Die Wehrkirche St. Michael in der Wachau und ihre Sehenswürdigkeiten#
Von Ernst Zentner
In der Wachau liegt eine beeindruckende Wehrkirche. Sie liegt knapp am Donauufer - Bundesstraße 3 - und heißt St. Michael. An dieser Stelle sehen wir über 1200 Jahre in der Kulturgeschichte zurück. Um das Jahr 800 errichtete Karl der Große anstelle der keltische Opferstätte ein Michaelsheiligtum.
Damals hatte der Frankenherrscher die Awaren niedergerungen und begann den Schutz der Handelswege und der Reichsgrenzen aufzubauen. Betont achtete er die Christianisierung voranzutreiben.
Nicht zu glauben hier lebten Kelten und praktizierten ihre Kulte. Viel früher gab es schon Wege entlang der Donau. Das Donautal war immer schon uralter Kulturboden. Nicht unweit wurde die 30.000 Jahre alte Statuette "Venus von Willendorf" gefunden. Sie ist grob geschätzt 20.000 Jahre älter als die Sphinx in Ägypten …
Erstmals gab es 987 eine erste urkundliche Nennung.
St. Michael zählte zu einen der ältesten und umfangreichsten Pfarren im Donautal.
St. Michael wurde zum Zentrum der Christianisierung im Einzugsbereich der Wachau - ein weiterer Mittelpunkt war das 22 Kilometer entfernte, jedoch am Donauufer gegenüberliegende Stift Melk. In der Mark Ostarrichi amtierte das erste österreichische Herrschergeschlecht der Luitpoldinger, besser bekannt als Babenberger.
1159/62 wurde die Pfarre an das oberösterreichische Stift St. Florian übernommen. Die Steinkirche besaß romanische Stilformen und wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch einen spätgotischen Bau ersetzt. Auch die Wehrhaftigkeit des Areals nahm Gestalt an. Schon im 14. Jahrhundert wurde der gotische Karner gestiftet und erbaut.
Spanische Hilfstruppen zerstörten 1532 den gotischen Kirchturm. Nach einem weiteren Brand bekam der Westturm sein Renaissance-Aussehen (1544). Der damalige Baumeister Lienhard stammte aus Krems. Hundert Jahre später verursachte ein Brand den Einsturz des Langhauses. Danach errichtete der Baumeister Cyprian Biasino ein frühbarockes Kirchengewölbe und ummantelte die gotischen Strebepfeiler.
Unter Kaiser Joseph II. wurde die Pfarre aufgelöst und wurde zur Filialkirche der Pfarre Wösendorf.
Der Ort hatte beim Rückmarsch der Franzosen nach dem überstandenen Gefecht bei Loiben ziemliche Nachteile zu ertragen (1805).
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert war die Wehrkirche baufällig geworden und 1948 begannen Renovierungsarbeiten.
Anlässlich der Fertigstellung der Wachau-Bundesstraße wurde der Wachturm in einen Aussichtsturm umgestaltet. Im Inneren wurde ein riesiges Sgraffitobild von Rudolf Pleban (gest. 1965) eingerichtet. Es zeigt die wichtigsten Stationen in der Geschichte der Wachau. Die Ankunft des Hl. Severin, der Bau des Stiftes Melk, die Einrichtung der Postroute u. a.
Am 26. Mai 1968 wurde die Wehrkirche durch den St. Pöltener Diözesanbischof Franz Žak wiedereröffnet. 1987 wurde im bescheidenen Rahmen der Erwähnung vor tausend Jahren gedacht.
Der Hochaltar (1696) der Kirche wurde 1748 aus der Stadtpfarrkirche Stein nach St. Michael übertragen. Der zweite Seitenaltar zeigt ein Gemälde "Heilige Familie", das vermutlich von Martin Johann Martin geschaffen worden sein könnte.
Auf dem First des Chores sind Tiere dargestellt. Einer Sage zufolge sollten es Hasen sein, die sich in einem schneereichen Winter auf der Suche nach Futter auf das Kirchendach verirrt haben sollen.
Beinhaus (Karner) der Wehrkirche St. Michael.
Andere meinten, ein Hirsch führt die von einem Jäger begleitete "Wilde Jagd" an. Die Originalskulpturen sind im Museum der Stadt Krems aufbewahrt.
Die Wehranlage - Kirche, Friedhof, Karner und Turm - war einst Teil einer Talsperre über die Donau.
Zwischen der Apsis der Kirche und den Aussichtsturm steht der etwa 7 mal 10 Meter große Karner. Erbaut nach 1395, gestiftet vom Ehepaar Seyfried und Margarete Freytl aus Wösendorf. Im Inneren überspannt ein gotisches Kreuzrippengewölbe das Ganze.
Unwohliges Gruseln umwallt das Innere des Karners. Der Altar stammte aus der Barockzeit und wird von Knochenpieta geziert. Aus den dunklen Augenhöhlen blickt das Jenseits in das Diesseits. Einige Meter weiter liegen in Glasvitrinen drei Mumien aus der Epoche zwischen 1150 und 1300. Zwei Klappsärge aus der Zeit des übereifrigen Reformierers Josephs II. - einer für Erwachsene und einer für Kinder. Wurden gewiss nicht lange verwendet.
Noch ein genauerer Blick auf die Schädel offenbart interessantes. Einer hat sogar ein Loch. Wohl eine Schussverletzung. Ein Drama aus Kriegszeiten? Natürlich! Ein direkter Hinweis auf die Schlacht bei Loiben 1805 im Kampf gegen Napoleon.
Erinnerungen an das "Tödlein" (Kunstsammlung Stift Göttweig) wurden wach. Im Barock wusste der Mensch um seine Existenz und Endlichkeit zu gut Bescheid. Epidemien, Kriege und Hungersnöte sorgten vor über 300 Jahren für eine Begrenzung des irdischen Seins. Die Knochenpieta - ein von Schädelknochen sorgfältig angeordnetes makabres Sinnzeichen der Vergänglichkeit - bot ein Beispiel des "Grotesken Barocks".
Vergleichbar wären noch die übereinander gestapelten - bemalten - Totenschädel in einem Beinhaus im oberösterreichischen Hallstatt.
Vom hohen massiven runden Wehrturm gibt es einen Rundblick in das schöne Donautal. Schiffe begegnen einander. Einheimische und Touristen wechseln einander ab.
Hier stehen Weinlesehöfe und Wohnhäuser. Die Wachaubahn zieht versteckt hinter den Häusern vorbei und setzt ihren Weg durch einen Tunnel des anliegenden Felsmassives fort. Weithin sichtbar die Weingärten, die Berge mit ihren Forsten.
Copyright Ernst Lanz 2017-2018-2019
Siehe auch
- Wehrkirche St. Michael/AustriaWiki
- Die Wachaubahn und ihre Kulturgeschichte (Essay, dabei eine Abbildung mit dem Tunnel nahe St. Michael)
- Wachau/AEIOU
- Wachau/AustriaWiki
- Tausendjähriges Krems an der Donau (Essay von Zentner E.)