Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Der oberste Verwalter zwischen Prinz Eugen und Minister Bartenstein#

WIRD NOCH BEARBEITET UND EVENTUELL GEKÜRZT

Habsburg-Österreich (und Spanien)#

Dichter des 17. und 18. Jahrhunderts pflegten in ihrer poetisch-verdrehten Sprache wohl das österreichische Herrschaftsgebiet eines Kaisers und Habsburgers in Himmelsrichtungen und Tageszeiten einzuordnen. Bei Kaiser Karl VI. war das auch nicht anders: Wenn Kaiser Karl VI. in die Mitternacht sah – also nach Norden –, erblickte er seine Ländereien Mähren und Böhmen. Warf er einen Blick in den Morgen – dort wo im Osten die Sonne emporstieg – war Ungarn zu sehen. Wandte er sich in die Richtung der Mittagszeit, so konnte er die Steiermark, Kärnten und Krain, also Innerösterreich erkennen. Und gegen Abend – wo die Sonne hinter den Bergen hinabstieg – gewahrte er Bayern und Salzburg. Der Nachmittag galt Spanien …

Das Verwaltungszentrum - Die Untertanen#

Wien war Residenzstadt eines Reiches mit 750.000 Quadratkilometer Ausdehnung. In diesem Reich lebten inklusive der außerösterreichischen Besitzungen in Europa über 13,55 Millionen bis an die 21 Millionen Einwohner. In Böhmen und Ungarn vier Millionen Untertanen, in Österreich 2,5 Millionen, Lombardei (Mailand und Mantua) eine Million, Sizilien 1,2 Millionen, Neapel drei Millionen, Niederlande 1,7 Millionen, Nordserbien und Kleine Walachei, vielleicht 150.000 Menschen. Frankreich war mit seinen über 550.000 Quadratkilometern und seiner 20 Millionen Köpfe zählenden Bevölkerung doch etwas geringer. Leider dürfte des Öfteren Wiens Rolle als Machtbereich auch die Wienerinnen und Wiener gänzlich überfordert haben. Das Straßenbild der Reichs- und Residenzstadt war geprägt – als Handelszentrum – von internationalem Publikum: Ungarn, Osmanen, Kroaten, Griechen, Armenier, Perser, freilich Italiener und Spanier. Und einige jüdische Menschen. Zur Zeit Karls VI. herrschten eigenartige Ansichten bezüglich der Charaktereigenschaften der Untertanen in den monarchieeigenen Teilstaaten. Meinungen, die bis in die Epoche Franz Josephs von Österreich-Ungarn tradiert wurden und wohl hie und da noch immer manchmal durchbrechen ...

Der Kaiserhof#

Ein wenig Statistik: Anfang des 16. Jahrhundert waren am Wiener Kaiserhof 500 Personen beschäftigt gewesen. Zweihundert Jahre später, unter Kaiser Karl VI. waren es schon viermal mehr: um 1720: 2.000 Beschäftigte. Ein weiterer Vergleich bot der Hof Ludwigs XIV.: In Versailles versammelte sich der gesamte französische Adel - 20.000 RepräsentantInnen - und besaß dazu entsprechende Räumlichkeiten. Die Kosten mussten enorm gewesen sein. Am Hofe des Sultans wurden ebenso viele "Mitarbeiter*n" gezählt. Der Harem war miteingeschlossen.
Nun, Wien war nicht Versailles oder Konstantinopel, denn hierorts besaß der österreichisch-ungarische Adel in der Nähe des Kaiserhofes ihre Stadt- und außerhalb der Residenz Wien ihre Sommerpalais.
Jedenfalls die Beziehungen zum Königreich Böhmen boten keine ideale Basis. In Wien wurde es von keinem einzigen böhmischen Adeligen repräsentiert ... Das reichte zurück bis nach der Schlacht auf dem Weißen Berg 1620, worauf Kaiser Ferdinand II. eine gewaltsame Rekatholisierung und Enteignungswelle an den böhmischen Adeligen angedeihen ließ. Der Hass derselben gegenüber Österreich schwand jahrhundertlang nicht im kleinsten. So blieben die Beziehungen zwischen den Ständen Böhmens und der Zentralregierung Karls VI. unentwegt unterkühlt. Auch in den Tagen der modernen Europäischen Union herrschen doch hin und wieder schwierige Rahmenbedingungen zwischen Wien und Prag.

Der Machthaber#

Von einem Machthaber wie Kaiser Karl VI. wurde stets abverlangt, dass er entscheiden oder befehlen solle. Nur ob es die richtige Entscheidung oder die zielführenden Befehle war, ist eine andere Frage. Er funktionierte als absolutistischer Herrscher, der die Geschicke des Staates allein lenkte. Das Innehaben einer Machtkonzentration und -funktion in Österreich, konnte für einen Menschen, auch wenn er eigens dafür ausgebildet wurde, gründlich überfordern. Wichtig war doch Durchsetzungsvermögen und brutale Härte ... Er war vielleicht ein guter Verwalter, im außergewöhnlichsten Fall eine Art allerhöchster Beamter, der seine Arbeit, so gut es ging, aufgebaut auf das Gottesgnadentum der "Pietas Austriaca" erledigte. Erinnern wir uns: Als Zweitgeborener war für den Geistlichen Stand bestimmt - aber das Schicksal wollte es anders. Das bürokratisch-administrative Gedankengut ererbte er über seinen Vater Leopold I. beziehungsweise Urgroßvater Kaiser Ferdinand II., der ja bekanntlich als gebildeter Machtmensch und Verwaltungsfachmann in krisenhaften Zeiten so mancherlei administrative Strukturen in Österreich einführte sowie begünstigte. Im Endeffekt versandete alles in die typisch altösterreichische Schlamperei.

Privates und Hochoffizielles#

Am Wiener Hof Karls VI. vermischten sich Privatleben und Offizielles unter Karl VI. zu einer Einheit. Zusammengehalten durch die Repräsentationskultur und den Problemen, die ein Riesenstaat verursachen konnte. Nicht zu vergessen: Der Kaiser sah in seinen Besitzungen mitsamt der Bevölkerung nur Privateigentum. Es grenzt an ein Wunder, dass der Herrscher als Verwaltungsherkules noch alles organisieren konnte. Konnte er es nicht, widmete er sich, falls den Zeitzeugen wie Diplomaten vollkommen geglaubt werden kann, völlig seiner liebsten Passion, der Jagd. Ich denke, er hätte am liebsten die Weltkugel, die er als gequälter Verwalter auf seinen Schultern trug, vergleichbar dem Atlas hinab geworfen.

