Ärger mit Spanien und Frankreich#
Vorantreiben außenpolitischer Situationen#
Probleme wechselten wie die Botschafter bei Hofe einander ab. Die militärische Situation des römisch-deutschen Reiches im Kampf gegen die Hohe Pforte wurde von Spanien ausgenutzt, um eigene innen- und vor allem außenpolitische Entscheidungen voran zu treiben. Der spanische König Philipp V. hatte wie alle Epigonen großer Adelshäuser gewisse Defizite. Er litt unter Stimmungsschwankungen und war zu weitreichende Entscheidungen offenbar nicht fähig genug gewesen. Aber seine Ehefrau, Königin Elisabetta Farnese hatte große Pläne für ihre Nachkommen und Spanien. Ihr Günstling Kardinal Giulio Alberoni – Geistliche waren zu allen Zeiten hoch gebildet und wenn es das Umfeld abverlangte auch geniale Machtmenschen ohne auf die theologische Welt zu vergessen – war völlig in ihrer politischen Linie.Taktische Spielereien#
Der Kaiser sah ganz genau beider Zielsetzungen: Die Rückgewinnung der verlorenen italienischen Nebenländer Sizilien und Neapel. Nun der Friede innerhalb Europas war wieder gefährdet gewesen. Es gab nur eine Möglichkeit Spanien in Schach zu halten – mit einer Allianz. Und die bestand aus Frankreich, Großbritannien, Holland und Kaiser Karl VI. In London am 2. August 1718 wurde sie Realität. Die damaligen Historiker nannten sie – voreilig – schon "Quadrupelallianz" die allerdings mit dem Ausscheiden der Generalstaaten zur "Tripelallianz" zusammenschrumpfte. Die Republik Holland fühlte sich durch den Barriere-Abkommen vom 15. November 1715 beeinträchtigt und die Intrigen des spanischen Ambassadeur Marquis de Beretti Landis taten ihr übriges. Aber das tat dem Ganzen in außenpolitischer wie militärischer Hinsicht keinen wirklichen Abbruch. Im November 1718 nahm an dieser Allianz auch der Herzog von Savoyen teil. König Philipp V. setzte 1720 Kardinal Alberoni ab und verwies ihm des Landes. Im Haager Frieden musste der Escorial den österreichischen Besitzstand in Italien offiziell anerkennen, und Karl VI. erlangte obendrein einen vorteilhaften Tausch von Savoyen die Insel Sizilien für Sardinien.
Zwischen Vertretern des Kaisers, von Großbritannien, Holland, Frankreich kam es in London zu Gesprächen, die im Juli und August 1718 in eine "Quadrupelallianz" mündeten – allerdings schied Holland aus. Der Zweck dieses Dreierbündnisses war die Sicherung des Utrechter Friedens, gerichtet gegen Spaniens Italienpolitik und Expansionsdrang. Noch vor der Augustmitte kam es nächst Cap Passaro zwischen Großbritannien und Spanien zu einer Seeschlacht, die von den Briten gewonnen wurde. Der Kaiser entschied nachgiebig zu sein und unterschrieb am 16. September 1718 – gemeinsam mit Kanzler Johann Georg von Buol – eine Renunziation auf die spanische Monarchie. (Erst drei Jahre später werden Frankreich und Großbritannien – am 27. September 1721 – Garantie leisten über diesen Verzicht Karls VI.) Es war bloß eine schriftliche Wortklauberei um Zeit zu gewinnen. Aber wirklich hatte er nicht verzichtet. Damals war seine Tochter Maria Theresia an die eineinhalb Jahre alt und die Idee einer späteren Verheiratung mit einem spanischen Prinzen geriet in den Bereich der Machbarkeit.
Philipp V. gab erniedrigt nach, vorher entließ er Alberoni und verwies ihn des Landes, und trat im Februar 1720 zu Den Haag der Tripelallianz bei; dadurch anerkannte er die Utrechter und Rastatter Verträge; einen Monat später trat Herzog Viktor Amadeus I. von Savoyen zur obigen Allianz bei. Anfang April kam es zu einem Waffenstillstand auf hoher See zwischen den Vertretern des Kaisers, Frankreichs, Großbritanniens, Savoyens und Spaniens. Anfang Mai kam es vor Palermo zu einem Treffen der Generäle des Kaisers, des britischen Königs und spanischen Königs. Sie trafen Übereinkünfte wegen der Räumung Siziliens und Sardiniens. Am 22. Juni 1720 verzichtete Philipp V. zu San Lorenzo auf die an Kaiser Karl VI. abgetretenen Nebenländer. Im Juli erhielt der Herzog von Savoyen im Tauschweg als Entschädigung Sardinien mitsamt Königstitel. Seitdem hieß er König Amadeus II. von Sardinien.
