Huldigungsreisen und Krönungen#
Inhaltsverzeichnis
- Huldigungsreisen und Krönungen
- Huldigung durch die Tiroler Landstände
- Krönung zum König von Ungarn
- Huldigung durch die niederösterreichischen Landstände
- Gent achtet den (abwesenden) Kaiser
- Kutschenfahrten
- Huldigung durch Böhmen, Mähren, Schlesien und Eger - Krönung zum König von Böhmen
- Huldigung durch die steiermärkischen Stände
- Endlich in Klagenfurt und Triest
- Über dem Semmering nach dem Süden
- Karlsbad und bei Prag ein Treffen mit dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm I.
- Huldigung durch die oberösterreichischen Stände und eine Geburtstag-Oper für die Kaiserin
- Aufenthalt im Augustiner-Chorherrenstift St. Florian
Die Huldigungsreisen waren keine Urlaubsreisen des Kaisers, obwohl er seine Freizeit stets mit der leidenschaftlich betriebenen Jägerei verbunden hatte. Sie waren ständig vom Tross des Hofes – und der bestand aus zweitausend Personen – mitsamt dem diplomatischen Corps begleitet. Fast steigt da die Erinnerung an die Ära des Mittelalters auf, in der die Kaiser von einer Pfalz zur anderen reisten. Wo sich Kaiser Karl VI. aufgehalten hatte, das war der Mittelpunkt des über neunhundert Jahre bestehenden römisch-deutschen Reiches. Im Mittelalter war das so ziemlich normal, wenn ein Herrscher von einer Pfalz zur anderen reiste. Jedenfalls führten die Spuren stets in die Aachener Pfalz. Jedenfalls lag das in Karls VI. Zeit Jahrhunderte zurück und reisen tat er eigentlich nur wenig. Das war der Unterschied von ihm zu seinen mittelalterlichen Vorgängern.
Nach der Kaiserwahl und –krönung folgte für Karl VI. der obligatorische Formalakt der Erbhuldigung. Noch unter seinen Vorgängern Leopold I. und Joseph I. war diese Handlung eine langsame und bedächtige, aber unumgänglicher Anerkennungsakt von seitens der jeweiligen Stände. Unter dem neuen Monarchen vollzog sich diese Huldigung unter gänzlich andere Voraussetzungen und im sehr "schnellen" Tempo.
Huldigung durch die Tiroler Landstände#
Noch vor der eigentlichen Kaiserkrönung huldigten die Tiroler Landstände dem neuen Kaiser während seines Aufenthaltes in Innsbruck vom 20. November bis 4. Dezember 1711. Den Tirolern sicherte er ihnen innerhalb des Erbhuldigungs-Landtages sämtliche Freiheiten zu. Allerdings zum letzten Mal und durchbrach damit eine Tradition seiner Vorgänger – die Tiroler konnten sich glücklich schätzen, dass mit dem 18. März 1712 die Bestätigung ihrer Freiheiten vollzogen worden war.
Krönung zum König von Ungarn#
Am 22. Mai 1712 wurde Karl VI. in Pressburg (damals ungarisch) von Kardinal Christian August von Sachsen (Herzog von Sachsen-Zeitz) mit der Stephanskrone (mit dem schiefen Kreuz) zum König von Ungarn gekrönt – als "III. Károly magyar király (Karl III. von Ungarn). Die Stephanskrone brachten die Subalternen aus der Wiener Schatzkammer mit, wo sie vor dem Zugriff der ungarischen Rákóczi-Anhängerschaft vorübergehend verwahrt wurde.
