In süßem Jubel – Musik zur Weihnacht einst und jetzt#
Musik für Advent und Weihnacht#
Von Ernst LanzWeihnachten als hohes Kirchenfest erhielt dem Thema angemessene Musikwerke. Bereits in den frühen nachchristlichen Jahrhunderten existierten entsprechende Gesänge. Um den Gläubigen die Geschichte Jesu besser nahezubringen entstanden die geistlichen, eher theatralisch anmutenden Krippenspiele. Inhaltlich kreisten sie um Herbergssuche, Heilige Nacht, Anbetung durch die Hirten und Könige. Der gregorianische Hymnus "Puer natus in Bethlehem" (14. Jahrhundert)
war einer der frühesten liturgischen Gesänge zur Weihnacht. Ein ruhiger getragener Gesang, der das durch Gott getätigte Wunder zum Inhalt hat. Meistens waren diese Lieder in lateinischer Sprache - damit auch weniger gebildete Zeitgenossen diese Darbietungen leichter verstehen konnten, wurden sie in der jeweiligen Landessprache vorgetragen ("Joseph, lieber Joseph mein"[1], "In dulci jubilo", beide 14. Jh.).
Nun die eigentlichen Weihnachtslieder entstammten den Festgottesdiensten und den geistlichen Spielen. Älteste Beispiele kamen bereits im 11. Jh. zustande. Hernach nannten die slawischen Völker ihre Weihnachtsgesänge "Koleda" (allerdings in Rumänien "Colinda"). Noch gegen Ende des 14. Jh.s erschien in England das sogenannte "Carol". Zuerst war es ein weihnachtliches Tanzlied, das dann zwei Jahrhunderte nachher zur offiziellen Bezeichnung für Weihnachtslieder im angelsächsischen Sprachraum aufstieg: "Christmas carol". Im Frühbarock erfreuten sich auch in England Lieder deutscher Herkunft enormer Beliebtheit. Ebenfalls ziemlich früh enstand das in Frankreich das "Noël" (lat. "natale", "auf die Geburt"). Ein Kirchenlied, das eine eigenartige Mischung aus neutestamentarischer Hirtenthematik und frommer Sujets von volkstümlicher Einfachheit barg. Die Spanier nennen ihre Weihnachtslieder einfach "Villancico". Dieses entwickelte sich aus der Kantate des 17. und 18. Jahrhunderts. Jedes europäische Land hütet einen eigenen Schatz an Weihnachtsliedern.Während der Reformationsepoche und der Nachreformationszeit erhielt das Weihnachtslied neue Anregungen. Luther textete das berühmte "Vom Himmel hoch, da komm ich her" (1535).
Der große Reformator benützte als Melodie ein bekanntes Trinklied. Der evangelische Meistermusiker Michael Praetorius vertonte 1599 das auch dem 15. Jahrhundert stammende Gedicht "Es ist ein Ros' entsprungen".
Nicht ohne Zufall wurde der inzwischen aufgekommene Christbaum mit Papierrosen seither dekoriert.
Aus dem 16. Jahrhundert stammte das beachtenswerte Weihnachtslied "Gaudete" (Freut euch!) bzw. "Gaudete, Christus est natus" (Freut euch, Christus ist geboren). In der finnisch-schwedischen Liedersammlung "Piae Cantiones" erstmals enthalten (1582).
Bevor die eigentliche Weihnachtsmusik in den Gottesdiensten zum Einsatz kam, dominiert in der Tradition der (adventlichen) Roratemessen das deutsche Adventslied "Tauet, Himmel, den Gerechten" (Jes 45,8 Vulgata), das seit dem 18. Jahrhundert bekannt ist und sein Text, untermalt durch eine ruhige einprägsame Melodie, inhaltlich das Warten der Menschheit auf den Messias, Heiland, Erlöser bzw. "Mittler", "Retter" oder "Richter" anspielt. (Gotteslob Nr. 218)
Ein weiteres bekanntes Adventslied ist "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" (Ostpreußen, 17. Jahrhundert). (GL Nr, 790/791) Sein Inhalt deutet den Einzug der Bundeslade in den Tempel an, also den Einzug Gottes in sein Volk.
Allgemein sind Weihnachtslieder Kirchenlieder und wurden von Geistlichen verfasst.
