Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Barcelona wird belagert#

Offizielles Porträt Karls III. vor dem Hafen von Barcelona
Porträt von Karl III. vor dem Hafen von Barcelona, Frans van Stampart, 1705 (?); KHM - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei - In der Mitte rechts in Kriegshandlungen verwickelte Segelschiffe
Der Spanische Erbfolgekrieg kam zu keinem Ende – auch die Diplomatie erreichte nichts: Im Frühjahr 1706 wagte Philipp V. – mithilfe einer französischen Kriegsflotte im Mittelmeer – von Madrid aus Barcelona zu bedrängen. Die Militärberater Karls schätzten die Schlagkraft völlig falsch ein. Die darüber liegende Festung Monjuich hielt der Belagerung stand. Karl geriet in Bedrängnis. Seine Berater – Lord Peterborough und Obersthofmeister Liechtenstein – rieten ihn zur heimlichen Flucht nach Portugal. Dispute waren die Folge. Karl argumentierte heftig: "Ich soll diejenigen verlassen, die Gut und Blut für mich aufgesetzet haben, und aus der Ferne die Rauchsäulen ihrer Wohnungen sehen, und aus der Ferne ihr Wehgeschrey hören, das um Rache wider mich in die Wolken dringen würde. Kein solches Wort mehr; mit ihnen will ich leben und sterben." Beinahe hätte er den jammernden Liechtenstein nachgegeben, wenn nicht am ersten Aprilabend eine Abordnung der Barceloner Einwohnerschaft erschienen wäre. Sie erflehten von ihm seine Anwesenheit in diesen schweren Stunden. Ratlos warf er sich vor ein Marienbild hin, um dann mitzuteilen, in einer Privatoffenbarung habe ihm die hl. Muttergottes aufgefordert in Barcelona zu bleiben. Den tiefreligiösen Spanier-Katalanen widerfuhr ein bleibender Eindruck. Auch die Generaliad erhielt darüber schriftlich Bescheid. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Karl beabsichtigte in Barcelona zu bleiben. Die generelle Frage war bloß, wo sollte der Österreicher denn ausharren? Als sicherster Ort wurde das Benediktinerinnenkloster Sant Pere [San Pedro] ausgewählt. Das entspräche auch seiner strengen Religiosität. Nun der Erzherzog nahm mit seinem Hof dort vom 17. April 1706 bis zum 13. Mai 1706 Quartier. Die ehrwürdige Äbtisstin Agnes d'Escarrer unterstützte den Habsburger mit all ihrer Macht, besonders organisierte sie das Baumaterial für das Fort. Die Nonnen holten aus ihren Reliquienschatz ein Armreliquiar von St. Peter und übergaben die Kostbarkeit an den jungen König. Mit diesem Heiligtum sollte er moralisch gestärkt werden. Karl versuchte die Moral der Katalanen zu stärken. Er inspizierte die Wallanlagen und dürfte so das Militär beruhigt haben. Angeblich soll er die Contenance bewahrt haben. Auch in dem Augenblick wo einem Offizier von einer feindlichen Kanonenkugel der Kopf abgerissen wurde. Zuvor plauderte Karl noch mit ihm.