Andere europäische Sachprobleme überschatteten Österreich und das Kaiserreich. Insbesondere wenn sie sich mit dem "Nordischen Krieg" überschnitten, in dem Schweden seine Großmachtstellung verlor und Preußen und Russland in den Ostseeraum vorstießen. Der Kaiser trat in Wien am 5. Januar 1719 einem Bündnis mit König August II. der Starke (Friedrich August I.) von Polen Kurfürst von Sachsen – und König Georg I. von Großbritannien – Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg-Hannover – bei. Es war eine Verteidigungsallianz, gewandt gegen Preußen und dem Zarenreich Russland.
Am meisten schien sich Karl VI. über den Staatsbankrott Frankreichs gefreut zu haben. Aber in Anbetracht seiner eigenen Finanzlage sah er keinen triftigen Grund dazu. Während in Frankreich der minderjährige König Ludwig XV. in seiner kindlichen Naivität mit ansehen durfte wie der pfiffige Schotte John Law mittels unglückseliger Papiergeldinflation, verursacht durch seine Gegner, in der Weltwirtschafts- und Geldgeschichte verursachte, mühte sich inzwischen Philipp V. resignierend mit gänzlich andersgearteten Problemstellungen, getrieben von einerseits familiären und andererseits außenpolitischen Sachzwängen. Außerdem präsentierte sich Philipp V. als schwacher und depressiver Monarch, der von seiner zweiten Gemahlin Elisabetta Farnese gepresst wurde. Zudem bekam vom Volk er den Beinamen El Animoso, das als Wortspielerei einerseits sogar der Beseelte, Starke oder andererseits der Traurige bedeuten konnte. Gewiss mit Recht, das gesamte Spanische Weltreichs alten Stils konnte er genauso wenig wie sein österreichischer Widersacher erreichen. Aber das war ihm zu diesem Zeitpunkt sowieso uninteressant erschienen. Zu Jahresbeginn 1724 übergab Philipp V. seinem ältesten, siebzehnjährigen Sohn aus erster Ehe mit Königin Marie Luise Gabriele, Ludwig (I.) die Regentschaft über das Königreich Spanien. Doch starb der Jüngling Ende August an einer heimtückischen Krankheit. So blieb dem unglücklichen Vater nichts anderes über als nochmals die Königskrone Spaniens zu übernehmen.
Seine zweite Ehefrau, die ungemein ehrgeizige Königin Elisabetta Farnese – Tochter Herzog Odoardos II. von Parma – besaß keine anderen Sorgen, als dass sie ihre eigenen Söhne Karl (III. / VII.) – "Don Carlos" – und Philipp – der spätere Herzog von Parma und Begründer der Habsburgernebenlinie – versorgt wissen wollte. Nun drohte das in einen Konflikt mit Kriegsgefahr um die Erbfolge in Parma und in der Toskana zu eskalieren. Die Großmächte entschieden Anfang 1724 im französischen Cambrai einen Kongress abzuhalten. Die britischen und französischen Vermittlungsversuche zur Bereinigung aller noch ausstehenden und ungeklärten Sachprobleme zwischen Spanien und dem Kaiser brachten die kaiserlich-österreichischen Diplomaten in die Bredouille. In den Gesprächen mit Österreich forderten Holland und Großbritannien längst die Aufhebung der Ostindischen Handelskompagnie – und das ohne Erfolg. Nicht desto weniger ihre spanischen Kollegen, die eine schnelle Verlegung spanischer Truppen auf dem Seeweg und als Infanten Karl/Don Carlos in die Toskana verlangten. Sie reagierten über die britisch-französischen Unterhändler unglücklich bis gereizt. Eine skurrile Situation war entstanden. Österreich-Habsburg und Spanien-Anjou-Bourbon standen im völligen Gegensatz zu den Seemächten. Als Elisabetta Farnese sah, dass in dieser Angelegenheit nichts mehr vonstattenging, entschloss sie sich spontan mit dem Kaiser direkten Kontakt aufzunehmen. Mit einem Mal waren Karl VI. und Philipp V. freundschaftlich gewogen – zum Ärger der Seemächte.