Der Kaiser, gewandet in magyarischer Magnatentracht, hatte es sonderlich eilig mit der ungarischen Krönung, weil immerhin die Gefahr bestand, dass magyarische Rebellen in Übereinkunft mit der Hohen Pforte möglicherweise sich den Status der Unabhängigkeit zunutze machen könnten. Als offizieller König von Ungarn wäre Karl VI. seiner Untertanen doch irgendwie versichert ... Übrigens zwei Jahre später wurde die Kaiserin im Oktober 1714 zur Königin von Ungarn gekrönt. Die Universität Wien brachte eine Huldigungsschrift anlässlich der ungarischen Krönung heraus. Nach der Oktobermitte wohnte das Kaiserpaar jeweils bei der Hin- und Rückreise im Schloss Petronell, das dem Grafen Ehrenreich von Traun gehörte. Während des Besuches gravierte der Kaiser mit seinem Brillantring eine Inschrift auf eine Butzenscheibe. Eigentlich ein Akt einer gewissen Überheblichkeit, nur zu beweisen, dass Diamant härter sei als Glas … Dieses solcherart zur Kostbarkeit erhobene Objekt wurde als Spiegel in einen Rahmen gefasst. Daneben besuchte der Monarch das Trautsonsche Gestüt, wo der Kaiser die Pferdezucht des Adeligen bewunderte.Huldigung durch die niederösterreichischen Landstände#
Fünf Monate darauf widerfuhr dem Kaiser die erfreuliche Huldigung durch die Stände des Landes unter der Enns (Niederösterreich) am 8. November 1712 in Wien. Der glanzvolle Festakt begann mit der Abholung des Erzherzogshutes aus dem Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg, der dann symbolisch für den höchsten Landespatron hl. Leopold III. von Österreich, zusammen mit Kaiser Karl VI. im Zug der aufmarschierenden Ständevertreter über den Graben (entlang an der von Kaiser Leopold I. gestifteten Pestsäule) in den Stephansdom geführt wurde. Der wirkliche Huldigungsakt der niederösterreichischen Stände zu Ehren des Kaisers fand im Rittersaal der Hofburg statt. Dem Kaiser wurde eine Lobeshymne gewidmet. Sie lautete: "Das große Himmelslicht staunt über den unerhörten Glanz, den Ehrwürdige Majestät verbreitet. Der Erdball ist für Ihre Thaten ein zu kleiner Schauplatz. Ihre treuen Unterthanen glauben daher den Gipfel des Glücks erreicht zu haben, nun ihnen die Erlaubnis zu Theil geworden ist, sich Ihnen zu Füßen werfen zu dürfen. Das goldene Zeitalter war im Vergleich zu dem jetzigen, in dem wir die Sonne unserer Glückseligkeit strahlen sehen, ein eisernes."Gent achtet den (abwesenden) Kaiser#
1717 huldigte die Stadt Gent in Flandern Karl VI. als Graf von Flandern. Nur letzterer kam wegen des schwerwiegenden Barriere-Vertrages vom 15. Dezember 1715 nie nach Belgien. Ausgerechnet Gent, wo sein unerreichbares Vorbild Kaiser Karl V. am 24. Februar 1500 als erster Sohn Philipps des Schönen von Burgund und Johannas von Spanien ("Johanna die Wahnsinnige") geboren wurde. Die feierliche Inauguration Karls VI. als Graf von Flandern fand am 18. Oktober 1717 in der Kirche St. Bavo in Gent statt. Er wurde durch den Marquis Ercole de Prié vertreten.Kutschenfahrten#
Obwohl seit 1712 offiziell Schiffsverkehr auf der Donau bestand, nämlich die "Ulmer Schachtel", die als robustes Holzschiff den regulären Verkehr ab Ulm aufnahm, wurde lieber der wankenden, ächzenden Kutsche der Vorzug gegeben. Ein Rad- oder Achsbruch – keineswegs selten – war noch leichter zu verkraften, als ein Wasserbad mit Ertrinkungstod als schlimmste Folgeerscheinung. Schon in den Jugendtagen Karls VI. warnte Abraham a Sancta Clara (1644 – 1709) längst vor den gefährlichen Strudeln der Donau westlich der Wachau.
Die Wagenburg des Kunsthistorischen Museums in Wien im Schloss Schönbrunn besitzt zwar keine eindeutig zugesicherte original erhaltene Prunkkarosse aus der Zeit Karls VI., aber dafür geben sie eine recht gute Vorstellung wie so eine Kutschenreise ein prominenter Habsburger durchzustehen hatte. Für kürzere Strecken genügten auch Sänften. Karl VI. gab einmal die Anordnung, dass seine hochschwangere Ehegefährtin, um eine Früh- oder Fehlgeburt zu vermeiden, mit einer etwaigen Sänfte transportiert, die von starken, ausdauernden Trägern geschleppt werden musste.