Rettung in letzter Stunde#

Am 8. Mai verfinsterte der Mond die Sonne, was als Untergang des Königreiches Frankreich gesehen wurde. Astronomen war das "mystische" Ereignis schon bekannt gewesen. Ehest erschien am Horizont eine britisch-holländische Kriegsflotte unter dem Kommando der Admiräle John Leake und Jan Van Wassenaer. 55 britische Kriegsschiffe und viele Transportschiffe wurden von den Belagerern gesehen. Ein vom Admiral Leake verbreitetes Gerücht über 10.000 Soldaten und 2.000 Reitern irritierte sie noch dazu. Fünf Tage musste Karl noch die Belagerung erdulden. Dann war Barcelona befreit. Um Mitternacht des 11. Mai verließen die Belagerer überstürzt die Hafenstadt. Karl ließ ihnen nachsetzten. Er entdeckte einen großen Vorrat an Lebensmittel, 106 Kanonen, 60 Mörser und 5.000 Pulverfässer. Barcelona war am 12. Mai 1706 befreit. Ein fulminantes Ereignis, an das der Habsburger künftig als Festtag feierte. Nach dem erfolgreich geschlagenen Konflikt beglückwünschten die Nonnen Karl zum Sieg über die Truppen Philipps V. Karl befahl die Errichtung eines provisorischen Mariendenkmals auf der Placa de Borne. Es war ein pyramidenartiger Obelisk, der so oder so als Siegeszeichen galt. Die Weihe-Inschrift verfasste der Österreicher. Katalonien war hier als "Urbs Gotholoniae" eingetragen gewesen. Im Juni fand die feierliche Einweihung statt. Karl hatte sein Versprechen teilweise wahr gemacht, Spanien der hl. Muttergottes zu übereignen. In Karls Tagebuch findet sich zum 12. Mai 1736 folgender knapper Eintrag: "Barcelona heut 30 Jahr". Diese Notiz, Jahrzehnte später nach den schicksalhaften Ereignissen, verrät doch, wie sehr sein eigenes Leben mit der iberischen Halbinsel verbunden geblieben war. Aber damals war das bloß nur der kaum spürbare Hauch eines Schimmers inmitten des kosmischen Weltgeschehens.

Weitere Eroberungen und endlich in Madrid#

Noch im April nahm König Pedro II. von Portugal Alcantara und in der letzten Maiwoche Ciudad Rodrigo ein. Noch im Wonnemonat entschied der Kriegsrat unter Karl nach Zentralspanien zu gehen und Madrid aus den Klauen der Franzosen zu entreißen. Im Juni marschierten die Portugiesen in die Residenzstadt, von wo aus am 26. Juni Philipp V. und seine Ehefrau Maria Louisa die Flucht in den Norden antraten.
Beinahe wäre der Marsch nach Madrid an Karls Starrsinn gescheitert. Er verlangte gemäß der Etikette mit einer Nobelkarosse in die Residenzstadt kutschiert zu werden. Nur war so ein Repräsentationsfahrzeug wie Monetäres nicht aufzutreiben. Lord Peterborough konnte sich vor Wut nicht halten. Im vertrauten, nichtöffentlichen Kreis erzählte er von seinem König Wilhelm III., wie dieser mit einer gewöhnlichen schäbigen Kutsche nach London eilte, und den Thron bestieg. Finster prophezeiend meinte der Lord, weil der Österreicher beschlossen hatte mit einem bunten Galawagen nach Madrid zu fahren, wird ihm das um die spanische Krone bringen. Am folgenden Tag betrat Erzherzog Karl sozusagen als Señor de la guerra die Hauptstadt Spaniens und am 2. Juli proklamierte er sich zum "König von Spanien und Indien". Selbst sein erklärter Erzfeind Kardinal Emanuel Ludewig Ferdinand von Portocarrero (1635 – 1709) erwies sich als abgrundtief wankelmütig und zelebrierte für den Österreicher in der frühbarocken Kathedrale San Isidro el real ein Tedeum. Portocarrero handelte nach einer theologischen Ansicht wie sie in den Römerbriefen überliefert wurden, dass nach der Meinung des Apostel Paulus jede Herrschaft von Gott eingesetzt wird. Allgemein eine Reflexion des innenpolitischen Wechsels der spanischen Führungselite von Bourbon zu Habsburg.
Der Habsburger sah auf das historische Madrid: Karl I., nachmals Karl V. und Franz I. von Frankreich schlossen hier im Januar 1526 den Frieden zu Madrid. Damals verzichtete Frankreich auf das Herzogtum Burgund und gab alle Ansprüche auf Mailand, Genua und Neapel auf. 1561 erklärte Philipp II. Madrid zur Residenzhauptstadt seines Reiches. Offiziell ab 1606 unter Philipp III. Residenz des gesamten spanischen Weltreiches. 1563 ließ Philipp II. durch Juan de Herrera den Bau der gigantisch anmutenden Klosteranlage San Lorenzo, besser bekannt als "El Escorial", beginnen. Sie liegt südlich der Sierra de Guadarrama in Zentralspanien.
El Escorial. Aquarell von Pier Maria Baldi, 1668
El Escorial. Aquarell von Pier Maria Baldi, 1668; Biblioteca Medicea Laurenziana, Florenz - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Karl schien beim Anblick dieses nordwestlich von der Hauptstadt gelegenen mächtigen Klosterburg eine intensive Ergriffenheit widerfahren haben. Bislang kannte er das Bauwerk nur als Kupferstichabbildung und löste bei ihm weitere und imposantere Wunschträume aus. Nicht ohne Ursache: Denn hier im manchmal düster bis gruselig erscheinendes Gebäude ist die Grablege der spanischen Könige, und diese waren bis Karls II. Tod spanische Habsburger gewesen. Karls von Österreich Vorfahren. Doch sie waren an Inzucht und Unfähigkeit ordentlich zugrunde gegangen. Später wird sie sie von zartfühlenden Historikern als Bastion der Weltentfremdung bezeichnet werden. Kann sein! Es ist mit Recht anzunehmen, dass Karl von Österreich die Ruhestätte der spanischen Könige – vor allem die Grabmonumente Karls V. und Philipps II. sowie den Sarkophag Karls II. besichtigt hatte. Etwas historisches: Karl V. wohnte im Escorial und sein Sohn Philipp II. in Madrid.

