Der Spanische Erbfolgekrieg beginnt#
Absehbar schien für Erzherzog Karl die Tatsache geworden als künftiger neuer König nach Spanien zu ziehen. Bis diese Idee Realität werden konnte standen außenpolitische und finanzielle Probleme im Raum. Karls Oberhofmeister Liechtenstein schlug eine Überfahrt mit Schiff vor. Dazu patrouillierten französische Kriegssegler mit schweren Geschützen im Mittelmeer und eine Übersetzung des Habsburger-Prinzen nach Spanien standen Schwierigkeiten über die Sicherheit seines Lebens allgemein gegenüber. Großbritannien verzögerte bewusst seine militärische Unterstützung. Schließlich wurde eine Reise über Nordeuropa – ohne das verfeindete Bayern zu durchfahren – angezielt. Geld war vonnöten. Liechtenstein, sonst ein Kenner in Geldbeschaffungsfragen, hatte merkwürdigerweise zu wenig davon. Hoffaktor Salomon (Samuel) Oppenheimer war im Mai 1703 verstorben und hatte seinen Sohn nur Schulden hinterlassen. Nun war guter Rat teuer. Wirklich teuer! Geblieben war noch der zuverlässige Oberhoffaktor Samson Wertheimer. Doch er dürfte aber auch nicht genug aufgebracht haben. Die Jesuiten hatten uneigennütziges Interesse und kamen für das Finanzielle der Reise des Erzherzogs Karl nach Spanien auf. Der Kaiser und sein zweitältester Sohn erkannten wie sie eigentlich in Europa ohne Respekt behandelt wurden.
Eine große Allianz für Erzherzog Karl#
Und wieder war es der britische König Wilhelm III. (Oranien), inspiriert durch den österreichischen Minister Wratislaw, eine weitreichende Idee an den Tag brachte. Und zwar die Gründung einer Großen Allianz zu Haag im September 1701. Ihr gehörten Großbritannien, die Generalstaaten, der Kaiser und später auch Portugal und Savoyen an. Diese Gemeinschaft bildete ein Gegengewicht gegen Frankreich und Spanien und war zum Angriff bereit. Zugleich bestätigten sie den jungen Erzherzog Karl von Österreich als König von Spanien. Vielleicht war das auch nur eine gigantische Beschwichtigungsaktion gegenüber dem Kaiser. Ihm und der Kaiserin missfiel die Idee, dass Karl auf iberischen Boden – gewissermaßen – allein um sein Erbe kämpfen solle. Das etwas moderne England hatte damals alles mit Profit verbunden und sah und hörte am liebsten das Klingeln schwerer Goldmünzen in den Schatztruhen der Finanzkammern. Beide Monarchen, Kaiser Leopold I. und König Ludwig XIV. wussten allzu gut, dass die Großmächte weder eine Konstellation Österreich-Spanien noch Frankreich-Spanien dulden würden. Die Erinnerung an das Riesenreich Karls V. geisterte noch immer in den Kanzleien der europäischen herum. Und so dachten sie an – aus der jeweiligen Sicht – an realistischere Zielsetzungen. Ach, klagte der Kaiser, ich tue was mir beliebt, und entschied das Reichslehen Mailand mit Gewalt zurückzuholen. Der angeblich allererste Weltkrieg schritt in die Ouvertüre. Die Trommeln der Kompanien unter dem frischgebackenen oberkommandierenden Prinz Eugen waren weithin zu hören. Prinz Eugen eroberte im Sommer 1702 für den Kaiser Oberitalien zurück. Im vergangenen März 1702 war unterdessen König Wilhelm III. von Großbritannien nicht mehr am Leben (Folgen eines Reitunfalls). Königin Anna Stuart unterstützte den Kaiser seither – aber mit einer eigenständigen Außenpolitik, die den Wiener Hof zu denken gab.Vorgangsweise und Entscheidung#