Das Reisen mittels Kutsche war so eine spezielle Sache. Bei emsigem Pferdewechsel und Gebrauch der staubigen, holprigen oder schlammigen Landstraßen, dichten urigen angsteinflößenden Wald und Forst, stürmischer Regen und Schnee, wurden beispielshalber innerhalb einer zügigen Tagesfahrt im Schnitt etwa 90 bis 100 Kilometer, vergleichbar die Strecke Wien-Melk (heute etwa eine Autostunde!), zurückgelegt. Ich brauche hier nicht mehr zu erwähnen, in welcher zerschlagenen Konstitution der jeweilige Kutscher und zwangsläufig mit ihm seine Passagiere nach stunden-, tage- oder wochenlanger Fahrt am Ziel eingelangt waren. Reisetoilette, Pferdewechsel und Rastpausen in eigens an den dürftigen Hauptverkehrsrouten errichteten Poststationen inbegriffen. Von den Begleittruppen seiner kaiserlichen Majestät und der ebenfalls in Kutschen und Wagen transportierten Hofgesellschaft mitsamt Personal nicht zu sprechen.
Huldigung durch Böhmen, Mähren, Schlesien und Eger - Krönung zum König von Böhmen#
Sechs Jahren flossen die ungeheuren Wasser der Donau und Moldau hinab, bis auch die Huldigungsfahrt nach Böhmen in Angriff genommen werden konnte. Die Ursachen der Verspätung resultierten aus den Folgeerscheinungen des Spanischen Erbfolgekrieges, der neu aufgeflammte Türkenkrieg 1716/18 und der hartnäckige Protestantismus in Böhmen daselbst. Dazu lag die für die Böhmen fürchterliche Niederlage am Weißen Berg 1620 erst Hundert Jahre zurück. In so einem Augenblick die Untertanen zu brüskieren, war auch für den Wiener Hof eine unangenehme Situation. Eine wesentliche Triebfeder zur Fahrt nach Böhmen war auch der allgemeine Aberglaube. Der Kaiser dachte angeblich wirklich an eine uralte Volkslegende aus Böhmen, nach der nur ein gesalbter und gekrönter König einen Stammhalter bekommen könne. Jedenfalls eine traditionelle Erzählung, die den Kaiser wahrscheinlich überreizt hatte. So erschien die längst fällige Huldigungs- und Krönungsfahrt nach Prag in einem möglicherweise anderen Licht. Aber der Kaiser galt als fromm und gläubig. Auf einmal war er völlig abergläubig? Warum sollte er nicht in einem Akt des sorgenbefreienden Aberglaubens nicht das Heil für sein Problem sehen. Der Zweck heiligte schon damals die Mittel. Die Reise begann am 19. Juni 1723 und führte über Schönborn, Znaim, Kolin und endete am 30. in Prag, wo dem Kaiser ein unmajestätischer und ungebührlicher Wettersturz empfang. Am 4. September huldigten wohl murrend und nach einer Weile guten Zuredens die Stände Böhmens (Mähren, Schlesien, Glatz und Eger) Císaře Karla VI. / Kaiser Karl VI. Übrigens schenkte ihn die Stadt Eger einen Kabinettsschrank mit Deditationsmotiven, einen Stammbaum der Habsburger und vier Erdteilen sowie vier Weltherrschaften (Wien, Museum für angewandte Kunst in Wien). Die Eidesformel sprach der Habsburger in barockdeutscher und tschechischer Sprache aus, und am nächsten Tag wurde er im Prager St.