Verlust der Hauptstadt#

Karl nahm im Königspalast in Madrid, den Alcázar [arab. "Burg"] Quartier. Übrigens wurde das Königliche Schloss am Ufer des Manzanares mit seinen vergoldeten Erkern in der Christnacht 1734 durch Fahrlässigkeit zerstört. Lange konnte sich Karl sich in der Hauptstadt nicht halten. Lord Peterborough hatte völlig recht gehabt: Am 4. August musste Karl mitsamt seinem Gefolge Madrid vor den wieder erstarkten Truppen Philipps V. überstürzt verlassen, auch vor der wütenden Einwohnerschaft, die auf den Österreicher kein Interesse hegte, und sich wieder in Barcelona niederlassen.
An der eigenen Repräsentation interessiert hatte König Karl Zeit genug gehabt sich porträtieren zu lassen. Johann Philipp Ruckerbauer, ein oberösterreichischer Maler schuf ein Ganzporträt "Karl von Österreich als Karl III. von Spanien", gekleidet in spanischer Hoftracht, Vlies-Kette und seitlich die Krone Spaniens. Im Hintergrund eine Seeschlacht, wohl bei Cádiz oder Barcelona. [Stift St. Florian, Kunstsammlung] Das Bild könnte aber auch eine nachträglich geschaffene Version eins anderen Gemäldes sein.