Regierung und Verantwortliche#

Die Vielfalt an Schwierigkeiten zeigten sich schon an die Regierungen und Vertretungen am Wiener Hof, die Karl VI. sinnvoll zu verwalten, kontrollieren versuchte: Reichs- und Erbländischer Rat (Österreich), Böhmischer Rat, Ungarischer Rat, Spanischer Rat, Giunta d'Italia und so fort. Auf den Schultern Karls VI. lastete ihm als Atlas nicht nur ein imposanter Staat, sondern auch das Erbgut von rund viereinhalb Jahrhunderten Habsburgerdynastie, seit Ahnherr Rudolf I. das Geschlecht sozusagen begründete. Joseph I. bewies sein Talent zum Vollblutherrscher und innehielt als leichtfertiger Charakter eine rasche Auffassungsgabe. Hingegen der Vater und der jüngere Bruder Karl VI. das genaue Gegenteil verkörperten. Dafür waren beide offensichtlich erlesene Persönlichkeiten. Joseph I., der aus dem erstarrten Hofzeremoniell ausbrach, versammelte sich die fähigsten Politiker als Minister in seine Regierung. Wohingegen sein Nachfolger Karl VI. – ebenso zuvor wie sein Vater – angeblich hier und da – noch weniger fähigere Leute um sich scharten. Er scharte sich mehr oder weniger fähige Leute aus der Aristokratie um sich, die peinlicherweise wie Epigonen ihre Existenz fristeten. Es waren die Sinzendorf, dann noch Schönborn, Wratislaw, Starhemberg, Königsegg und freilich viele andere aus der Hochadelsklasse, die im Endresultat epigonenhaft einfallslos agierten – ausgenommen der frühverstorbene kreative Wratislaw, der als Freund des intelligenten Prinzen Eugen galt. Einen Premierminister oder Bundeskanzler im heutigen Sinn gab es nicht. Gewicht hatte nur der, der die höchste Autorität, das kräftigste Durchsetzungsvermögen aufbrachte. Meistens war es so: der stärkere Politiker war der mit dem reellsten Einfluss und großen Geltungsbereich, sichere Rhetorik, Argumentationsfähigkeit (und Verständnis für das Finanzielle – das kaum einer aufbot, höchstens um die eigenen Taschen zu füllen) – über den Kaiser aufbrachte. Misstrauen und Konkurrenzdenken zwischen den Behörden gehörten zum Alltag hofstaatlicher Verwaltung. Versuche sie zu dirigieren konnten entweder fehlschlagen oder im Mindesten wunderliche Kompromisse erbringen. Es war ja auch kein Zufall, dass sich im Laufe der Zeit seltsame Gepflogenheiten und Bestechungspraxis bedenklichen Einzug am Wiener Hof hielten. Sie waren eigentlich eine furchtbare Reflektion der Zustände im gesamten Reich, wenn nicht in ganz Europa. Wie vertraut das klingt. Ein Beamter – ein Mensch. Zwei oder mehr Hofbeamte schon Differenzen und Schmiergelder. Insgesamt bot das leider keine vortreffliche Basis, um einen Riesenstaat wie die Monarchia Austriaca in der einstigen Realität nun mal war, zu verwalten. Zwistigkeiten waren am Hof keine Seltenheit mehr. Am ehesten traf dies zwischen den spanischen und österreichisch-deutschen Beratern zu. Die spanische "Hofkamarilla" – ein wahrhaft harmloser Ausdruck noch dazu und dafür – versuchte den einflussreichen Hofkriegsratspräsidenten Prinz Eugen aus der engeren Umgebung des Kaisers zu entfernen. Natürlich vergebens. Es grenzte auch an ein Wunder, dass sich der Kaiser von den drei(!) Kaiserinnen am Hof nichts dreinreden ließ. Waren es ursprünglich sein Freund Althann und Vertrauter Graf Stella, welche ausdrücklich empfahlen – aus einer mittelmeerländischen Tradition – und einer anerzogenen Frauenfeindlichkeit – heraus –, Frauen aus der hohen Staatspolitik rauszuhalten. Die Kaiserinnenwitwen Eleonora Magdalena Theresia nach Kaiser Leopold I., Wilhelmine Amalia von Braunschweig-Lüneburg nach Kaiser Joseph I. und die Ehefrau des amtierenden Kaisers dort. Mit Erbitterung bekam Elisabeth Christine allzu oft den Zorn der zurückgestellten Kaiserinwitwe Wilhelmine Amalia zu spüren. Ich vermute, dass Schreiduelle und Hasstiraden sowie beleidigende Anspielungen zum geheimen Alltag in der Familie des Kaisers gehörten. Intellektualität hörte ehest auf. Karl VI., dem dieses spannungsreiche Problem sehr bald nervte, reagierte symbolhaft indem er im Januar 1731 eine italienische Faschingsoper, betitelt "Die Geduld Sokrates' mit zwei Weibern" besuchte. Aber die Unstimmigkeiten nahmen kein Ende. Um 1735 versuchte die offizielle Kaiserin als kompromisslose Gegnerin des spanischen Rates politischen Einfluss auf ihren Gemahl zu gewinnen. Doch beider Tochter Maria Theresia hielt, vermutlich auf väterlichen Wunsch, ihre Mutter mit allen erdenklichen Ehren von Karl VI. fern. Es schien leichter ein Reich zu delegieren als eine Familie. Dennoch blieb Elisabeth Christines Einfluss auf den Kaiser bestehen, und das führte zu verhängnisvollen Problemen in der Entscheidungsfindung im Krieg gegen die Osmanen Ende der 1730er-Jahre.
Er hasste sämtliche Unordnung. Er lehnte Maßlosigkeit in jeglichen Vergnügungen des barocken Alltags ab. Er hatte längst erkannt, dass die Spielsucht viele Menschen ins Verderben und Armut gestürzt hatte, und sah genug Anlass harte Spielverbote einzuführen. Stockbesoffene Hofbeamte in Gesellschaft, verwarnte er auf das Schärfste, indem er ihnen androhte, dass sie jederzeit vor ihm erscheinen zu hatten – auf diese Blamage wollten sie es in Hinkunft es nicht mehr ankommen zu lassen. Karl VI. galt als gütig und gerecht. Biograph Schirach, der das 1776 überliefert hatte, schien da noch genug Zeitzeugen gekannt zu haben – der Tod des Kaisers lag, es ist leicht nachzurechnen, erst 36 Jahre zurück. Und da gab es sicher genug Zeugen aus seiner Regierungszeit. Schirach hatte von den Biographen des 18. Jahrhunderts zumindest eine seriöse Darstellung, gewiss in Achtung des Monarchiegedanken verabschiedet. Moderne Historiker haben jedenfalls andere Ansichten entwickelt ... Von Karl VI. heißt es das er seine Regierungsgeschäfte in seiner Spätzeit vernachlässigt haben soll, und der Jagd die meiste Zeit gewidmet habe. Jagdleidenschaft hatte er ausgeübt – aber auch die Liebe zur Musik! Politische Entscheidungen hatte er weiterhin mitgetragen. Jedenfalls galt der Hof Karls VI. angeblich als der geordnete in ganz Europa. Warum nicht? Kann ja sein … Zugleich irgendwie absurd, weil die übrigen europäischen Höfe desaströse Zustände geboten hatten.