-Veitsdom mit der Wenzelskrone zum König Karel (II.) von Böhmen gekrönt. Eine rare Besonderheit war, dass sich diesmal Prinz Eugen unter den anwesenden Ehrengästen befand. Die letzte Königskrönung eines Habsburgers, Leopold I. (14. September 1656), lag 66 Jahre, 11 Monate, 3 Wochen und einen Tag zurück. Für die Menschen war das freilich eine Abwechslung. Für Kulturhistoriker unserer Tage ist dieses Dokument habsburgischer Machtfülle eindrucksvoll. Die Gesamtkosten des prächtigen Ereignisses stiegen auf 1,825.000 Gulden. Davon brachten die Böhmischen Stände ganze 300.000 Gulden auf. Der hohe Anlass reichte selbstverständlich, um zuvor brachliegende Straßen zu reparieren beziehungsweise Straßenbeleuchtungen in den drei Städten (Altstadt, Neustadt und Kleinseite) zu installieren. Ein imposantes Ansehen der habsburgischen Autorität fand hier an der Moldau statt. Ein gewisser Königlicher Statthalterischer Secretario Gottfried Joseph Martin hatte diese ereignisreichen Tage in wunderlichen Barockdeutsch und reich an Details zu Buche gebracht. Auch der Jagdleidenschaft des Kaisers wurde genüge getan. Dazu begab er sich in die wald- und tierreiche Umgebung Prags. Eine bemerkenswerte Reaktion auf Karls VI. Besuch in Böhmen lieferte Franz Ferdinand Graf von Kinski, welcher sein kürzlich vom eingedeutschten Italiener Giovanni Santini neuerbautes Schloss bei Chlumetz an der Ciedlina (Chlumec nad Cidlinou) kurzerhand "Karlskron" ("Karlova Koruna") taufte. Die Rückfahrt des Kaisers ereignete sich vom 6. bis 13. November.Huldigung durch die steiermärkischen Stände#
Im Vorfeld der längst fälligen Huldigungsreise Karls VI. in die Steiermark, verlangte er über dem am 16. März 1728 abgehaltenen Landtag der steiermärkischen Stände die Erstattung der Kosten der Huldigung, dazu ein Geschenk im Wert von 40.000 Gulden und eine Anleihe in derselben Höhe. So löste der Kaiser jedes Finanzierungsproblem. Die Erbhuldigung in den Ländern Innerösterreichs folgte noch im Sommer 1728. Die Reise startete vom Schloss Laxenburg in Niederösterreich am 17. Juni 1728. Dann gab es einen Aufenthalt in Wiener Neustadt. Die Fertigstellung der Semmering-Pass-Straße wurde mit der Eröffnung am 21. Juni 1728 festlich begonnen. Der gesamte kaiserliche Tross erklomm die natürliche Grenze zwischen den Ländern Niederösterreich und Steiermark, und das auf 985 Meter Seehöhe. Die altgewohnte schwierige Route bestand schon im Mittelalter und bedurfte einer leichteren Befahrung. Die Kaiserfamilie zeigte sich über die damals beeindruckende Route begeistert. Zwei Tage später erschien der Kaiser in Graz, wo er in der Grazer Hofburg Aufenthalt nahm. Das Gemäuer wurde noch unter Friedrich III. im Spätmittelalter begonnen und bis ins 17. Jahrhundert ständig ausgebaut. Die Reise des Kaisers erinnerte an die Reisen der Kaiser im Mittelalter, die von einer Pfalz zur anderen mühevoll gelangten. Währen des Aufenthaltes in Graz kamen auch ein ganzer Tross ausländischer Diplomaten zur Erbhuldigung in Graz. Während des Graz-Aufenthaltes besichtigte der Kaiser das Mausoleum, ein barockes Bauwerk mit einem europäischen Seltenheitswert. Ein Blick auf den Grazer Schlossberg wird ihn gewiss gefallen haben. Die Silhouette des uralten Grazer Uhrturms wird ihm beeindruckt haben. Die fünf Meter langen Zeiger stammten aus dem Jahr 1712, dem Jahr in dem er erstmals als Kaiser nach Österreich zurückkehrte. Mit dem Kaiser war der gesamte Verwaltungsapparat des Reiches mitgekommen. Erholung? Höchstens bei der Jagd. Offenbar zwischen dem 23. Juni 1728 und 30. Juni 1728 jagte der Kaiser im Kaiserwald und in Schachen. Die Verwaltung des Habsburgerreiches kannte kein Ende. Nun war die Huldigung zu absolvieren:] Zuerst am 6. Juli durch die