Aber nicht jedes Lied offenbarte religiöse Grundthematiken. Beispielshalber ließ der Waldreichtum Deutschlands mit seinen markanten mächtigen Edeltannen das "O Tannenbaum" im ausklingenden 18. Jahrhundert entstehen. Überaus ereiferte dessen Melodie Komponisten der Romantik zu interessanten Tonschöpfungen.
An der Wende zum 19. Jahrhunderts entstanden volkstümliche Weisen: "Ihr Kinderlein kommet", "O du fröhliche, o du selige", "Stille Nacht, heil'ge Nacht" (so der korrekte Titel nach der 1995 aufgefundenen Urfassung von 1820/25!) und "Alle Jahre wieder" (1837). Nicht weniger gefühlvolle Lieder sind "O little Town of Bethlehem" (USA, 1868) und das amüsant-fröhliche "Jingle Bells" aus den USA. (Eigentlich kein Weihnachts- sondern ein flottes Pferdeschlittenlied, "Klimpert laut ihr Schellen", 1850/59). Selbst das amerikanische "White Christmas" (Irving Berlin, 1942; einst interpretiert vom unvergessenen Bing Crosby!) bezauberte ebenfalls durch seine Anmut. Dennoch gilt das im Salzburgischen hervorgebrachte "Stille-Nacht"-Lied als unerreichtes Weihnachtslied absolut. Das urgewaltige ewige "Stille Nacht, heil'ge Nacht" enthält eine gekonnte Mischung aus klassischen Sujets und altösterreichischen Volkslied mit Empfindung. Beinahe eine Milliarde Menschen singen es - in vielerlei Sprachen und Varianten - während der Mitternachtsmette.
St. Florianer Sängerknaben - Stille Nacht, heilige Nacht
Zweifellos gehören in unseren Breiten noch zu den beliebtesten, das Wiegenlied "Aber heidschi bumbeidschi", das angeblich eine griechische Gemahlin eines Babenbergerfürsten als Wiegenlied nach Wien mitgebracht hatte, das von den Zeitgenossen falsch interpretiert wurde und inzwischen 800 Jahre alt ist. Aber wirklich überliefert seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Musikexperten haben nun mal andere Ansichten.
Weiterhin erwähnenswert wäre noch das oberösterreichische "Es wird scho glei' dumpa" (Melodie 1697/1765; Text 1884. Auch hochdeutsch bekannt: "Es wird schon gleich dunkel".)
Das liebliche "Still, still, still, weil’s Kindlein schlafen will" wurde 1819 als Salzburger Volksweise aufgezeichnet und erschien erstmals 1865 in einer gedruckten Volksliedersammlung. Der hochdeutsche Text entstand erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch im englischsprachigen Raum bekannt.
Bekannt ist auch das evangelische "Leise rieselt der Schnee", das 1895 erstmals als Kinderlied gesungen bzw. als "Weihnachtsgruß" in einer Gedichte-Sammlung gedruckt wiedergegeben wurde (ehem. Westpreußen, heute Polen).
Komponisten der klassischen Musik der Moderne hatten sich von jeher der Weihnachtsthematik nicht verschlossen und versuchten das Ereignis tonkünstlerisch und konzertant aufzubereiten.
Seltsam mutete auch der martialische Inhalt von "Morgen kommt der Weihnachtsmann" an. "Morgen kommt der Weihnachtsmann, / kommt mit seinen Gaben. / Trommel, Pfeifen und Gewehr, / Fahn und Säbel und noch mehr, / ja ein ganzes Kriegesheer / möchte ich gerne haben." Heinrich Hofmann von Fallersleben (1798-1874) dichtete es zu einer Melodie eines französischen Salonliedes aus dem 18. Jahrhundert (1835). Keine Sorge heute wird diese erste Strophe ausgelassen und dem harmlosen Inhalt (Spielzeug, Bitte nach Wunscherfüllung) der Vorrang gegeben.
Weihnachtslieder gerieten ebenfalls in den Mahlstrom der jeweiligen Politik und bedenklicher ideologischer Anschauungen: In den Zeiten des Totalitarismus hatten Staatsverantwortliche (etwa NS-Deutschland "Hohe Nacht der klaren Sterne", 1936[2] und später DDR, "Tausend Sterne sind ein Dom", 1946[3]) stets versucht Weihnachtslieder gesellschaftspolitisch zu verweltlichen. Neue Lieder wurden geschrieben. Das Religiöse wurde entfernt - dafür wurde der germanische Mythos betont, vorerst - und aus den Weihnachtsliedern wurden eher mit Mühe und Not festliche Winterlieder. Aber der sakrale Charakter dennoch kehrte dank Volk zurück.