Ratschläge aus Wien und neue Verluste#

Eine Woche vor Weihnachten belehrte ihn schriftlich Wratislaw, Italien und Deutschland lassen sich eher regieren als Deutschland und Spanien. Karl hatte das Schreiben gründlich gelesen. Unnachgiebig veröffentlichte er ein spanischsprachiges Manifest, in welchem er mit den Bourbonen, die mit den Feinden Österreichs paktierten, scharf abrechnete. Seit 1706 verlor sein Obersthofmeister bei Karl an politischen Einfluss. Der Anführer der holländischen Truppen, Graf Noyelles stand bei Karl in besserer Position. Aber auch nur solange sie militärisch erfolgreich waren. Noyelles zerstritt sich mit dem britischen Militär und wollte Spanien so schnell wie nur möglich verlassen. Aber 1708 verstarb er hierorts.
In diesen für den Habsburger erfolgreichen Tagen legte er ein persönliches Tagebuch an, das er ständig erweiterte und erst im Oktober 1740 schwer lesbar hinterlassen wird. Als ordentlicher und genauer Verwaltungsjurist schrieb er auf die erste Seite "Calender des ganzen Jahrs 1707, worin aufgemerkt, was von Tag zu Tag in Ceremonien=, Kirchen=, Geheim=, allen publicis, als auch secreten Haus=negociis [= geheimen Hausverhandlungen], freundschafftlichen und andern gar vertraut= und gehaimsten Sachen sich zugetragen hat." Erst seit dem 19. Jahrhundert werden Archivare und Historiker Zitate, soferne sie es entziffern konnten, entnehmen – und sie (sogar entstellt) wiedergeben.
Zu Ostern 1707 widerfuhr Karl bei Almansa eine schwere Niederlage.
Schlacht bei Almansa am 25. April 1707, Ostern. Niederlage für den Habsburger - Gemälde von Buonaventura Ligli, 1709
Schlacht bei Almansa am 25. April 1707, Ostern. Niederlage für den Habsburger - Gemälde von Buonaventura Ligli, 1709; Prado, Madrid - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Karl warf zornerfüllt seinen portugiesischen Heerführern Feigheit vor. Wut und Verzweiflung kennzeichneten seine weitere Handlungsweise. Er erfleht im wahrsten Sinn des Wortes von Wien dringend militärische Hilfe, aus Italien gute Heerführer. Im Mai ging Valencia verloren. Philipp V. annullierte eilig die von Karl an Aragónien, Katalonien und Valencia getätigten Privilegien. Mitte November kapitulierte die Festung Lérida, worauf manche Katalonier den Bourbonen hochleben ließen und dessen Feinde zu verachtenswertesten Hochverrätern erniedrigten. Ende 1707 fehlten Karl Ressourcen an Finanzen und Militär.
Unnachgiebigkeit und das Beharren auf die Alleinherrschaft über Gesamtspanien kennzeichneten den Habsburger. Aber so rätselhaft und dornenvoll die Erreichung dieses Zieles war, verschwendete er keinen Gedanken daran klein beizugeben. Das Ziel lag vor ihm klar da. Mit erdrückender Ernüchterung stellte er fest, dass sein eigener Bruder eine andere Ansicht über die Wichtigkeit der Erbfolge Spaniens entwickelt hatte. Karl waren trotz der zeitverschlingenden Post- und Nachrichtenverbindungen die Erfolge des tüchtigen Prinzen Eugens nicht unbekannt gewesen. Also erbat sich Karl auch den Savoyer für weitere Aktionen. Seine Anwesenheit hätte auf der Iberischen Halbinsel demoralisierenden Charakter aufgeboten, und die österreichischen Feinde in die Flucht gewiesen.

Versuche den Krieg mit dem Frieden zu vertauschen - mangelhafte Unterstützung aus Wien#

