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Das unspektakuläre Finale eines Fürstenlebens#

Bei der Grenzziehung zwischen dem Reich Habsburg und dem Osmanischen Reich nahe Belgrad stellte ein osmanische Grenzkommissär nüchtern fest, dass der Kaiser auch ein alter Hund sei und keinen Freibrief für ein unendliches Leben hätte.

Kaiser Karl VI. (als Kriegsherr), zwischen 1720 und 1730
Kaiser Karl VI. (als aktiver Kriegsherr), wohl nach Johann Gottfried Auerbach, zwischen 1720 und 1730; Österreichische Galerie, Belvedere, Wien - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Gesundheitliche Schwierigkeiten#

Als Karl VI. aus Spanien zurückgekehrt war, bot er sich, wenn seine Porträts betrachtet werden, als leicht korpulenter Mann, dessen Figur birnenförmig anmutete. Doch sein etwas leicht abfälliges Aussehen ließ sich mittels Repräsentationskleidung kaschieren. Ein lebensgroßes Porträt im Wien Museum zeigt ihn als 31-Jährigen mit strammen Waden; Muskeln oder Wassersucht, das ist hier die Frage. Botschafter berichteten, er strotzte stets von robuster Gesundheit. Allerdings sei angemerkt, dass er vom vielen Lesen kurzsichtig geworden sei. Ein Mensch mit so einer Sehschwäche agierte eher vorsichtig, um einen Sturz vorzubeugen. Er betrieb offenbar kaum Sport, höchstens die Reiterei. Aber irgendwann bekam er Probleme mit der Verdauung. Vermutlich wird die – landwirtschaftlich bedingt – einseitige Kost ihm auch belastet haben.

Wiederherstellung der Gesundheit?#

Nun zählte seine Gesundung zur Öffentlichkeitsarbeit: In Karlsbad trank er, gemeinsam mit seiner Ehefrau, unter Fanfarenklängen einiges von der Heilquelle. Viel wird es ihm nicht genutzt haben. Sein stressiges Herrscherleben hinterließ bei ihm Spuren. Körperlich wie seelisch. In seinen letzten Lebensjahren, so berichteten Zeitgenossen, wirke der Kaiser hager.
Heraeus empfahl dem Kaiser das quellfrische Wasser aus dem Schneeberggebiet, um verschmutzten Wiener Quellen zu entgehen. Das Wasser wurde in Fässern gefüllt und mit Wasserreitern in die Hofburg gebracht.

Antworten zur Lebenserwartung im Barock#

Zwischendurch sei erwähnt, dass die Lebenserwartung eines Herrschers nicht sonderlich hoch war. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm starb 1740 mit bloß 52 Jahren. Karl VI. zählte damals 55 Jahre. Joseph I. starb 33-jährig. Der Großvater Ferdinand III. erreichte das 49. Lebensjahr. Ausnahmen waren der Sonnenkönig, welcher es mit Mühe auf 78 Jahre brachte, während sein Kontrahent Leopold I. erst mit 65 das zeitliche segnete. Die Kindersterblichkeit im Haus Habsburg darf nicht vergessen werden. Maria Theresias erstes Kind Maria Elisabeth war dreijährig verstorben. Karl VI. erinnerte sich an das Drama um den eigenen Sohn.

Das "Letzte"#

Wenn es ums Sterben geht, darf Mystik und Geschichten, die nicht zu erklären sind, keineswegs fehlen. Karl VI. besuchte im März 1740 den dahinsiechenden Beichtvater Tönnemann. Dieser deutete dem Kaiser an, er werde ihm bald nachfolgen.
Wie krank war der Kaiser wirklich? In seinem Tagebuch findet sich ein Hinweis zu einer homosexuellen Eskapade mit einen Jagdburschen: "Bueb erster Dienst, gut ich froh, lieb, Herzen red, länger küßt, Lieb versichert" (10. Juni 1740). Die Offenherzigkeit mit der der Kaiser seine Eintragungen unternommen hatte, dürfte ohne Beispiel sein. Wahrscheinlich vermutete er, den Inhalt würde sowieso niemand ansehen. Aber Wissenschaftler haben nun mal keinen Respekt vor Privates. Besonders bei einer Person aus der Staatsspitze.