Die Behörden#

Die Zentralbehörden besaßen hierorts ihren Sitz. Der Kaiser und der Kanzler besaßen eigene Verwaltungsgruppen.
Seit 1709 existierte als oberste Behörde unter Joseph I. die sogenannte "Geheime Konferenz". Sie setzte sich aus mehreren Institutionen zusammen: Die "Hofkanzlei" (Innenpolitik), den "Hofkriegsrat" (Heerwesen und Grenzverteidigung).
Einst Sitz der Geheimen Konferenz, dann Staatskanzlei und seit 1922 Bundeskanzleramt; erbaut im Auftrag von Karl VI. (Architekt: Hildebrandt) und später unter Maria Theresia erweitert (Architekt: Nicolaus Pacassi); Ballhausplatz, Wien-Innere Stadt
Einst Sitz der Geheimen Konferenz, dann Staatskanzlei und seit 1922 Bundeskanzleramt; erbaut im Auftrag von Karl VI. (Architekt: Hildebrandt) und später unter Maria Theresia erweitert (Architekt: Nicolaus Pacassi); Ballhausplatz, Wien-Innere Stadt - Foto: © Bwag, CC-BY-SA-4.0, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Für die Geheime Konferenz ließ Karl VI. nach Entwurf Hildebrandts 1717 die "Geheime Hofkanzlei" erbauen und deren Rohbau nach zwei Jahren vollendet wurde. Der Bau der Staatskanzlei im Auftrag Kaiser Karls VI. drückte bereits einen frühen Umbruch im Sinne der Modernisierung der Verwaltung und Regierungsarbeit aus. Vor allem galt dies auf dem eigenen Gebiet der Außenpolitik, die sich in ganz Europa zu einem federführenden Beiwerk allgemeiner professionell geführter Diplomatie entwickelte. Nach später erfolgten Erweiterungen in der Ära Maria Theresias fungiert das Gebäude inzwischen als Amtssitz des österreichischen Bundeskanzlers und des Außenministers. Mit neueren Anbauten: "Bundeskanzleramt und Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten".
Ehem. Böhmische Hofkanzlei, Wien-Innere Stadt, Judenplatz 11 - Heute Sitz des Verwaltungsgerichtshofs
Ehem. Böhmische Hofkanzlei, Wien-Innere Stadt, Judenplatz 11 - Heute Sitz des Verwaltungsgerichtshofs - Foto: © Bwag, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Das Königreich Böhmen besaß eine eigene Verwaltungszentrale, die in den 1710er Jahren von Wratislaw errichtete "Böhmische Hofkanzlei". Böhmens Minister Wratislaw von Mitrowitz (bis 1712) gab den Auftrag zum Bau der Böhmischen Hofkanzlei durch Johann Bernhard Fischer von Erlach. Nach ihm orderte sein Nachfolger Leopold Anton Joseph Graf Schlick den Weiterbau.

Reichskanzleitrakt in der Wiener Hofburg, Sitz des Reichsvizekanzlers Schönborn; Wien-Innere Stadt
Reichskanzleitrakt in der Wiener Hofburg, Sitz des Reichsvizekanzlers Schönborn; Wien-Innere Stadt - Foto: Gryffindor - Wikimedia Commons - Gemeinfrei

1728 erwarb der Kaiser um 40.000 Gulden ein Palais in St. Petersburg, das noch von Zar Peter den Großen an einem österreichischen Diplomaten geschenkt wurde, und das als Hotel für die österreichischen Diplomaten in Russland dienen sollte. (War das nicht eher als Spionagezentrale geplant?)

Prinz Eugen - der angebliche Gegenspieler Karls VI.?#

Für Prinz Eugen schloss sich unter Karl VI. ein Lebenskreis. Der Aufstieg im kaiserlich-österreichischen Dienst war mit den Erfolgen im Spanischen Erbfolgekrieg und während der Türkenkriege einhergeschritten. Der glanzvolle Ruhm des Feldherrn überstrahlte sogar die Glorie eines Kaisers. Beide Persönlichkeiten, Karl VI. und Prinz Eugen standen respektvoll gegeneinander - vermutlich?

Prinz Eugen von Savoyen-Carignan, 1728
Prinz Eugen von Savoyen-Carignan, Porträtgemälde von Johann Gottfried Auerbach, 1728; Schloss Charlottenburg, Berlin - Foto: Wikimedia COmmons - Gemeinfrei
Eugen, Oktober 1663 in Paris geboren, ein Großneffe des Kardinals Mazarin, vermutlich ein uneheliches Kind des umtriebigen Ludwigs XIV., war nach einer beschämenden Demütigung des Sonnenkönigs aus Frankreich nach Österreich geflohen, wo die Osmanen unter Kara Mustapha Wien bedrohten.
Als Volontär im Einsatz gegen die Türken. Danach eine steile Karriere als kaiserlicher Offizier. Kaiser Leopold I. erhob ihn Ende Juni 1703 zum Hofkriegsratspräsidenten. Ein schweres und verantwortungsvolles Amt, das die Überwachung des Heereswesen und die Grenzverteidigung der Casa d'Austria bzw. Monarchia Austriaca abforderte. In diesen Tagen standen für das Heer nur wenig Finanzmittel zur Verfügung. Unter Prinz Eugen umfasste das Heer wohl über 120.000 Mann - Frankreich hingegen 300.000 Mann. Immerhin erreichte der Savoyarde die Steigerung auf 65 Infanterieregimentstruppen mit 195.000 Mann! Besorgt blickte der Prinz nach Preußen, wo der von Großmachtplänen erfüllte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. seine Armee auf das höchstmögliche Niveau brachte (83.000 Mann), während die habsburgisch-österreichische Schlagkraft allmählich devastierte. Der Kaiser und sein Feldherr sahen das Problem, das im Polnischen Thronfolgekrieg eskalierte. Aber wenigsten war Prinz Eugen fast zwei Jahrzehnte erfolgreich im Kampf gegen die Hohe Pforte. Das war schon alles.
Immerhin verdankte Karl VI. dem Prinzen die Kür zum Kaiser 1711.
Beide, der Kaiser und der Feldherr, setzten kulturelle Akzente. Man denke an die Barockbauten: Stadtpalais (Winterpalais, Wien-Innere Stadt), das wunderschöne Schloss Belvedere (Wien-Wieden), Schloss Hof (Niederösterreich) und das Schloss Rackéve (auf der Budapester Halbinsel Csepel, Ungarn). Beinahe dürfte der Prinz reicher gewesen sein als der Kaiser. Historiker schätzten sein Vermögen grob geschätzt auf Hundert Millionen US-Dollar.
Geistig arbeiteten der Kaiser und der Feldherr gegeneinander. Karls VI. mittelalterliches Weltbild stieß an Eugens die Aufklärung vorwegnehmende Gedankenwelt. Sie haben beide unterschiedliche Intellektuelle in ihren Umfeld besessen.
Ich wage einen Vergleich: Karl VI. hätte vermutlich als Kriegsherr jeglichen Feind bis auf das Blut gedemütigt. Wohingegen Prinz Eugen besaß das Verlangen den jeweiligen Gegner zu weiteren Verhandlungen am grünen Tisch zugunsten Habsburg-Österreich und Kaiserreich zu "pressen", und mit Erfolg. Karl VI. Intentionen entsprachen die eines beutefangenden Falken und Eugenius de Savoia wirkte als weitblickender Adler.
Schon der Kameralist Hörnigk empfahl ein starkes Heer und eine gesicherte Monarchie; Prinz Eugen orientierte sich daran und es lag ihm ein mächtiges und starkes Österreich in Europa im Sinn. Der Kaiser versteigerte sich in der Idee, sein Spanien zurückzuholen. Plötzlich stand der Kaiser im Schatten des edlen Ritters.
Der Kaiser übergab seinen Feldherrn die Lombardei, der er als Generalgouverneur verwalten sollte. 1707 zogen die letzten Franzosen dort ab und Eugen quartierte sich in Mailand ein. Später bekam er noch die Statthalterschaft über die Niederlande; Brüssel sah ihn niemals, denn bis 1725 verwaltete Prinz Eugen das Ganze von Wien aus. Normalerweise war es üblich, dass der offizielle Obersthofmeister des Kaisers, der führendste Politiker war.
In Wien fungierte Prinz Eugen praktisch als inoffizieller Premierminister, der Tatbestände klar und deutlich wiedergeben konnte, während die übrigen Minister sich in wortgewaltige Formulierungen verloren. Der Kaiser lobte den Prinzen eher indirekt. [Der Kaiser bediente sich auch einer personellen Andeutung. Etwa: Wenn er Prinz Eugen eine erfreuliche Information mitteilte, so sandte er durchgängig Gundacker (?) Graf von Althann als Übermittler.] Der Kaiser hatte von Eugen jedenfalls eine gute Meinung.
Irgendwann etablierte sich eine Staatskrise, die von Hofspaniern verursacht wurde. Prinz Eugen sah die Spanien-Politik mit der Österreich-Politik als unvereinbar und wollte keineswegs militärische Aktionen anordnen. Außerdem stand er im Krieg gegen die Osmanen. Damals wagte Philipp V. das in österreichischer Hand befindliche Sardinien zu besetzen. Danach griff der Krieg auf Sizilien über, jenes gehörte dem Herzog von Savoyen (1719); dadurch wurde Neapel bedroht. Eugen sah keinen Handlungsbedarf. Dann sah er sich mit einer Intrige konfrontiert. Intrigen gehörten schon immer zur altösterreichischen Tradition. Prinz Eugen löste das Problem, indem er dem Kaiser Fakten lieferte. Aber das Verhältnis war getrübt. (Es erinnert irgendwie an die Krise des einstigen Generalissimus Wallenstein im 17. Jahrhundert.) Jedenfalls trat der Kaiser die Flucht nach vorne an. Seine Hofspanier hatten ihn gründlich blamiert. Ignorierte die Dramatik. Um 1720 schenkte dem Hofkriegsratspräsidenten einen kostbaren Spazierstock. Ein anderes Mal einen mit Diamanten besetzten Degen und endlich 1725 erhielt der Prinz vom Kaiser eine teure Herrschaft bei Obersiebenbrunn im Marchfeld.
Wenn Schloss Hof nicht unter Maria Theresia umgebaut worden wäre, hätte es zu den exklusivsten Meisterwerken Johann Lucas von Hildebrandt gehört. Auch das Alter verschonte den Savoyer nicht mit gehörigem Ärgernis und Starrsinn. Bei heiklen Staatsangelegenheiten teilte Karl VI. das Aktenmaterial in zwei Versionen auf. Eine belanglose Variante für den Prinzen und eine politisch eminente für Staatsminister Bartenstein. Karl VI. unterhielt er mit Eugen bis zu dessen Tod im April 1736 ein freundschaftliches Auslangen. Vor allem wenn es sich um gesundheitliche Belange handelte. Der Savoyer fungierte irgendwie als tragende Säule des Hauses Habsburg – dennoch konnten die Meinungen zwischen Karl VI. und Eugenio de Savoy unterschiedlich sein. Karls VI. Briefe an den edlen Savoyer beweisen ein herzliches Einvernehmen. Der Kaiser hatte den edlen Ritter niemals zum Feldmarschall erhöht … Weder der Kaiser noch der Erzbischof von Wien erschienen bei der Beisetzungsfeier des edlen Ritters im Stephansdom – weil der Prinz kein Familienmitglied des Erzhauses war … Ein Prinz-Eugen-Kenner des 19. Jahrhunderts meinte, der Kaiser soll zumindest unerkannt unter den Trauergästen erschienen sein. Angeblich weilte der Kaiser bei der Reiherjagd in Laxenburg. (Nun Prinz Eugen wurde ein Staatsbegräbnis zuteil, was eher einem Mitglied des Hauses Habsburg zugekommen wäre.) Eine negative Ruhmestat setzte Karl VI., indem er die Idee ablehnte, wonach das Herz Prinz Eugens in der für die Habsburger vorbestimmten Augustiner-Hofkirche beigesetzt hätte werden sollen. Stattdessen erhielt es in Turin seine endgültige Ruhestatt.