Karl war längst interessiert den Krieg abzustellen. Er wusste eine Idee mit der dieser glorreiche lange und bluttriefende Krieg ehest zu beenden war. Desto länger der Konflikt dauerte umso unbeliebter wurde er im spanischen Volk.
James Stanhope, 1st Earl of Stanhope, britischer Staatsmann und Militär
James Stanhope, 1st Earl of Stanhope. Öl auf Leinwand, Godfrey Kneller, zwischen 1705 und um 1710. National Portrait Gallery London, London - Foto: Wikimedia Commons – Gemeinfrei
Karl erwähnte einen von Stanhope ersonnenen Plan, wonach in der Theorie beide Feldherren Eugen und Marlborough mit einem konzertanten gemeinsamen Zangenangriff von Katalonien und von Nordostspanien her, das Königreich aus bourbonischem Besitz zu entreißen imstande wären. Mit dieser Methode wäre der spanische Erbfolgekrieg militärisch – und politisch – entschieden. Diese Idee eines Angriffes von beiden Seiten her, erinnert an die Strategie eines obersten Jägers, der mit weiteren Waidgesellen das zu erlegenden Wild zu stellen imstande wäre. Prinz Eugen hatte keine Zeit – in Mitteleuropa gab es noch kriegerisch wichtigere Entscheidungen zu berücksichtigen. Die eigentliche Ursache, warum Prinz Eugen nicht nach Spanien abkommandiert wurde, war simpel. Kaiser Joseph I. sah die spanische Erbfolge als unwichtiges Anhängsel des Erzhauses an. Dazu lehnte Eugen wegen der schlechten militärischen Ausstattung in Katalonien ab. Dazu herrschte noch eine drohende Kriegsgefahr von seitens des Osmanischen Reiches. Wenigsten wurde der türkenkriegserfahrene General Guidobald Graf Starhemberg auserkoren nach Spanien zu gehen. Im März 1708 verständigte Karl seinen Bruder Joseph I., dass er mit der Entscheidung einverstanden wäre. Ende April erschien bei Barcelona Graf Starhemberg mit 8.000 Mann Hilfstruppen. Die Abhängigkeit von den Briten und Holländern war eine schwierige geworden.

Ein Mordanschlag - enttäuschende Aktionen#

Während inszenierter Unruhen wäre Karl von einem antihabsburgischen Spanier Juan Ferrer aus Tarragona beinahe erschossen worden. Der Attentäter wurde durch ein Schnellgericht verurteilt und beseitigt.
Der Untergang der Festung Tortosa – seit drei Jahren im Besitz des Habsburgers – im Juli 1708 ließ die Stimmung in der Bevölkerung Kataloniens zum Ärger des Österreichs wandeln. Das war noch nicht alles: Desertion, Verrat und Parteienwechsel gehörten vorab zum Alltag. 230 Jahre danach – 1938 – wird in der Umgebung der Stadt Tortosa im Spanischen Bürgerkrieg eine vier Monate anhaltende Ebroschlacht stattfinden … Die Macht der Geschichte über Jahrhunderte. Wie doch Geschichte mächtig sein kann? Im Winter 1708/1709 dachte Karl daran, falls aus Österreich oder Großbritannien keine Finanzmittel einlangen, würde er Spanien verlassen. Plötzlich lenkte Kaiser Joseph I. ein. Er hätte dann einen Konkurrenten im eigentlichen Kaiseramt und sandte seinen jüngeren Bruder, um ihn bei Laune zu wissen kleinere Geldsummen.
Schwierigkeiten folgten ohne Ende. Das seit Ende 1708 vom Gegner belagerte Alicante ging im April 1709 verloren. Ein im nächsten Monat erfolgtes Aufeinanderprallen nahe La Gudiña ging ohne Resultat aus. Wenn es dabei nicht Tote und Verwundete gäbe, könnten diese Resultate wie Ergebnisse aus Fußballweltmeisterschaften aussehen. Heute werden merkwürdigerweise Fußballspiele zu dramatisch genommen. Karl bemerkte bitter wie Erfolglos Starhemberg agierte. Im Dezember 1709 konnte Karl feststellen wie zerstritten die Alliierten waren. Keiner von ihnen gehorchten dem Oberkommandierenden Starhemberg. Pfälzer, Portugiesen, Holländer und Briten hatten ihre eigenen Anführer und Befehle. Karl und Liechtenstein sahen mit unbeschreiblichem Entsetzen wie die Truppen sich aufgliederten und jeder tat was er wollte, für richtig und wichtig hielt.
Karl sah Möglichkeiten die verfahrene militärische Situation zu korrigieren. Wichtig war die den Bourbonen wohl gesonnenen Spanier mitsamt den Franzosen niederzuwerfen. Anfang 1710 übernahm Karl gemeinsam mit Starhemberg eine Inspektionsreise durch das gesamte Katalonien. Neue militärstrategische Überlegungen wurden getätigt. Im April hätte Starhemberg beinahe wegen gesundheitlicher Überforderung seine Funktion beinahe hingeworfen. In Spanien herrschte eine gemäßigte Wetterlage. In den Sommermonaten waren 35 Grad und darüber die Regel. Nach schweren Unwettern bedrohten Hochwasser alles Leben. Die sandigen Küstenstraßen – die so bezeichneten Ramblas – waren schnell mit Wassermassen in Richtung Mittelmeer angefüllt. (Viel später werden in den Ramblas Italowestern produziert!) Die Einheimischen litten zweifach: Durch den Hader zwischen Habsburg und Bourbon sowie naturgegebenen Unbill. Karl fand bei der Erkundung seines Territoriums architektonische Artefakte maurischen Wirkens. Eine Kultur, die mehr auf Hochkultur Wert legte als die neuzeitlichen Denker wahrhaben wollten. Der Österreicher lernte die alte maurische Baukunst im Norden Spaniens kennen. Des Öfteren stand er unter den Kuppelgewölben christlich umgewidmeter Moscheen. Karl verließ vorläufig seine Ehefrau Elisabeth Christine und begab sich Anfang Juni zu seinen von Stanhope und Starhemberg befehligten Truppen.