In einem nicht mehr bestehenden Lustschlösschen in Nußdorf (Wien-Döbling) unweit der Wiener Residenzstadt Wien trafen zu geheimen Gesprächen die Staatsminister, Diplomaten, der Kaiser und der Herzog von Moles. Wahrscheinlich wurde über die künftige Vorgangsweise diskutiert und vom Kaiser entschieden. Es ist unglaublich in diesem kleinen romantischen Weinhauerort inmitten der Rieden wurde möglicherweise große Politik gemacht. Es wäre ja nicht Österreich! Andererseits fürchteten die teilnehmenden Gesprächspartner unerwünschte Lauscher an den Türen der Hofburg zu Wien. Danach frönten die Beteiligten wohl der Jagd auf Wildschweine oder ähnliches. Im darauffolgenden Wonnemonat erklärten die bekannten Bündnispartner Frankreich und Philipp V. den Krieg. Ludwig XIV. erklärte im Juli seinen Gegnern den Krieg. Es war wie ein Kartenhaus, das ineinander fiel. Endlich entschied der Reichstag von Regensburg offiziell den Krieg gegen Versailles und Madrid. Die nächsten Kampagnen geschahen im Südwesten Spaniens. Der Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt versuchte mit der holländisch-britischen Flotte im Spätsommer 1702 erfolglos die Hafenfestung Cádiz zu nehmen. Im Oktober verschafften die Alliierten den Franzosen in der Seeschlacht bei der Hafenstadt Vigo im spanischen Galicien eine fürchterliche Niederlage. Für den Kaiser waren diese Meldungen zwiespältig – Misstrauen und Optimismus hielten bei ihm die Waage. Erst 1703 entschied er seinen Sohn Karl auf die Reise zu schicken. König Pedro II. von Portugal schlug vor, die Throneinsetzung des österreichischen Erzherzogs von Portugal aus militärisch voranzutreiben. Die Alliierten dachten an eine Besetzung der westspanischen Gebiete bis Madrid.Ausrufung zum König Karl von Spanien#
Zugleich dachte der Bragança an eine Verheiratung seiner Prinzessin Xaveria Maria mit dem jungen Habsburger. Der Kaiser war einverstanden. Anfang Mai 1703 stand das Bündnis mit Portugal. Das spätere Bündnis mit Großbritannien und den Generalstaaten nötigte den Kaiser endgültig den Sohn nach Spanien zu schicken. Er zauderte noch. Am 12. September 1703 verkündete der Kaiser in der Favorita vor 35 Geheimräten – darunter Prinz Eugen – eine habsburgische Erbfolgeregelung, das "Pactum mutuae successionis" und proklamierte nach der Volljährigkeitsbestätigung Erzherzog Karl zum offiziellen "König Karl III. von Spanien". Leopold I. und Joseph hatten zugunsten Karl auf Spanien verzichtet. Ein interessantes Detail gab es da noch: Der päpstliche Nuntius war bei dieser Zeremonie aus Protest ferngeblieben. Papst Clemens XI. war den Bourbonen wohlgesonnen und hatte zu den Habsburgern nur eine entfernte Freude.Um es kurz zu schreiben: Von nun an gab es zwei Könige von Spanien und wie jeder der Parteigänger sehen wollte, sah er im anderen einen Gegenkönig. Damit war der Konflikt auch personell eskaliert. Eigentlich waren Karl von Österreich und Philipp von Anjou irgendwie Verwandte, total entfernte Cousins – müssten demnach doch eher zumindest "brüderlich" agieren – aber das taten sie nicht. Wodurch der Weiterbestand des Konflikts wahrhaftig gesichert war – zu den Ungunsten der spanischen Einwohnerschaft.
Vermutlich wird Karl VI. als junger Mensch angesichts der boshaften Aneignung Spaniens durch Philipp V. symbolisch zum Degen gegriffen haben: "En garde!"