Über ein Jahr später zeigte sich die Beliebtheit des Prinzen bei den Wienern. Die Sargträger, die den beschwerlichen Weg vom Winterpalais zum Stephansdom bei Hitze und Durst beschritten hatten, forderten von der kaiserlichen Hofkammer eine entsprechende finanzielle Entschädigung. Der Kaiser stimmte zu. Beim Ableben hochrangiger Persönlichkeiten war es üblich, den Armen ein entsprechendes Almosen zukommen zu lassen. Nach Prinz Eugens Ableben bewilligte der Kaiser 2.000 Gulden, die in der Reitschule ausgegeben wurden.
Der Kaiser und sein Beichtvater Vitus Georg Tönnemann S. J. entschieden den verstorbenen Hofkriegsratpräsidenten zu einem unsterblichen Hero zu machen.[1] Ganz im Stil antiker Helden. Damit hatte der Ruhm des Prinzen Eugen begonnen und überstrahlt sogar den Glanz des Kaisers Karl VI.

Des Kaisers Vertrautenkreis#

Ursprünglich besaßen die spanischen Könige (der habsburgischen Linie bis 1700) für die Administration ihrer italienischen Besitzungen den "Consejo de Italia" ("Italienischen Rat") in Madrid. Dieses Verwaltungsgebilde wurde von Karl VI. kurzerhand nach Wien verlegt und vor Silvester 1713 umgewidmet als "Consejo de España" ("Spanischer Rat") eröffnet, der die allgemeine Verwaltung der einst spanischen Besitzungen in Italien übernahm. Das Palais Capara (heute Geymüller) in der Wallnerstraße 8 war unter Karl VI. der Sitz der Spanischen Hofkanzlei.
Spanische Hofkanzlei - Palais Capara-Geymüller, Wien-Innere Stadt, Wallnerstr. 8. Kupferstich, Salomon Kleiner, 1724
Spanische Hofkanzlei - Palais Capara-Geymüller, Wien-Innere Stadt, Wallnerstr. 8. Kupferstich, Salomon Kleiner, 1724 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Mit der Existenz dieser Institution in Wien drückte der Kaiser sein ständiges unverzichtbares Anrecht auf das Königreich Spanien aus. Dieser Behörde stand ein Präsident voran und für Neapel, Mailand und Sardinien standen jeweils ein paar Räte – Verwaltung und Militär – vor, dann folgten die üblichen Ämter vom Generalschatzmeister bis zum Bewahrer des königlichen Siegels. Der Präsident kassierte im Jahr ein Spitzengehalt in Höhe von 30.000 Gulden. Die Gehälter der spanischen Räte – allgemein 8.000 Gulden – waren doppelt so hoch wie jene der Wiener Hofräte, wodurch mit den deutschen und österreichischen Beamten künstlich eine gesellschaftliche Spannung konstruiert worden war. Diese großzügigen Gehälter waren wohl auch der treffende Grund wieso der Kaiser ziemlich lange die Freundschaft Der Katalonier bewahren konnte. Die jährliche Finanzierung des spanischen Rates war jedenfalls nicht leicht zu bewältigen. Das Hauptetat lieferte das Königreich Neapel mit 60.000 Escudos (das waren 120.000 Gulden) im Jahr, Mailand 40.000 und Sardinien 20.000 Escudos!
Als ersten Präsidenten des Consejo de España setzte Karl VI. 1714 seinen spanischen Vertrauten Don Antonio Folch de Cardona – Erzbischof von Valencia – ein. Dieser stieg in Spanien vom einfachen Franziskanermönch zum Erzbischof – seit 1700 – auf. Zuerst sahen ihn die Spanier an der Seite Philipps V. Dann nach der Schlacht bei Saragossa 1710 unterstützte er den Österreicher. Der unnahbar geltende Politiker und Kleriker in einer Person stieg zum kompromisslosesten Gegner Prinz Eugens auf. Der Geistliche wohnte im Gartenpalais Strozzi in Wien-Josefstadt und besaß eine 4.000 Bände umfassende Privatbibliothek, die nach seinem Tod 1724 in die Hofbibliothek überstellt wurde.