Eine siegreiche Unternehmung bei Saragossa#

Am 27. Juli 1710 griff seine Armee bei Almenara erfolgreich den Feind an. Schon Jahrhunderte zuvor rang El Cid hierorts einen Katalanen-Fürsten nieder und später kämpfte König Jaime I. von Aragón der Eroberer gegen die Mauren und danach eroberte er Valencia. Philipps V. Truppen wurden empfindlich dezimiert. Wenn nicht die Nacht herangebrochen wäre, hätte die erfolgreiche Streitmacht die Truppen des Bourbonen völlig aufgerieben. Karl richtete an die Bevölkerung die Aufforderung ihn anzuerkennen und bot die altgewohnten Gnadenerweise an.

Saragossa am Ebro (Zaragoza). Aquarell von Pier Maria Baldi, 1668
Saragossa am Ebro (Zaragoza). Aquarell von Pier Maria Baldi, 1668; Biblioteca Medicea Laurenziana, Florenz - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Nach fünfeinhalb Wochen, am 20. August, bei Saragossa (Zaragoza) führte Starhemberg eine ansehnliche Streitmacht von 23.000 Österreichern, Briten und Holländern sowie Portugiesen gegen 25.000 Spaniern. Philipp V. hatte nach einem dreistündigen Gefecht einen enormen Preis zu zahlen: 5.000 gefallene Spanier, deren Leichen wegen der Seuchengefahr an Ort und Stelle verscharrt werden mussten. Etliche Verwundete mussten soweit wie möglichst unter erbärmlichsten Bedingungen versorgt werden. Hemmungslose Kriegsgewinnler taten ihr Übriges. Sie hatten noch alle Hände voll zu tun. Von der Flinte bis zum Hut, was noch brauchbar war, entwendeten sie alles. Was sie damit weiter taten, das möchten ich und die Leserschaft wirklich nicht wissen. Der Bourbone floh nach Madrid. Sein Feldherr Marquéz de Bay flüchtete mit 5.000 Mann, deren Zahl sich in der Umgebung auf 9.000 Mann anwuchs. Karl nahm 6.000 Gefangene, davon 712 Offiziere, in Gewahrsam, von denen wieder 1.500 Mann angesichts ihrer fatalen Lage – ohne die stolzen kastilianischen Regimenter – zur habsburgischen Seite überwechselten. Die Alliierten hatten über 1.500 Tote (darunter ein portugiesischer Oberst) und Verwundete zu betrauern. Karl nahm den grünen Zweig – nach alter Jägertradition – aus seinem Hut und übersandte diesen gemeinsam mit der Siegesnachricht an seine Gemahlin Königin Elisabeth Christine. Jenes Datum "20. August 1710" erklärte der junge König zum offiziellen Festtag, der in Hinkunft zu feiern war: Am nächsten Tag zog er in dieses erzkatholische Saragossa ein und verlangte gegen Gnadenerweise bis Septemberende von sämtlichen Spaniern die Anerkennung als ihren alleinigen König von Spanien. Später wurden die militärhistorischen Ereignisse in Gemälden der Nachwelt hinterlassen. Karl setzte sich zu einem Schreiben, das den siegreichen Verlauf der Schlacht bei Saragossa beinhielt, überreichte das Dokument dem kaiserlichen Oberst Graf Gehlen, der als Kurier die Siegesnachricht nach Wien brachte.