steiermärkischen Stände in Graz mit viel Prunk, Musik und Zeremoniell. Durch Eidesleistung wurde Kaiser Karl VI. in seiner Eigenschaft als unmittelbarer Herr des Landes (!) Herzog der Steiermark. Drei Jahre später billigte er ihnen ihre Landhandfesten ("Georgenberger Handfeste" von 1186). Die Grazer Huldigungsfeier war in ihrer Art die letzte prächtige Huldigung eines Landesfürsten. Auch hier konnte sich der Aufwand sehen lassen, der ergiebige 600.000 Gulden verschlang. Außerdem finanzierten die steiermärkischen Stände noch im gleichen Jahr die Herstellung eines von dem landschaftlichen Syndicus und Obersekretär Georg Jakob Edler von Deyerlsberg herausgegebenen Kupferstichwerkes, das die Grazer Erbhuldigung zum Inhalt besaß. Der Einzug Karls VI. zur Huldigungszeremonie in Graz wurde, damit dieses für die steiermärkische Geschichte bedeutungsvolle Ereignis nicht in Vergessenheit geriete, vom bodenständigen Künstler Franz Ignaz Flurer als Grisaille-Ölgemälde (basierend auf seinen Entwürfen für die von Deyerlsberg herausgebrachten Kupferstiche) festgehalten.Endlich in Klagenfurt und Triest#
Karl VI. sah noch den Reiseplan durch: Nächste Ziele waren Klagenfurt, Laibach, Görz, Triest und Fiume. Sechs Wochen danach, am 22. August, war Klagenfurt die nächste Station des umfangreichen Huldigungs- und Reiseprogrammes. Der eigentliche Feier-Akt fand am Neuen Platz wo sich auch der Lindwurmbrunnen seit dem 16. Jahrhundert befindet statt. An dieses Ereignis erinnert das 1739/40 vom bedeutenden Kärntner Freskanten Josef Ferdinand Fromiller gemalte Deckenfresko im Wappensaal des Kärntner Landhauses. Dazu eine Bemerkung. Gegenüber dem dinosaurierartigen Monstrum steht ein keulenschwingender Herkules (Gründungssage Klagenfurts) – wäre da nicht auch eine verfrühte Assoziation zum Herkules Karl VI. gegeben? Damals, während des Kaiserbesuches, war die Landeshauptstadt noch von den Spuren einer fünf Jahre zurückliegenden Brandkatastrophe [16. August 1723] gekennzeichnet gewesen. [Ich glaube kaum, dass der Kaiser in Klagenfurt übernachtet hatte. Die Stadt war in einer Phase der Wiederherstellung. Und wenn er doch hier einige Zeit verbracht hatte, dann im älteren Trakt des Klagenfurter Landhauses oder in einem der Landschlösser des Kärntner Hochadels.] Das Herzogtum Krain und die Hafenstadt Triest waren die letzten Stationen, zu denen der Herrscher mitsamt seinem großen Gefolge über die kurz zuvor fertiggestellte Loibl-Passstraße anreiste.Aus Dank an Kaiser Karl VI., welcher den Hafenort Triest wirtschaftlich zu einem Hauptknotenpunkt an der Adria erhöht hatte, und aus Dank für seinen persönlichen Besuch, wurde an der Ostseite der heutigen Piazza Unità d’Italia 1728 eine Ehrensäule Kaiser Karl VI. errichtet. Der Platz war seit dem Mittelalter das Zentrum der Stadt Triest.[1] Das Standbild des Habsburgers wurde vom Venezianer Lorenzo Fanoli geschaffen. Die meisten Bauwerke im Umfeld wichen neueren Bauten des späten 18. Jahrhunderts. Der Kaiser blickt gegen das Meer – heute über eine stark befahrene Verkehrsroute.
Über dem Semmering nach dem Süden#
Am 23. September kehrte Karl VI. über Laibach (Ljubljana/Slowenien) zurück nach Graz wo seine Elisabeth Christine mit beider Tochter Erzherzogin Maria Theresia verblieben war. Die Reise an den Wiener Hof startete am 5. Oktober.