Stella#

Eine weitere markante italo-spanische Persönlichkeit war etwa Rocco Graf Stella von Santa Cruce. Dieser Neapolitaner entstammte niedrigen gesellschaftlichen Verhältnissen und wurde mehr oder weniger skurril beurteilt. Stella genoss das Glück von Liechtenstein entdeckt und protegiert worden zu sein. Er kämpfte während des Türkenkrieges als kaiserlicher Offizier, stieg zum spanischen Rat, danach zum kaiserlichen geheimen Rat auf und fand Aufnahme bei den niederösterreichischen Landständen. Graf Stella war dunkelhäutig und von krankheitsbedingter hässlicher Statur, erfreute den Habsburger mit Witzen und Imitationen von Tierstimmen. Vorwiegend diente er seinem Gönner, indem er ihm ehrlich und ungeschminkt seine Meinung zum Ärger der Hofgesellschaft offerierte. Der Kaiser betraute ihm mit einer Leitung einer "Wiener Postloge", die sich in relativ moderner Geheimdienstmanier zwielichtigen Aufgaben widmete und sogar diplomatische Chiffrendienste bewerkstelligte. Der Neapolitaner organisierte 1716 die "Geheime Ziffernkanzlei" nach Vorbild Frankreichs. Ihre Aufgabe bestand darin den Inhalt gewisser Staatsgeheimnisse verschlüsselt in umfangreiche Zahlenkombinationen zu übermitteln oder zu entschlüsseln. Noch etwas war an Stella ungewöhnlich: Er war wohl der einzige von der spanischen Partei, mit dem sich Prinz Eugen verstanden hatte; Stella war es auch, der dem Savoyer innerhalb einer heftigen Intrigenaffäre Ende 1719 vertraute und beistand. Der Günstling Karls VI. starb in der Oktobermitte 1720. Der Kaiser hatte in ihm einen aufrichtigen Minister gesehen, auf den er sich oft verlassen hatte und der auch mit fremden Angelegenheiten betraut werden konnte. Vielleicht klagte der Kaiser bloß auch nur um den Umstand, dass Stella den Ziffernkode mit ins Grab genommen hatte ... Tatsächlich war es so, dass diese teils selbstständig agierende Kanzlei noch lange Zeit auch den schwierigsten Verschlüsselungskode knacken konnte. Ich wette, dass moderne Hacker sich an diesem Verfahren bestimmt die Zähne ausgebissen hätten. Weiteres nennenswert wäre da noch als tüchtig und intelligent geltende Don Ramón de Vilana Perlas Marquéz de Rialp, der als Sekretär des gleichzeitig mit dem Spanischen Rat gegründeten Staatssekretariat in höchster Position vorstand. Dieses "Secretario de Estado y del Despacho por la Monarchia de Espana" war für die spanischen Königreiche, Staaten und Herrschaften in administrieller Weise verantwortlich. Jedenfalls gelang es Rialp sogar den eigentlichen Spanischen Rat und den Obersten Hofkanzler in aller Öffentlichkeit in den Hintergrund zu drängen. (Mit der Auflösung des Spanischen Rates 1736 folgte ein Jahr danach die Auflösung des besagten Staatssekretariates.) Der Marquez galt als äußerst enger Vertrauter der Kaiserin und des Kaisers. Letzterer überreichte Rialp ältesten Sohn Francesco bei der Heirat Maria Josephas – Tochter des Grafen Karl Michael Tobias von Sinzendorf von der Ernstbrunner Linie – eine Herrschaft im heute unvorstellbaren Wert in Höhe von 240.000 Gulden als Geschenk. Rialp überlebte den Kaiser um acht Monate und verstarb 78-jährig. Bezüglich des Spanischen Rates gingen abertausende spanisch abgefasste Aktenstücke durch die Hände des Kaisers. Als ob er nicht anderes zu tun gehabt hätte. Kaiser Karl VI. fertige und unterfertigte abertausende Aktenstücke für seine hispaniole Anhängerschar aus. Eigentlich bloße Zeitverschwendung. Den Hauptteil dieses Materials machten die von ihm in seiner Großzügigkeit an die spanischen Emigranten verliehenen Pensions- und Privilegiendekrete aus. Langweilig dürfte ihm dabei nicht geworden sein? Er schien in diesem Trott erstarrt sein und wurde zum vornehmsten höchsten Beamten, eigentlich Verwalter des Reiches Habsburg. Die Ernennungsdekrete bezüglich der spanischen Hofbeamten des Consejo de España begannen recht nüchtern und erinnerten unentwegt an den enervierenden Willen des Kaisers, seine Rechte auf ein Gesamtspanien nicht im kleinsten niederzulegen. Dabei blieb er standhaft und tapfer: "Rey de Castilla, Leon, Aragon, Granada, Toledo, Valencia, Murcia, Galicia ... Indias orientales y occidentales ... Islas y tierra del Mar oceano ... Conde de Barcelona y Rosselon". Karl VI. musste das schon auswendig gewusst haben. Die Hofbeamten seiner Kanzlei entwickelten dazu eine Übung darin.
1735 trat der Kaiser die spanischen Gebiete, darunter das Königreich Neapel-Sizilien an die spanischen Bourbonen ab. Daher wurde der spanische Rat überflüssig; seine Auflösung erfolgte er Jahr darauf und seine Agenden wurden vom "Consiglio di Italia" beziehungsweise "Italienischen Rat" übernommen, der seit 1720 das Herzogtum Mailand – ursprünglich ein spanisch verwaltetes Reichslehen – betreute. 1737 verlor auch das Staatssekretariat seine Existenzberechtigung.

Althann#

Michael Johann Graf Althann
Michael Johann Graf Althann, Kupferstich, vor 1722 - Leicht nachbearbeitetes Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Der harte Kern der spanischen Partei scharte sich um den "Nichtspanier" Michael Johann Graf Althann. Einst begleitete er als Page den jungen Erzherzog von Österreich nach Spanien und erwarb sich deshalb dessen uneingeschränktes, unermessliches Vertrauen, falls es nicht eine tiefere – harmlose? – Männerfreundschaft war. Vielleicht sah der Kaiser in ihm einen Bruderersatz nach dem Tod des älteren – Kaiser – Josephs I. Während der Belagerung Barcelonas 1706 nahmen Karl und sein Gefolge im gesicherten Benediktinerinnenkloster San Pedro Quartier. Dort lernte Althann die zur Ausbildung entsandte Maria Anna von Pignatelli kennen. Sie war die Tochter des Gouverneurs von Navarra, Don Domingo von Pignatelli. Der Habsburger förderte die Beziehung der Jungverliebten – falls es wahr war. Bis endlich am 11. Februar 1709 die Hochzeitsglocken läuteten. Die Eintracht des Habsburgers zu Althann blieb ungebrochen. Karl verspürte viel Herzensfreude und versprach ewige Freundschaft mit dem Ehepaar Althann bis in den Tod.