Wieder nach Madrid#

Der Weg nach Madrid war offen. Ein Kriegsrat fand statt. König Karl, Graf von Starhemberg und deutsche Militärs waren der Meinung als nächstes müsse König Karl nach Navarra, die Zitadelle von Pamplona, sämtliche Plätze in der Biskaya (Bizkaia / Vizcaya), durch die Landschaften Álava und Rioja nach Salamanca marschieren, mit den Portugiesen vereinigen und dann gegen Kastilien gehen. Mit diesem Vorgehen würde Philipp V. die militärische Hilfe aus Frankreich verloren gehen und der Feldzug wäre entschieden. Nur dieser Meinung war Stanhope nicht. Er und andere Militärs betrachteten die Schlacht bei Saragossa nicht als wirkliches Entscheidungsmoment, und meinten sofort nach Kastilien gehen zu müssen. Karl könnte dadurch Madrid gleich einnehmen und das Königreich Spanien für sich völlig sichern. Stanhope neigte zur Vereinfachung ohne Rückversicherung: "Er würde mit seinen Truppen keinen anderen Weg, als den nach Madrid nehmen: die Königin von England hätte dem Könige Karl versprochen, ihm die Krone aufzusetzen, für deren Erhaltung er selbst sorgen müsse. Die engländische Nation wolle die Last des Krieges nicht länger tragen: man müsse Spanien erobern oder verlassen." Karl fühlte sich von den Briten erpresst, viel Wahl hatte er nicht mehr – entweder Madrid oder ganz Spanien müsse aufgegeben werden. Dabei hatten er und seine Mitstreiter schon so viel geschafft, auch unter großen Opfern. Vor dem 28. September 1710 schrieb König Karl missmutig an Elisabeth Christine in Barcelona: "Die Engländer werden, wenn ihr Vorschlag so gleich nach Castilien zu gehen, glüklich ausgeführt werden sollte, allen Ruhm davon haben; wird der Erfolg unglüklich ausfallen, so werde ich allein das unangenehme und schmerzhafte davon tragen müssen …" Karl befahl nochmals den Marsch auf Madrid. Starhemberg konnte dieser Idee nichts abgewinnen und war dagegen. Offiziell hielt der Habsburger erst am 28. September 1710 seinen Einzug mit 2.000 Mann Eskorte in die Stadt. Menschenleer bot sich sie ihm dar. Seine aggressive Zuschaustellung militärischer Stärke verunsicherte die Einwohnerschaft. Nur einige Straßenjungen, denen Goldmünzen zugeworfen wurden, ließen den König hochleben. Verärgert über die kastilianische Einwohnerschaft zischte und nuschelte er auf Spanisch, "La ciudad es un desierto", die Stadt sei eine Wüste. Danach zog er, wie es so schön heißt, von dannen und ließ sich in einem unweit aufgeschlagenen Lager – Villaverde – nieder. Den nur 100 Schritte von Madrid entfernten königlichen Stadtpalast Buen Retiro hatte er wie die Pest gemieden. Vermutlich fühlte er sich innerhalb einer feindlich gesinnten Bevölkerung unsicher. Zumindest residierte er später im der unweit der Residenzstadt gelegenen Schlösschen Pardo, dessen Name nichts mit dem viel später entstandenen Prado zu tun hatte. Es war ein königliches Lustschloss mit Idylle, einem Tiergarten und Springbrunnen. Dazu enthielt es Gemäldeporträts wichtiger spanischer Könige.