Schon 1702 wollte Erzherzog Karl Mariazell besuchen. Aber aus einer nicht genau definierten Unpässlichkeit wurde vorerst nichts daraus. Doch erst nach der Bekanntgabe zum spanischen König reiste er am 14. September 1703 zur Magna Mater Austriae Mariazell um ihren Beistand zu erbitten und versicherte ihr ganz Spanien zu Füßen legen. Dabei stiftete er ein Tausend Gulden teures mit Edelsteinen besetztes Kruzifix. Weitere Abschiedsbesuche folgten in den Wiener Gotteshäusern des Claraklosters (1784 abgerissen) und des Jesuitenklosters zu den Neun Chören Am Hof. Später begab er sich mit seinem Bruder Joseph in den Prater und noch einige Zeit gemeinsam wohl mit Jagd zu vertreiben. Nun war er kein gewöhnlicher Erzherzog mehr – er hatte als König von Spanien in den Fußstapfen Karls V. zu agieren. Längst hatte er Modell für entsprechende Repräsentationsbildnisse gestanden. Um 1694/95 wurde er von Paul Strudel als Marmorbüste gemeißelt (KHM). Als Auftraggeber gilt Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz – Schwager des Kaisers, der es für eine fünf Figuren umfassende Gruppe für seine Düsseldorfer Residenz gedacht hatte. Kaiser Leopold I. hatte die Figur so gut gefallen, dass er sie in seiner Sommerresidenz Favorita aufstellen hatte lassen. Der Innsbrucker Bildhauer Ignaz Elhafen schnitzte ihn als Reiterfigur auf einem Kleinbildnis (KHM). Ein Ganzfigurgemälde schuf Frans van Stampart (KHM) und der renommierte Bildhauer Paul Strudel meißelte ihn als König von Spanien – diese Marmorstatue steht seit 1829 als fünfzehnte Figur im Marmorsaal der Nationalbibliothek – unweit vom Imperator Karl VI. Am 18. September 1703 fand noch in der Favorita eine Abschiedsaudienz statt. Sie war ein hochgesellschaftliches Ereignis, an dem nahezu alle wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilgenommen hatten. Kurz danach beschrieb ein Zeitgenosse den jungen Habsburger, der am 1. Oktober 1703 sein achtzehntes Lebensjahr vollendete, folgendermaßen: Er soll eine mittelmäßige Körpergröße gehabt haben, braune starre Augen mit einer langen fast geraden Nase – beschrieb unser Zeitzeuge nicht eher ein in Öl gemaltes Porträt? –, eine fast gerade Nase, leicht hängende Wangen und Lippen. Dazu bemerkte der Chronist bereits an den Jüngling, eine gewisse Melancholie und als Laune Ungeduld.
Reise nach Spanien#
Am 19. September 1703 gab Erzherzog Karl in der Favorita eine Abschiedsrede, versprach seine Eltern und Bruder und Habsburg-Österreich niemals zu vergessen. Natürlich lag eine gedrückte Stimmung über dem Wien-Wiedener Sommerschloss des Kaisers. Die Kaiserin jammerte. Der Kaiser klagte. Nach außen schienen sie sich mit der Tatsache zu beruhigen, dass es einer höheren Sache diente. Karl bestieg die Kutsche. Unter Jubelrufen verließ er Wien. Im Zeitalter des Barocks waren Reisen abenteuerlich und eine Wiederkehr allgemein fraglich.Karl reiste mit seinem Tross nach Mähren, Böhmen, Prag, über Sachsen, Leipzig, Weißenfels an der Saale nach Düsseldorf. Durch Bayern konnte er ja nicht, weil Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Wittelsbach mit Frankreich uniert, und wegen seines zu früh verstorbenen Sohns ernsthaft böse war, verdächtigte den Kaiserhof des Giftmordes an seinem Sohn. Für ihn war alles was mit Habsburg irgendwie zu tun hatte zumindest finstere Beleidigung.
