlimmste befürchtete.
In diesem Aufruf wurden die Wiener gebeten, eingefangene Vögeln die beim letzten Luftangriff entkommen waren im Verwaltungsgebäude der Menagerie abzugeben.
Ein Mitarbeiter des Blattes machte sich schließlich zum Tiergarten Schönbrunn auf um sich einen Überblick über die Kriegsschäden zu gewinnen.
Was er dort zu sehen bekam war kaum zu beschreiben, ein Werk wüster Zerstörung. Hier wurde eine 300jährige Arbeit fast vernichtet. Riesige Bombentrichter hatten die Wege zur Schönbrunner Menagerie schier unpassierbar gemacht. Zerfetzt sind gigantische Bäume, zerschlagen war das Palmenhaus - es war das einzige von solcher Größe in Europa., man sah durch die leeren Fenster in leere Räume, dann das Wenige an kleinen Palmen und Zierpflanzen die in den Ecken standen, war nur ein trauriger Rest des tropischen Zaubers, der hier aus aller Welt zusammengetragen worden war.
Der Wiener der „sein Schönbrunn“ kennt und es ins Herz geschlossen hat, mit all seinen prunkvollen Schönheiten in Bau- und Gartenkunst war vor diesem Bild sinnlosester Zerstörung völlig fassungslos. Man kann nicht weitergehen, man erstarrt bei diesem Anblick. Hier wurde sonst um diese Zeit die Frühjahrsblumen Ausstellung eröffnet. Jetzt lag unter einem verbogenen Stahlgerüst ein Schutthaufen von Glasscherben und hölzernen Jalousien die im Frühlingssturm klappern. Immerhin die Grundmauern stehen, das Stahlgerüst hat gehalten und nach Jahren wird das Palmenhaus - wohl um vieles ärmer geworden – wieder fertig dastehen.
Dann geht der Weg weiter. In die Mauer, die die Schönbrunner Menagerie absperrt, ist eine Bresche gerissen. Der Weg wird immer lehmiger und ist von Ästen, Brettern und Eisenteilen übersät. Schon der erste Schritt durch das westliche Eingangstor sagt alles. Hier ist wenig für einen Neuaufbau zu hoffen. Der langjährige und verdienstvolle Betreuer und Leiter des Schönbrunner Tiergartens Professor Dr. Antonius spricht diesen Gedanken auch aus. Von dem artenreichen Schatz der Menagerie, der Weltruf hatte, ist nur weniges erhalten geblieben. „An meine zwanzigjährige Arbeit denke ich gar nicht,“ sagte Professor Antonius ,“es ist wissenschaftliche Arbeit von Generationen, die hier zerstört wurde. Was weiter geschehen wird, ist vorläufig ganz unklar. Wann und ob der Tiergarten wieder eröffnet werden wird, ob hier oder an einer anderen Stelle Wiens...“ der Gelehrte machte eine hilflose Handbewegung.
Was Direktor Antonius vor allem am wichtigsten schien er teilte unserem Mitarbeiter mit, dass von den Raubtieren keines ausgekommen ist. Ein Elefant, der bei einem Ausbruch hätten gefährlich werden können,wurde abgeschossen. Augenblicklich werden die Kadaver der getöteten Tiere noch geborgen. Auf einem Schutthügel lag das Nashorn; sein Haus ist zerstört, der Tierkadaver lag oben auf dem Dachrest.
Interessant ist, dass die Steinböcke, deren Gehege gleichfalls niedergerissen wurde, bald nach dem ersten Schreck auf ihren alten Platz zurückkamen. Ebenso hat das Känguru seinen Platz wieder aufgesucht. Unersetzlich ist der Verlust der exotischen Vögel, von denen ungefähr 1200 in Schönbrunn waren. Ein großer Teil ist unter den Trümmern der Voliere begraben und was in die Freiheit flüchtete wird vermutlich eingehen, da diesen Tieren jetzt die gewohnten Lebensbedingungen fehlen. Auch ein Teil der großen Raubvögel ist durch die aufgerissenen Gitter entkommen. Raubvögel sind Aasfresser, die Schrebergärtner und Geflügelzüchter in der nächsten Umgebung brauchen also nichts für ihren Hühnerbestand zu fürchten Wir gehen durch die Anlagen. Aufgerissene oder eingestürzte Käfige, trübe schmutzige Teiche – denn auch die Wasserzuleitung ist zerstört -, Bombentrichter neben Bombentrichter, umgestürzte Bäume, ein Durcheinander, durch das man manchmal nur mühsam weiterkommt – das ist das Ende des Schönbrunner Tiergartens. Ein zoologisches Freilicht Institut und eine Garten Zierde von Weltbedeutung ist der sinnlosen Zerstörungswut unserer Feinde zum Opfer gefallen.
Quelle: Neues Wiener Tagblatt und Bild ÖNB
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