Adelspalast des Grafen Althann in Wien-Alsergrund. Kupferstich
Adelspalast des Grafen Althann in Wien-Alsergrund. Kupferstich, Joseph Emanuel Fischer von Erlach, 1720 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
In Wien wohnte das Ehepaar Althann in einem Adelspalast unweit der Hofburg. Nicht nur das: Auf dem Areal des heutigen Franz-Josefs-Bahnhof in Wien-Alsergrund befand sich bis 1869 der Althannsche Sommerpalast inmitten wunderschöner Aulandschaften zwischen dem Alserbach und einem breiten Ausläufer der Donau. Das Gebäude wurde wohl von Johann Bernhard Fischer von Erlach zwischen 1705 und 1712 mit einem windmühlenflügelartigen Grundriss erbaut – eine Anspielung auf Don Quijote? Wer weiß, wie oft Karl VI. seinen Freund Graf Althann dort besucht hatte. Anlässe gab es genug ... Unweit davon liegt das Palais Liechtenstein in der Rossau. Über die Literatur kam der berühmte Poet und Librettist Pietro Metastasio in den Bekanntenkreis der Gräfin Marianna d’Althann Pignatelli – sie war auch die Hofdame der Kaiserin Elisabeth Christine. Sie war kunstinteressiert und großzügig gegenüber den Armen.
Karl VI. überreichte 1722 seinem Freund das Goldene Vlies und ernannte ihn zum spanischen Granden erster Klasse. Als Mitglied des spanischen Hofadels konnte dieser sich an Privilegien am Kaiserhof erfreuen. Er hatte sogar das Recht dem Kaiser die Krone auf- und abzusetzen. Althann konnte sogar auf die Auswahl von Gesandten Einfluss ausüben. Zuletzt fungierte er als Oberststallmeister von 1716 bis 1722 im Dienst seines Freundes, dem Kaiser.
Das Beziehungsgeflecht zwischen dem Kaiserpaar und dem Ehepaar Althann könnte interessant gewesen sein. Sind wir einem angedeuteten, temporären ménage à trois auf der Spur?
Nachdem sein engster Vertrauter Graf Althann (1722) nach vierzehntägiger Krankheit nicht einmal mit 43 Jahren gestorben war notierte der Kaiser dieses für ihn so qualvolle Ereignis in seinem Tagebuch. 16. März 1722: "mein Trost, mein treyster Diener, mein Herzensfreundt, der mich, wie ich ihn 19 Jahr inniglich gelibt in wahrer Freundtschaft …" Vergleichbar dem Wehklagen eines Alexander des Großen, welcher um seinen Geliebten Hepaiston trauerte. Diese Zeile war ja doch höchst privater Natur. Kein Wunder wurde doch Prinz Eugen von Savoyen-Carignan zum Kulminationspunkt des 17. und 18. Jahrhunderts. Und auch er hatte seinen Sekretär – verschämt hieß der Adjutant. In dieser Zeit wurden Helden der Antike und der griechischen Mythologie – und sie waren auch nicht gerade Männer an deren Wegesrand Frauen zuhauf warteten und hofften ihre Ehre verteidigen zu müssen. Die Althann waren eine weit verzweigte Familie im alten Österreich gewesen. Schon im Hofstaat des jungen Erzherzog Karls – und in Spanien – war Johann Michael III. Althann dabei gewesen.
Maria Anna Josepha Althann geb. Pignatelli, Ehefrau von Johann Michael Graf Althann
Maria Anna Josepha Althann geb. Pignatelli, Ehefrau von Johann Michael Graf Althann, vor 1734 (?) - Ausschnitt eines Fotos: Silverije, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Im Februar 1709 heiratete er Maria Anna Pignatelli in Barcelona. Nun Karl VI. hielt seine Freundschaft zu Gräfin Marianne Althann-Pignatelli aufrecht. Sie hatte mit ihrem Ehemann fünf Nachkommen gehabt. Ein gleichnamiger Althann besaß etliche kaiserliche Ämter und war sogar Erb-Ober-Gespan in einer Provinz im Königreich Ungarn. Der Kaiser schenkte Anna Pignatelli großzügigerweise zwei Statuengruppen für den Ehrenhof des nach 1722 – durch den Hofarchitekten Anton Erhard Martinelli – dreiflügelig ausgebauten Schloss Frain (Schloss Vranov nad Dyjí) in Südmähren. Die Figuren hatte Lorenzo Mattielli geschaffen.
Der Kaiser übernahm nach dem Tod Althanns die Vormundschaft über dessen sechs Kinder. Jedenfalls war das ein großer Ausdruck der Wertschätzung des Kaisers für Althann. [Ein Sohn wurde Vizepräsident der Obersten Justizstelle und ein anderer General der Kavallerie.]
Noch am kaiserlichen Namensfest 1713 erhob Karl VI. Johann Friedrich I. Freiherr Graf Seilern in den Heiligen Römischen Reichsgrafenstand. Zu Jahresbeginn 1715 verstarb Johann Friedrich I. Freiherr Graf Seilern nach einem zehn Jahre währenden Amt als Erster Österreichischer Hofkanzler. Seine Hauptleistung war die Verfertigung und Protokollierung der Pragmatischen Sanktion 1713 – nicht gerade ein juristisch-literarisches Wunderwerk –, für die er in den Adelsstand erhoben worden war. Wenigstens war es halbwegs lesbar und bis dato verständlich. Karl VI. bedauerte die Entscheidung Gottes den ergebenen Staatsdiener abzuberufen, lobte die Verdienste des verstorbenen Hofkanzlers und versprach dem Neffen sozusagen als Verwandten nahezustehen. Hier klang aus Karl VI. eher die Mentalität eines menschlich agierenden Geistlichen denn eines überstaatlichen Machthabers.
Seilerns Nachfolger Philipp Ludwig Wenzel Graf Sinzendorf – seit Januar 1712 Träger des Ordens vom Goldenen Vlies – galt in den Augen des Kaisers jedenfalls alles als zufriedenstellend. Karl VI. konnte oder wollte sich an der Tätigkeit seines neuen Hofkanzlers nicht absolut erfreuen. Der Monarch merkte sehr wohl die diplomatischen Fehlleistungen seines übereifrigen Hofkanzlers, gab diesem ein gesundes Maß an habsburgischen Misstrauen entgegen und ließ bedenkenlos die vorrangigsten und außenpolitischen Verhandlungen, Entscheidungen mit Preußen, Russland, Spanien hinter Sinzendorfs Rücken abwickeln. Einige eigenartige Fehlleistungen, die Karl VI. gründlich verärgerten, dürften zum Beispiel wohl auf dem im Auftrag des Kaisers eröffneten Kongress von Soissons passiert sein, wo die Gespräche mit Frankreichs staatsverantwortlichen Minister Kardinal Fleury ergebnislos verlaufen waren. Der Hofkanzler brachte keine außergewöhnlichen diplomatischen Erfolge zustande und kehrte zu Jahresanfang 1729 nach Wien zurück. Die Unzufriedenheit Karls VI. über Sinzendorf steigerte sich in den nächsten Jahren. 1731 gab es sogar innerhalb diplomatischer Gespräche mit einem spanischen Gesandten und einem britischen Gesandten ein Eklat. Der Kaiser musste feststellen, dass der Hofkanzler oftmals verwirrende Statements von sich gab. Nach dieser Kritik redete Sinzendorf über diskrete Angelegenheiten vor Außenstehende. Über den Mangel an Diskretion seines seltsamen Ministers geriet der Kaiser stets an den Abgrund tiefster Verzweiflung. Nach einer bedenklichen Krisensituation am Wiener Hof 1719 ging der Einfluss der spanischen Partei auf den Kaiser zurück. Verursacht wurde dieses durch den angedrohten Rücktritt des verstimmten Hofkriegsratspräsidenten Prinz Eugen, wonach der Kaiser nachgeben musste, wenn er nicht seinen fähigsten Kriegsherrn verlieren wollte. Während dieser Staatskrise kamen die Regierungsgeschäft überhaupt zum Erliegen, die erst durch Eugens Rückkehr wieder fortgesetzt wurden.