Formeller Friede#
Das leidige Problem zeigte sich im Fehlen eines formellen Friedens mit Karl VI., der zur Überraschung der europäischen Großmächte dank der spanischen Königin, erst nach mühseligen Verhandlungen in Wien am 30. April 1725, verknüpft mit einem Defensivbündnis (Friedens- und Freundschaftsvertrag), und am 1. Mai mit einem Handels- und Schifffahrtsabkommen gelöst wurde. Aber wie war das im Detail abgelaufen? Als Hauptbedingung wurde ausgehandelt: Karl VI. gab als Gegenleistung, die ihm unsagbar gequält haben mochte, den endgültigen Verzicht auf das Königreich Spanien bekannt, bestätigte somit die Anerkennung des Bourbonen Philipp von Anjou als König von Spanien! Weiteres versprach der Kaiser, er werde dessen Sohn Karl/Don Carlos bei Freiwerden der Reichslehen Parma, Piacenza und Toskana (Florenz), damit umgehend belehnen. Als besondere Abgeltung versicherte Philipp V. die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion. Bayern, Köln, die Pfalz und vorerst Frankreich schlossen sich dem Vertrag an. Im Mai ratifizierte Philipp V. und im Juni ratifizierte Karl VI. diese Friedens- und Handelsverträge. Ein formelles Ende des Spanischen Erbfolgekrieges kam am 7. Juni 1725 mit dem Frieden zwischen Reich und dem Königreich Spanien zustande.Durch das Zusammengehen Österreichs und Spaniens wurden Großbritannien und Preußen zutiefst beunruhigt. Als verspätete Gegenmaßnahme wurde am 3. September [1725] das "Bündnis von Herrenhausen" zwischen Großbritannien, Frankreich und Preußen geschlossen. Der reelle Zweck dieses Abkommens war, wegen der interstaatlichen Räson nur Unruhe, wenn nötig zu stiften, um den ausbalancierten Frieden in Europa zu gewährleisten. Den Kaiser beeindruckte das nicht sonderlich. Ganz im Gegenteil: Er genoss es, wieder in Europa an Achtung zu gewinnen. Aber eine Frage drängt sich doch auf: Brauchte er dieses Renommee wirklich? Spanien entschwand doch aus seiner Reichweite.
Auf dem Anlass des Friedenschlusses zwischen Österreich und Spanien wurde eine 2-Dukaten-Münze (Gold, 6,77 Gramm) geprägt. Sie zeigt auf der Vorderseite Kaiser Karl VI. und Philipp V. von Spanien Händereichend. Auf der Rückseite schwebt die Personifikation der Pax über der Weltkugel in Wolken mit Palme, Lorbeerzweig und Füllhorn. Am 5. November 1725 wurde das Bündnis zwischen Spanien und Österreich bekräftigt. Karl VI. und Philipp V. verpflichteten sich zu direkter gegenseitiger Hilfe in einem Krieg gegen Ludwig XV.
Jedenfalls hatte Karl VI. für sich das Elsass sowie die Bistümer Metz, Toul und Verdun beansprucht. Sein einstiger Gegner Philipp V. gedachte die Grafschaft Roussillon zu erobern. Weiteres stand im Raum, die Idee, dass zwei Töchter Karls VI., Erzherzogin Maria Theresia und Erzherzogin Maria Anna die Söhne Philipps V. ehelichen konnten. Das hieße eine Vereinigung zweier mächtiger Dynastien und brachte Großbritannien, Frankreich und Preußen auf den Plan, die miteinander die Herrenhausener Allianz zustande brachten. Eine weitere Verschärfung der Gesamtlage brachte Russland mit seinem Bündnis vom 6. August 1726 mit Österreich und Spanien zustande. Dazu folgten noch Sachsen-Polen und Bayern.
Großbritannien, Frankreich und Preußen entschieden den Weg in die Gewalt. Jedenfalls brach ein militärischer Konflikt aus und der von der Geschichtsforschung irgendwie vergessen wurde.
Zwischen Großbritannien und Spanien herrschte faktisch Kriegszustand. Es war kein Krieg, der die wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten gefährdete. Philipp V. versuchte vom 11. Februar 1727 bis zum 12. Juni 1727 vergeblich Gibraltar aus den Fängen der Briten zu entreißen.
Außerhabsburgisch-österreichische Kalamitäten | Ringen um Polens Erbfolge. Habsburg-Österreich verliert an Macht