Rückblickend gesehen waren eine Zehentverordnung und der Bau der Semmeringstraße die neuesten Anordnungen des Kaisers. Auf dem höchsten Punkt der Passstraße, 985 Meter Seehöhe, erinnert ein, hinter heutigen Bauwerken versteckt, am Waldesrand, ein halbwegs mächtiges steinerne Denkmal mit einem Globus mit Kaiserkrone, Monogramm Karls VI. und vier Kaiseradlern an den geistigen Urheber der inzwischen intensiv befahrenen Höhentrasse. Das robuste Monument wurde im Auftrag der Stände Innerösterreichs nach einem Entwurf Joseph Emanuel Fischers von Erlach 1728 geschaffen. Dieser hatte auch die Leitung über diese technische Glanzleistung des 18. Jahrhunderts. Man brauchte nur 48 Tage Bauzeit! Dem Kaiser war nur daran gelegen, einen unbeschwerteren Handelsweg in den Süden zu errichten. Das ungewöhnliche Gedenkmonument wurde 1808 von den Ständen der Steiermark restauriert. Der lateinische Text enthält einen Lobesruf für den Kaiser, welcher die elende Route durch eine bequemere Bergstraße ersetzen ließ.
Wo sich der Kaiser während seiner monatelangen Reisen auch aufhielt, verbrachte er die meiste Zeit mit dem Kennenlernen wichtigster Vertreter aus Adel und Klerus. Während andere Fürsten ihre Zeit mit Bällen, Feste, Spiel und Tanz verschwendeten, nützte Karl VI. sie durch intensive Kontaktnahme mit den ranghöchsten adeligen Untertanen, um in ihnen eine aktive, starke Stütze für sein jeweiliges König- oder Fürstentum zu finden. Der Himmel weiß, was er allen alles versprechen musste. Nur so konnte Karl VI. absolutistisch regieren.
Karlsbad und bei Prag ein Treffen mit dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm I.#
Manches Reiseunternehmen diente auch der Gesundheit des Kaisers, der mit den Jahren immer mehr an körperlichen Gebrechen litt. Zum Beispiel die Fahrt nach Karlsbad, wo er sich vom 18. Juni bis zum 12. Juli 1732 aufgehalten hatte. Über den Erfolg wurde nichts Wesentliches überliefert. Eine Überraschung widerfuhr dem Monarchen, als er erfahren musste, dass der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. beabsichtigte einen Besuch abzustatten. Der kaiserliche Hof begann zu rotieren. Eigentlich war es von seitens des Hohenzollers eine unerwartete, spontane Geste des Kennenlernens. Karl VI. kam dies äußerst gelegen. Nur vom Zeremoniell her bedingte Verschlechterungen ließen dieses Ereignis fraglich erscheinen. Der Mangel an Spontanität bei Karl VI. war oft ein Hemmnis in staatspolitischen Fragen nach Innen und nach Außen. Man muss beachten: Karl VI. war ultrakonservativ und Friedrich Wilhelm I. orientierte sich an der Aufklärung. Am 31. Juli traf er vormittags mit dem König in Kladrup bei Prag zusammen. Anfangs entwickelte sich das Treffen zu einem herzlichen Ereignis, das dann zu einem halbstündigen Vieraugengespräch bei einer Festtafel mit Weingenuss zusammenschrumpfte, ohne nennenswerte außenpolitische Ergebnisse gezeitigt zu haben. Ich möchte hoffen, dass beide Fürsten bei ihrer so schwierigen Begegnung sich nicht gegenseitig mit "Eure Majestät" tituliert wie duelliert hatten. Das außenpolitische Leben war mit den zeremoniellen Belangen sowieso sehr schwer durchführbar. Wahrscheinlich wurden Pläne einer Heirat zwischen dem abtrünnigen Sohn des "Soldatenkönigs", Friedrich (Friedrich II., der Große) und der Nichte der Kaiserin, Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Lüneburg-Bevern ansatzweise diskutiert. Aber so schlecht war das glanzerfüllte Treffen zwischen Kaiser und Preußenkönig nicht erschienen, denn der Kaiser stellte dem kunstinteressierten König einen adeligen Gesellschafter zur Seite. Außerdem bekam Prinz Eugen die unwiederholbare Gelegenheit den Hohenzoller und dessen Außenpolitik besser kennenzulernen. Am 3. August besuchten Karl VI. und Friedrich Wilhelm I. die Bildergalerie und Schatzkammer des Hradschin in Prag. Dann noch einmal konnte sich der Habsburger zu einer spontanen Zusammenkunft (angeblich ohne Nutzen) mit dem Preußen aufraffen. Eine besondere Geste musste es gewesen sein, dass der Kaiser mittels Überbringer eine kostbare goldene Tabakdose Friedrich Wilhelm I. darreichte. In diesen Tagen, vom 1. bis 5. August, war Prag, die goldleuchtende Stadt Sitz zweier Höfe, der des Kaisers und des Königs in Preußen.Die Annäherung Österreichs zu Preußen, trotz der Salzburger Protestantenvertreibung, musste den übrigen Bündnispartnern Großbritannien und Holland – eventuell dem Feind Frankreich – einiges an Kopfzerbrechen geliefert haben.