Schönborn#

Reichsvizekanzler (seit 1705) Johann Friedrich Graf Schönborn, danach Fürstbischof von Bamberg und Würzburg
Reichsvizekanzler (seit 1705) Johann Friedrich Graf Schönborn, danach Fürstbischof von Bamberg und Würzburg; Johann Gottfried Auerbach, um 1730; Museum für Franken – Staatliches Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Würzburg - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Reichsvizekanzler war der bereits 1705 eingesetzte Johann Friedrich Carl Graf Schönborn. Diese Funktion übte er bis 1729 aus. Danach war er Fürstbischof von Bamberg und Würzburg. Seinem staats- wie reichspolitischen Amt kam daher eine ausnehmend bedeutungsvolle Wichtigkeit zu. Außerdem war er stets bestrebt an einer römisch-katholisch-konfessionellen Reichspolitik intensiv festzuhalten. Er besaß in Ungarn und Böhmen reiche Hausbesitzungen und förderte als geistlicher Barockfürst Finanz und Wirtschaft. Als Landesherr hegte er den Gedanken des liberalen Absolutismus. Ein freundschaftliches Verhältnis unterhielt er mit Abt Gottfried Bessel von Stift Göttweig und in der Eigenschaft als Sammler erlesener Kunstwerke und geborener Mäzen realisierte er viele Schloss- und Kirchenbauten. Das Schloss Schönborn in Göllersdorf wurde von Johann Lucas von Hildebrandt entworfen und später neugestaltet.