Andeutungsweise sei bloß darauf hingewiesen, dass seit der Mitte des 20. Jahrhunderts mit Weihnachtsliedern mittels Verkauf entsprechender Tonträger (Schallplatte, Tonbandkassette, CD und DVD, mp3 und was auch immer) das große Geschäft für die Musikindustrie getätigt wurde. Von den Umsätzen nicht zu reden.
1945 wurde das amerikanische "Let It Snow" (Lass es schneien) zum Hit.
Der "singende Cowboy" Gene Autry machte "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer" (1949) populär. Inspiriert durch ein für Kinder gedachtes Malbuch einer Kaufhauskette handelt der charmante Song vom einem Rentier mit einer leuchtenden roten Nase, und Rudolph hilft Santa Claus. Was für ein weihnachtliches Märchen!
Jedes Jahr kamen und kommen Neubearbeitungen alter Melodien sowie neue Weihnachtslieder heraus. Je nach Interesse erfreuen sie sich steigender Beliebtheit oder sind bereits am Christtag der Vergessenheit anheimgefallen. Der Publikumsgeschmack ist doch unergründlich. Es gibt keinen weiblichen oder männlichen Interpreten,[4] welcher sich nicht an irgendein altes oder neues Weihnachtslied herangewagt hätte. Leider lassen diese scheinbar hypermodernen Lieder rasch entfallen, dass Weihnachten inmitten der dunkelsten Jahreszeit auch einen religiösen Charakter hat …
Aber eine Ausnahme scheint ein Popsong der britischen Gruppe "Wham!" zu sein: "Last Christmas" (1984); inhaltlich eine verflossene Liebesbeziehung und seit 35 Jahren ein weltweiter Klassiker der populären Weihnachtsmusik. Auch ein eigens produzierter Video-Clip hatte dabei kräftig mitgeholfen.
Im Grunde genommen ist Weihnachtsmusik in Kategorien einteilbar: Liturgie (Advent und Weihnachtsfeier), Lieder für die Bescherung und Untermalung bei Adventsmärkte und in Einkaufszentren. Oder?
Jeder weihnachtlich gestimmte Mensch besitzt ein insgeheimes Lieblingsweihnachtslied. Es muss nicht gerade ein "Christmas carol" sein …
Copyright Ernst Lanz 1999, ergänzt 2019-2020
Anmerkungen
[1] Aufgezeichnet vom Mönch von Salzburg im 14. Jahrhundert: "Joseph, lieber nefe mein, hilf mir wiegen mein kindelein"
[2] In rechtskonservativen Kreis gegenwärtig wieder modern geworden … lt. Wikipedia
[3] In den ostdeutschen Bundesländern ist es heute noch sehr beliebt … lt. Wikipedia
[4] Nur eine lose Auswahl: Peter Alexander, Heintje Simons, Nicole, Simone, Bing Crosby, Frank Sinatra, Dean Martin, Doris Day, Barbra Streisand, Diana Ross, Nana Mouskouri, Mireille Mathieu u. a. - dazu berühmte OpernsängerInnen, etwa Elīna Garanča, Angelika Kirchschlager, Peter Schreier, José Carreras, Luciano Pavarotti und neuerdings Jonas Kaufmann - Die Liste ist endlos. Dazu berühmte Chöre: Wiener Sängerknaben, St. Florianer Sängerknaben, Tölzer Knabenchor, Regensburger Domspatzen, Thomanerchor
Quellen
- Eigene Recherchen
- Liederhandbücher
- Brockhaus Enzyklopädie
- Wikipedia (fast jedes Lied ist durch einen eigenen Eintrag vertreten)
- Musiklexikon online "Weihnachtslied"
- Stille Nacht! Heilige Nacht!/AEIOU
- Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Weihnachtslieder. Musikalische Bearbeitung von Hilger Schallehn. Mainz 9. Auflage 1998 (1982)
- AustriaWiki:
Spezielles
- Weihnachtslieder selber singen ... Herausgegeben vom Steirischen Volksliedwerk. Redaktion der Neuauflage: Daniel Fuchsberger unter Mitarbeit von Monika Primas und Eva Maria Hois. 3. überarbeitete Auflage, Graz 2013
- Büro für Weihnachtslieder/AustriaWiki