Neue Niederlagen und abermaliger Geldmangel#

Die Ruhe war eine trügerische Stille vor einem Sturm: Philipps V. Schlagkraft regenerierte sich – wohl dürfte die französische Unterstützung dazu beigetragen haben. Anfang November musste Madrid wegen der feindseligen Bevölkerung abermals aufgegeben werden. Einen Monat danach langte Karl in Zaragossa ein. Die spätere Nachricht von der Niederlage der Briten unter Stanhope nächst Brihuega durch die Franzosen unter Duc de Vendôme am 9. Dezember verhieß nichts Gutes. Einen Tag darauf marschierten 13.000 Österreicher und Holländer unter dem glücklosen Starhemberg nach Katalonien zurück. Bei Villaviciosa fügte ihnen Philipp V. mit Marschall Vendôme fürchterliche Verluste zu. Dessen ungeachtet fügte Starhemberg den Franzosen Verluste zu. Der kaiserliche General-Feldwachtmeister Andreas Graf von Hamilton wurde mit der relativ erfreulichen Siegesmeldung nach Barcelona und dann nach Wien gesandt. Übrigens den in Gefangenschaft geratenen Stanhope löste Karl verärgert aus.
Karl war ein sachlicher Kriegsberichterstatter und konnte eine starke Analyse seiner Gesamtsituation brieflich bieten. Er versicherte Wien sein ehrliches Gottvertrauen und verlangte wiederum militärische Unterstützung. Als Begründung teilte er mit, dass er sich auf die Alliierten nicht mehr verlassen wollte und möchte mit eigenen kaiserlichen Truppen nach Gutdünken agieren.
Seit den Weihnachtsfeiertagen 1710 belagerte der französische Widerpart Gerona. Fünf Wochen später hielt Karl die Nachricht vom Fall des letzten wichtigen Stützpunktes Gerona in Händen, Diese Schmach hatten ihn die Franzosen zugefügt. Damit war der Verlust Spaniens eingeleitet, Karl begriff, dass er – ausgenommen in Katalonien – an Geltung verlor. Die habsburgerfreundliche Bevölkerung fiel von ihm ab.
Der Geldmangel tat sein Übriges. Liechtenstein bemühte sich das Tafelsilber zu Geld zu machen – aber war dennoch zu wenig. Die Briten ließen Karl die Abhängigkeit deutlich spüren und zogen Geldmittel im entscheidendsten Augenblick zurück. Brieflich wandte er sich direkt an Prinz Eugen, teilte ihm am letzten Januartag mit, er könne bald weder den Unterhalt seiner Person und Hofhaltung, kaum weniger den Verteidigungsstand seiner Residenzhauptstadt Barcelona sowie Tarragona noch Beschaffung von Kriegsmaterial und ohne Lebensmittel durchstehen. Kaiser Joseph I. sandte ihm kaiserliche Truppen – es war ständig zu wenig: 27.000 Mann. Die Hälfte wurde in Barcelona stationiert. Aber sah Karl über die Festungsmauern zur Landesgrenze, so erblickte er 40.000 Mann (!) bestehend aus Franzosen und Spanier unter dem Kommando Philipps V. Zumindest angesichts kaiserlich-militärischer Präsenz wagte Philipp V. noch nicht Barcelona anzugreifen – die europäische Außenpolitik schlug andere Wege ein. Mit Gottvertrauen konnte Karl auch die scheinbar unabwendbare Lage überstehen. Naja, hoffen konnte er noch immer.