Karl VI. und seine Leidenschaft für das Weidwerk#
Gemäß den Ansichten eines Machiavellis, ein Philosoph und Verfechter der Tyrannei, soll ein Fürst die Jagd als Vorbereitung zum Kriegführen ansehen. Wie das auf Karl VI. anzulegen ist bleibt ein Rätsel.
Umgang mit der Jagdflinte#
Schon als Kind lernte er die Handhabung der Jagdwaffen. Was er als erstes erlegt hatte bleibt im Dunkel seiner Biographie verborgen. Jedenfalls entwickelte er eine Leidenschaft, die im Endeffekt bis zu seinem Lebensende erhalten geblieben war und über 40.000 Wildtiere das Leben kostete. In dieser Zeit erlegte der Kaiserhof überhaupt sogar 100.000 Tiere. Aber das bleibt spekulativ.Die Jagdbeute diente oft als Nahrung. Aber sie war auch unter Umständen bloß einseitige Kost.
Büchsenmacher#
Hervorragende Büchsenmacher in Wien erhielten vom Hof entsprechende Aufträge. Nur als Beispiel: Georg Kayser bei St. Stephan. Einige Jagdwaffen wurden nach Spanien mitgenommen. Auch dort gab es vorzügliche Büchsenmacher, etwa ein Diego Ventura in Madrid, der für den Habsburger eine kunstvoll verzierte Jagdflinte geschaffen hatte. Heute ist sie in der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien.Karl VI. lernte nicht nur ein normales Tagebuch zu führen sondern auch einen "Jagdtcalender", in dem er seit 1712 penible – kaum lesbar – seine Treffer eingetragen hatte.
Schon in Spanien schoss er in der Abenddämmerung Schwalben und anderes.
In der Gemäldegalerie (KHM) finden sich eher wenige Bildwerke mit dem Jagdgenre. In Schloss Schönbrunn befindet sich ein Porträt des Kaisers als Jäger in barocker Gewandung und Flinte.
Ein kurzsichtiger oberster Jäger#
Karl VI. erhielt von seiner Ehefrau ein Gewehr mit aufklappbaren kleinen Porträt seiner Gemahlin. Eine Mahnung also, auf sich acht zu haben und kein Ehevergehen zu wagen.Fast hätte er seine Ehefrau durch eine ungeschickte Handhabung seines Gewehrs erschossen. Sie hatte noch Glück im Unglück gehabt. Ihre Unfähigkeit keinen (weiteren) Sohn gebären zu können, wäre ja doch ein Motiv gewesen. Einen Kaiser könnte keine irdische Instanz belangen.
Seine Reviere lagen außerhalb Wiens. Beispielhalber der Prater, dann noch die Gegend um Schönbrunn und Wolkersdorf. Überall stehen mehr oder weniger originelle Jagdschlösser. Die Sommer verbrachte er in Laxenburg, wo die Beizjagd (Jagd mit Greifvögeln; Falknerei) dominierte. Dort sind Millionen Mücken beheimatet und Essig fand oft Einsatz am kaiserlichen Körper. Der Kaiser und seine Entourage werden nach Essig geduftet haben. Richtig ätzend.
Reviere und Jagdtrophäen#
Bei Reisen, besonders Erbhuldigungen betreffend, nahm er die Einladungen örtlicher Hochadeliger an, um in deren Revieren Treffer zu absolvieren. Während seines Aufenthalt in seinem Königreich Böhmen wurde Karl VI. vom damaligen Reichsgrafen Franz Anton von Sporck in dessen Revier Brandeis zu einer Jagd mit angeblich Tausend Schützen eingeladen. Das Ereignis fand am Hubertustag 1723 als Parforcejagd (Hetzjagd mit Hunden) statt. Bei der Gelegenheit wurde der Kaiser offizielles Mitglied im von Sporck 1695 gegründeten Jägerorden (St.-Hubertus-Orden). Aus diesem Anlass wurde bei Hlavenec ein Jagddenkmal mit der Statue des Kaisers errichtet.
Schloss Neuwartenburg (Timelkam, Vöcklabruck, Oberösterreich) war so eine Möglichkeit das Weidwerk auszuüben. Für drei Tage war Karl VI. Gast beim Johann Albert Graf Saint-Julien-Wallsée um die Falknerei auszuüben. Für den Kaiser hatte er eine standesgemäße Unterkunft mit dem Schloss errichtet – und sich später verschuldet.
Bei einer anderen Gelegenheit wurden bei Eisenerz (Steiermark) 3.000 Bauern angehalten das Wild zusammenzutreiben. Ein Gemälde blieb als Zeitdokument erhalten. Es zeigt den Kaiser bei der Besichtigung der Gamswildstrecke. Dem Kaiser kam als Mitglied des Hochadels das Recht zu die Hohe Jagd auszuüben.
Allgemein war es so, dass der Inhaber des jeweiligen Reviers dem Herrscher einen kapitalen Hirschen überlassen hatte. Allgemein waren alle Jagdherren außerhalb Wiens froh wenn der Kaiser mitsamt seinem Hof wieder abzog.
Seine exzessiv betriebene Pirsch führte dahin, dass sogar der letzte nahe Wien gesehene Bär erlegt wurde. Das Hofzeremoniell machte auch vor der Jagd nicht halt. Jagdhelfer, die dem Kaiser helfen wollten, wurden wegen Missachtung bestimmter Höflichkeitsfloskeln für zwei Wochen in den Arrest gesteckt.
Ein Jagdbursche, vermutlich 14 Jahre jung, lernte den Kaiser kennen und dessen erotischen Appetit auf hübsche Bengel.
Fehlschuss mit Todesfolge#
Dramen spielten sich auch ab. Nahe Brandeis (Prag): Der Kaiser und Schwarzenberg verfolgten einen kapitalen Hirschen. Jedenfalls standen sie gegeneinander in der Zielrichtung. Schwarzenberg erlitt schwerste Verletzungen und verstarb. Noch zuvor soll er gesagt haben: Stets sei es seine Schuldigkeit gewesen, für den Kaiser sein Leben hinzugeben. Der Kaiser erlitt einen Nervenzusammenbruch. In seinem Tagebuch finden sich folgende Einträge: "…" Ein Mordanschlag dürfte das Ganze nicht gewesen sein. Aber es gibt etwas zu denken: Schwarzenberg hatte Tage zuvor sein Testament geschrieben. (Eine Annahme: Vermutlich war der Kaiser doch nicht so zielsicher gewesen. Seine Kurzsichtigkeit wurde durch aufklappbare Monokel am Gewehr "ausgeglichen".) Das schienen alle bei Hofe gewusst zu haben, ohne dass sie das bekritteln durften.
Ende der barocken Jagdkultur#
Der Adel übte exzessive Jagd aus. Eher war das ein Gemetzel, das die Bauern zu Aufständen reizte. Karl VI. gab Verordnungen heraus, um die Ruhe wieder herzustellen.Sterbend musste der Kaiser aus seinem Lieblingsrevier Halbturn nach Wien gebracht werden. Danach erlosch die Jagd als aufregende Vergnügungskultur des Hochadels überhaupt.
Danach brachen wieder Bauernaufstände (eine Tradition in Oberösterreich) aus. Maria Theresia setzte die Verordnungsstrategie ihres Vaters vorläufig fort.
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