Bartenstein#

Johann Christoph Bartenstein, Staatsminister unter Karl VI.
Johann Christoph Bartenstein, Staatsminister unter Karl VI.; Gemälde von Martin van Meytens - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Noch eine schillernde Persönlichkeit am Wiener Kaiserhof Karls VI. war Johann Christoph Freiherr Bartenstein. Er entstammte aus Straßburg, stand als wissenschaftlich gebildeter Mann mit den wissenschaftlich tätigen Benediktinermönchen der St. Mauriner Kongregation (St. Germain-des-Prés) und mit den Universalgelehrten Leibniz in Kontakt. Damit Bartenstein überhaupt in den kaiserlichen Dienst treten konnte, musste er, Protestant, 1715 zum römisch-katholischen Glauben übertreten. Nach verschiedenen Ämtern in der Innenpolitik wurde er 1727 zum protokollführenden Sekretär der Geheimen Konferenz ernannt, 1733 endlich Geheimer Staatssekretär und erbittertster Gegenspieler des Hofkriegsratspräsidenten Prinz Eugen. Seither stieg Bartenstein zum eigentlichen Leiter der Außenpolitik der Monarchia Austriaca – und das bis in die Ära Maria Theresias 1753 –, mit dem Hauptziel gemäß dem Wunschdenken des Kaisers in der Sicherung der Pragmatischen Sanktion. Obwohl Bartenstein aufgrund der längeren Abwesenheit des offiziellen Hofkanzlers Sinzendorf auf dem Kongress in Soissons 1728 das Vertrauen des Kaisers erwarb – ein immerhin außergewöhnlicher Glücksfall –, gelang es ihm keineswegs den Monarchen politisch zu beeinflussen oder gar zu lenken. Karl VI. übte allgewaltige Kontrolle über die Führung seines Staates aus – bis zu seinem Tod. So schien es. Als Vertrauensbeweise des Kaisers an seinem führendsten Minister gelten 1730 und 1739 an die geschriebenen 160 Briefe. Einmal erhielt der Kaiser von Bartenstein keine Nachrichten, und so setzte sich der Monarch zu Winterbeginn 1731 zum Schreibtisch und vermeldete schriftlich liebenswürdig, dass er von Bartenstein einige Tage nichts gehört habe und wisse, er habe viel zu tun und ersuchte den Minister um schriftliche und mündliche Kommunikation von Zeit zu Zeit, und das so oft wie nur möglich. Der Kaiser bekundete sein Interesse im Verwaltungsalltag und bat Bartenstein ihn bezüglich der kaiserlichen Pflichten zu erinnern. Einen anderen Tag ersuchte Karl VI. seinen Minister um sofortiges Erscheinen. Der Kaiser verzichtete darauf, dass sein höchster Minister in offizieller Gala erschien. Dieser brauchte keine umständliche Galakostümierung anzulegen, dessen Zuverlässigkeit war dem Kaiser sehr gut bekannt. Karl VI. verschwendete (in diesem Fall) nicht den Blick auf Äußerlichkeiten. Der Kaiser tat sich angeblich aus Gesundheitsproblemen seiner Untergebenen vermutlich wenig. Ausgenommen Prinz Eugen, und auch nur wegen seiner Tauglichkeit als Feldherr in einer wahrscheinlichen Schlacht. Aber Bartenstein schien da die zweite große Ausnahme zu sein. Einmal litt dieser an Halsschmerzen und Fieberschüben. So verlangte der Kaiser, Bartenstein möge derweil das Aktenstudium aufschieben und sich Karl VI. zuliebe schonen. Der Minister erholte sich wieder und der Habsburger erfreute sich ganz herzlich über dessen wiederhergestellter Gesundheit. Doch der Kaiser ermahnte seine Subalternen zur Mäßigung bei der Arbeit, damit er sich ja keineswegs körperlich überanstrenge. Aber offenbar war Freiherr Bartenstein für Kaiser Karl VI. der einzige Mensch er über vertrauliche wie geheime Probleme bei Hof sprechen oder schreiben konnte. So war es nicht ungewöhnlich, wenn er über den schlechten Verlauf einer vergangenen Konferenzsitzung berichtete. Hier sei erwähnt, dass er sogar in seinem Tagebuch über Missstimmungen von seitens der Verhandlungspartner berichtete. Nur ein Beispiel im Zusammenhang der Friedensverhandlungen zu Rastatt. Am 6. Februar 1714 schrieb er: "Curir Prinz mit ney Project [Frankreich], Fridt ganz zerschlagen, impertinent, nicht laidentlich, Villars bös … mit Alt[hann] reso[lute] Anstalten Krieg. Nach Essen schreiben". Karl VI. gab Villars die Schuld an den Forderungen Frankreichs, die den Frieden zerschlagen hatten.
Üblich war, dass Staatsminister Bartenstein Vorschläge herbeibrachte. Der Kaiser lauschte dem Referat oder studierte die Niederschrift desselben, erwog und beschloss. Jedoch nach habsburgischen Gutdünken. Oftmals arbeitete der Monarch bis in die Nachtstunden. Manchmal übersandte er noch um 22 Uhr Minister Bartenstein ein imposantes Konvolut von Aktenstücken, Berichten ("Referaten"), Stellungnahmen, Gutachten, Entwürfe diverser Reskripte, damit dieser sie bis zum Morgen überarbeitet und mit Konzepten versehen dem Kaiser zurückerstatte. Es ist erstaunlich, dass ein Herrscher – offenbar mit Macher-/Managerqualitäten – nach einem halben Tag Jagdtätigkeit noch administrative Arbeit verrichten konnte. Ungewöhnlich war es nicht, wenn er sogleich nach einer Sitzung der Geheimen Konferenz einen Jagdausflug unternahm. Karl VI. war wahrlich kein König Midas, der alles anfasste und zu Gold verwandelte. Staatspolitik war für ihn ein heikles Terrain, das er – ungewollt – mit Zäsuren übelster Art versehen hatte, und doch durch österreichische Kontinuität – eine geschwächte Ausführung traditioneller Gleichgültigkeit – auf dem besten Weg zu bringen beabsichtigte. Er hatte freilich den schwersten Weg gewählt. Andererseits war das auch nur ein habsburgisches Fatum mit Traditionen. Jawohl, es war damals eine Epoche, in der es völlig dem Zeitgeist der Kultur entsprach, Gemeinheiten, Intrigen und nadelfeine Mordkomplotte zu schmieden und zu realisieren. Skrupel, wenn es um Menschenleben ging, kannten die Politiker und von Neid zerfressenen Konkurrenten nicht. Der Freund des Prinzen Eugen, nämlich der päpstliche Legat Domenico Passionei vernahm vom Kaiser die Meinung, ohne seine Diener wüsste er gar nichts was in Wien vorginge. Von Mordanschlägen auf den Kaiser selber wurde offiziell nichts überliefert. Jedoch eine Notiz im Tagebuch Karls VI. vom 9. September 1732 in verschlüsselter Form deutete auf ein ihn geplantes Attentat. Die erste Attentatsdrohung war es freilich nicht. Natürlich war er wegen seiner Erbfolgepolitik ein geeignetes Opfer, und daher die von ihm von der europäischen Welt abverlangte Pragmatische Sanktion ein gewogenes Motiv. Vielleicht wiesen Spuren zu seinem ärgsten Widersacher Karl Albrecht von Bayern? Oder zu einer seiner Nichten, den "josephinischen" Erzherzoginnen? Genug Feinde hatte ja der Kaiser in und außerhalb seines Reiches. Oder lagen dahinter vielleicht die Strukturen eines aus heutiger Sicht nicht beweisbaren Dramas der Eifersucht?
Der Kaiser war ein Mensch, der aus Fehlern lernte – hauptsächlich aus Fehlern, wie er sie als junger Mann in Spanien begangen hatte. Er versuchte seine Verwaltungsarbeit besser in Angriff zu nehmen und wirkte an wichtigen Konferenzsitzungen mit. Zugegeben: Hatte er doch als Kaiser in den Angelegenheiten die Regierungsarbeit seinen Ministern der Geheimen Konferenz überlassen. Unkontrolliert. Für ihn war bestimmt die Monarchia Austriaca ein überzüchtetes Staatsgebilde, das wirklich schwer zu überschauen war und als Moloch das stets als abstraktes Monstrum Kriegsunternehmungen vollzog – abgesehen von finanzbedingte und winterliche "Ruhepausen". Dass Karl VI. sich in seinen letzten Regierungsjahren so gut wie gar nicht um die Staatsgeschäfte gekümmert haben mochte, mag sicherlich – einseitig – betrachtet zutreffen. Doch in Wahrheit hatte er vor der Unfähigkeit und Starrsinnigkeit seiner teilweise überalterten bis senilen Beraterschar, allesamt hochbesoldete Staatsbeamte adeliger Herkunft, und der allzu komplizierten Verwaltungspolitik kapituliert und resigniert. Ein Verwaltungs-Herkules war er jedenfalls nicht. An Reformen schien er gar nicht – vielleicht nur inoffiziell – gedacht zu haben. Aber was hätte es denn definitiv ändern können. Auch Joseph I. hatte bei Konferenzsitzungen seine liebe Not gehabt: Ich meine bloß, es war beruhigend zu wissen, dass für die damaligen ahnungslosen Zeitgenossen es einen zufriedenen Kaiser Joseph I. gab, der in den Mußestunden während politischer Konferenzen nichts anderes zu tun aufbrachte als originelle sadistische Hinrichtungsszenen auf Protokolle mit Rußtinte zu zeichnen ... Warum gerade Hinrichtungsszenen? Vielleicht hatte der junge Habsburger etliche Zeitgenossen dermaßen gehasst, dass er sie am liebsten an den Galgen gewünscht hätte. Verschlüsselte Auftragsmorde? Karl VI. schrieb seine Anordnungen und Gesetzestexte praktisch unleserlich. Von seinem schriftlichen Konvolut mussten lesbare Abschriften erstellt werden – anders wären Veröffentlichungen von Gesetzeswerken und auszuführenden Befehlen nicht möglich gewesen. Wohl wusste Karl VI., dass hinter der Fassade der österreichischen Monarchie der Kalk rieselte ... Wem mag dies verwundern, nach gravierenden Misserfolgen. Ihm genügte, dass durch die Pragmatische Sanktion – aus seiner letztalthabsburgischen Sicht – die Unteilbarkeit seines Staates und Erbfolge im carolinistischen Frauenstamm gewährleistet war. Für einen Herrscher opulenter Geisteshaltung – ganz auf Karl VI. zugeschnitten – konnte dieser Riesenstaat zu einem undurchdringlichen und unkontrollierbaren Moloch werden, der völlig anderen Spielregeln gehorchte als beispielsweise ein beliebiger Kleinstaat oder ein Miniaturfürstentum. Je größer ein Staat, umso größer seine Irrtümer nach Innen und Außen. Aber allgemein war das für einen Machthaber sowieso unerheblich …

Ein neuer Diplomat und Politiker#

Wenzel Anton Dominik von Kaunitz-Rietberg, nachmaliger Staatskanzler unter Maria Theresia
Wenzel Anton Dominik von Kaunitz-Rietberg, nachmaliger Staatskanzler unter Maria Theresia, um 1749/50; Rathaus Aachen. Auf diesem Ganzporträt sieht Kaunitz-Rietberg wie die Kaiser Karl VI. und Franz I. Stephan aus ... - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Karl VI. erkannte einem kaum erwarteten Wunder gleich, die Qualitäten – oder war es bloß nur Zufall? – des 24 Jahre zählenden Wenzel Anton Dominik von Kaunitz-Rietberg und berief ihn in der letzten Januarwoche 1735 in den kaiserlichen Dienst als kaiserlicher Reichshofrat. 18 Jahre danach diente er unter Maria Theresia als Staatskanzler. In der Auswahl dieses fähigen weltgewandten Diplomaten zeigte sich ein Lichtblick der Begabung Karls VI. in zukunftsorientiertem politischem Handeln. Purer Zufall? Schicksal?
Der Kaiser war bereit aus Fehlleistungen zu lernen. Obwohl es schon ein bisschen zu spät war. Vielleicht war die Bestellung des jungen Kaunitz-Rietbergs eine Korrektur für spätere Tage? Ob der Kaiser in diesem Fall eigenwillig handelte oder ein Empfehlungsschreiben – allgemein ein normales Vorgehen und nur adelige Herkunft wurde geduldet – das bleibt dahingestellt. Nach 1740 wird Kaunitz-Rietberg die Politik des Reiches leiten.
Jedenfalls legte Karl VI. mit dem jungen Verwaltungsjuristen die Furchen für die Zukunft Habsburg-Österreich.

Anmerkung

[1] Elisabeth Großegger: Mythos Prinz Eugen. Inszenierung und Gedächtnis. Wien - Köln - Weimar 2014, Seite 48