Begleitet wurde Karl von seinem Erzieher Liechtenstein, der noch vom Kaiser zum spanischen Granden erhöht worden war, vom Beichtvater Pauer, dem Intimfreund Michael Johann Graf von Althann, Sigmund Rudolf Graf Sinzendorf als Kammerherrn Karls und sowie vom jungen Leibmedikus Pius Nicolaus Garelli und Andreas Jakob [von] Fack ebenso des Festungsarchitekten Gabriel Montani, welcher an der Wiener Peterskirche noch zuvor gearbeitet hatte. Der Erzherzog war, wenn diese Zahlen wirklich stimmen mit insgesamt 164 Personen, 210 Pferden und 47 Wagen unterwegs. Noch im niederösterreichischen Ober-Hollabrunn setzte er seine ersten königlichen Amtshandlungen. Vier Adlige erhöhte er zu spanische Granden: Liechtenstein, den kaiserlichen Staatsminister Herzog von Moles, Herzog von Vasto und Herzog von Caserta. Der kaiserliche General Cesare Michelangelo Marchese di Pescova e del Vasto und Caserta waren neapolitanischer Herkunft. Moles wird drei Jahre später kaiserlicher Gesandter am Hofe Karls III. in Spanien. 1708 wird er noch dessen vornehmster Minister. Ober-Hollabrunn galt als historischer Ort: Im Sommer 1683 startete von hier die erfolgreiche Schlacht um Wien gegen die Osmanen.
Zwischendurch hielt sich Karl fünf Tage in Prag auf. Dort besuchte er die Oper und die Bildergalerie, ging auf die Jagd und besuchte das sonntägliche Hochamt im Dom zu Prag. Dort ging er, tragend eine Wachsfackel, in die Wenzelskapelle und kniete dort, um zu beten.
König Karl begegnete in Düsseldorf in der Oktobermitte Duke of Marlborough. Während der Oktobermitte in Düsseldorf richtete der berühmte britische Feldherr John Churchill Marlborough – seit 1702 mit Tories-Führer Goldophin an der Macht – herzliche Grüße von Königin Anna Stuart aus und versicherte deren Unterstützung. Der britische Feldherr war von einer erfolgreichen Bataille gekommen. Karl schenkte voller Freude dem Feldherrn einen kostbaren diamantenbesetzten Degen und schmeichelte höflich Marlborough wegen seiner Eroberungen in den Spanischen Niederlanden. Karl bewunderte ihn wegen seiner Erfolge kurze Zeit zuvor. Klar, dass dem Erzherzog bange Fragen durch dessen Verstand gingen, ob die Briten das Bestreben des Habsburgers überhaupt wahrhaft ernstgenommen haben. Noch in Düsseldorf fand der Habsburger genug Zeit sich porträtieren zu lassen. Wiederum als Ganzgemälde vom damaligen kurfürstlichen Hofmalers Jan Frans van Douven. [Heidelberg, Kurpfälzisches Museum] Als kraftvolle jugendliche, entschlossene Persönlichkeit mit Lockenpracht. Der damalige Hofbildhauer des pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm, der Italo-Flame Gabriel de Grupello verewigte den künftigen König von Spanien in Marmor. Nach dem Allerseelentag langte er im niederländischen Den Haag ein. Er war gezwungen wegen Wetterstürze im Ärmelkanal, und deren Ausläufer halb Europa betroffen hatten, und nach vergeblichen Hafenlandungen in den Niederlanden auszuharren. Falls das stimmt sagte er: "Da ich einmal bestimmt bin, nach Spanien zu reisen, so will ich zu Schiffe gehen, wenn auch nur ein Schiff vom Sturme errettet worden wäre." Einer anderen Quelle zufolge soll er gesagt haben: "... und hätte Wilhelm von Oranien also gedacht, würde er je die britische Krone davon getragen haben? Ich muss hin, und käme auch nur der [das] Wrack meines Schiffes in Spanien an." Von negativen Vorbedeutungen hatte Karl nichts gehalten – der frühere britische König Wilhelm III. hatte sich auch nicht durch einen Sturm an der Thronbesteigen abhalten lassen. Wurde Karl nicht auch Zeuge eines damals bestandenen Klimawandels oder wurden die Stürme durch Vulkanausbrüche begünstigt? Der Österreicher achtete auf die Warnungen erfahrener Seemänner und gab der Geduld den Vorrang. Die britische Kriegsflotte war damals nicht ordentlich gerüstet. Sorgen brauchte er sich keine zu machen, weil die Briten sowieso die Franzosen hassten. Erschwert wurde das Unternehmen dazu noch, dass gegen Ende der ersten Dezemberwoche ein heftiges Unwetter einen Gutteil der Flotte vernichtet hatte. Nach Weihnachten schiffte er in Portsmouth ein.