Vorahnung und Pessimismus#

Am 1. Oktober 1740 beging er seinen 55. Geburtstag. Aber diesmal trug er anstatt farbiger Kleidung völlig schwarze Kostümierung und drückte wohl damit symbolisch etwas aus. Im „Wienerischen Diarium“ vom 5. Oktober stand: „Samstag, den 1sten October wurde Ihro Glorwürdigst Regierende Röm. Kaiserl. Cathol. Majestät des Allerhöchsten Monarchen CAROLI VI. glükselgster Geburts=Tag (an welchen Allerhöchst = Dieselbe das 56. Jahr Dero Alters angetretten) bey Hofe in feyerlichster Gala jedoch in schwarzen Kleidern mit denen gewöhnlichen Glük=wünschungen begangen und nachmittags eine herzliche Serenata gehalten“ Der päpstliche Nuntius Paolucci gratulierte dem Kaiser und wünschte diesem noch viele Jahre an Leben. Franz Stephan berichtete von einer pessimistischen Reaktion des Kaisers: „Diese Glückwünsche werden die Letzten sein, die Ihr mir überbringen werdet, und wir werden uns an einem solchen Tag nicht mehr wiedersehen.“ Dazu greinte er noch über den missglückten Feldzug gegen die Osmanen vergangenes Jahr: "Ich sterbe. Belgrad ist mein Tod! Die Schande bringt mich um! Wenn Eugen das erlebt hätte". Das könnte auch ein Historiker des 19. Jahrhunderts erfunden haben. Endlich wurde der Geburtstag mit einer herzlichen Serenata abgeschlossen.

Ereignisse überstürzen sich und das "Allerletzte"#

Zwei Wochen später: In der Nähe des Schlosses Halbturn unternahm während eines nasskalten Wetters der Kaiser seinen Pirschgang. Er brach zusammen und fuhr mit der Kutsche stundenlang bis zur Favorita. Dort kümmerten sich seine Leib- und Hofärzte um ihn. Ihr Bemühen fruchtete nichts. Sie einigten sich auf den strapaziösen Aderlass, das war auch schon alles. Karl VI. erkannte als Herr über Leben und Tod, dass er nun selber an der Reihe war. Der schmerzgepeinigte Kaiser forderte seine Ärzte auf, ihm in die Ewigkeit nachzufolgen und zu erklären, woran er gestorben sei. Er diktierte sein Testament. Sein "Eigentum" verteilte er an die Familie. Das betraf Bewegliches wie Unbewegliches. Verärgert dürften die Seinen über die Vererbung einer Riesensumme an einem Lustknaben gewesen sein. Wahrscheinlich dürfte dieser leer ausgegangen sein. (Ist heute allgemein auch üblich - wenn es um Geld und Eigentum geht ...)

Noch immer anspruchsvoll#

Karl VI. verlangte vom Geistlichen vier statt zwei Kerzen während der letzten Ölung. Karl VI. anvertraute seinem Hofnarren Baron Hänsel, er werde eine große Reise antreten und der Hofnarr werde ihm bald folgen. Tatsächlich starb der kleinwüchsige Narr erst siebzehn Jahre später.

Sicherheit in Wien#

Die Bewachung der Residenzstadt Wien wurde mit weiteren Truppen verstärkt. Die Sorge vor Aufständen war wieder einmal latent geworden.
Karl VI. war in einer elenden Verfassung. Aber er sandte seinen Segen in die Richtung wo das Zimmer seiner Tochter Maria Theresia lag. Sie war damals schwanger und durfte ihren Vater nicht sehen. Wahrscheinlich vermuteten die Ärzte im Kaiser eine hochansteckende Krankheit. Elisabeth Christine wich ihren geliebten Mann nicht von der Seite und drückte ihm die Augen zu. Das war um ein Uhr morgens am 20. Oktober 1740.
Von diesem Zeitpunkt an war Maria Theresia Herrscherin der Monarchia Austriaca.

Obduktion und weiteres - Zeit der Trauer#

Der Leichnam des Kaisers wurde obduziert. Ein Bericht wurde erstellt: Verhärtungen im Magenbereich und in der Galle ein taubeneigroßer Stein. Gerüchte um eine Vergiftung gingen um die Welt. Voltaire meinte, ein Pilzgericht entschied über das Schicksal Europas. Ein Pathologe Ende des 20. Jahrhunderts vermutete sogar Leberzirrhose. Sehr gewagt: Den Kaiser drei Jahrhunderte später Folgen einer Alkoholkrankheit vorzuwerfen. Erinnern wir uns: Einseitige Kost im Barock, vor allem Gekeltertes.
(Der Pathologe lebt auch nicht mehr.)

Kaiser Karl VI. in Totenaufbahrung, 1740
Kaiser Karl VI. aufgebahrt, mit all seinen Herrscherinsignien; Wasserfarben auf Pergament, unbekannter Künstler, 1740; Hofburg, Präsidentschaftskanzlei - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Das Herz wurde entnommen und in die Herzerlgruft in der Augustinerkirche übertragen.
Später erfolgte die Beisetzung - mittels Holzsarg - ohne Aufwand in der dunklen Kapuzinergruft. Das „Arme Sünder“-Ritual gehört in das Reich der Legenden. Maria Theresia befahl Staatstrauer; Trauerfeiern (Exequien) folgten in den wichtigsten Kirchen der Monarchie. Berichte über die Trauerfeier wirken im "Wienerischen Diarium" irgendwie sachlich und wohl vorbereitet. Vielleicht rechneten viele Zeitgenossen mit einem baldigen Ableben Karls VI.