Huldigung durch die oberösterreichischen Stände und eine Geburtstag-Oper für die Kaiserin#
Im Reiseplan Karls gab es noch einen Punkt, den er absolvieren musste: Die Erbhuldigung in Linz. Er verließ Böhmen in Richtung Oberösterreich, das damals als Land ob der Enns bekannt war. Am 22. August 1732 übernachtete Kaiser Karl VI. auf der Reise nach Linz an der Donau zur Erbhuldigung der oberösterreichischen Stände in Freistadt. Die dortige Bürgerschaft wurde zuvor durch kaiserliche Instruktion ermahnt Sauberkeit in ihrem Ort walten zu lassen, bei der Ankunft des Kaisers zu paradieren und Kanonenschüsse abzugeben. Tausend Gulden gab der Salzburger Erzbischof Leopold Anton Graf von Firmian für sein Quartier im einstigen Schloss Hagen in Linz-Urfahr, nur um der Erbhuldigung des Monarchen beiwohnen zu können. Das dafür aufzuwendende Geld schien der Erzbischof den damals verärgerten Protestanten abgenommen haben. Das wunderschöne Schloss wurde Anfang der 1960er-Jahre in einem Anfall kommerzieller Einfalt abgerissen. Karl VI. hatte wohl mit Erzbischof Firmian einen bedeutungslosen Smalltalk über die Salzburger Protestantenfrage unterhalten – folgenlos. Später begab Karl VI. sich in das Linzer Schloss, wo einst der spätmittelalterliche Kaiser Friedrich III. als Mystiker residierte und auch zuletzt dort starb. Der Blick auf die Donau und dem Pöstlingberg könnte Karl VI. etwas erquickt haben. Am 10. September 1732 huldigten ihm die oberösterreichischen Ständevertreter. Nahezu zur gleichen Zeit fand im Kloster Kremsmünster ein Hexenprozess wegen Hostienschändung statt.In den Abendstunden erfreute sich der Kaiser samt seiner Familie und Hof an der im Schlossgarten (?) gegebenen Darbietung einer langatmigen Oper, die aus Anlass des Geburtstages der Kaiserin am 28. August gegeben wurde: "L’Asilo d’amore" (Der Zufluchtsort des Amors). Das Libretto stammte von Pietro Metastasio und die Musik von Antonio Caldara.
Der italienische Bühnenbildner Giuseppe Galli da Bibiena verwendete transparente Dekorationen, die von 4.000 Kerzen erhellt wurden. Im Hochbarock war diese Bühnentechnik wegen ihrer Farbpracht sehr beliebt und viel später wurden Mozart-Opern im Rokoko so gleichermaßen dargebracht. Das Linzer Opernwerk wiederum war ein kulturelles Ereignis, bei dem sich der Kaiser von den Anstrengungen der Last des Repräsentierens erholen konnte. Vielleicht döste er dabei ein wenig?
(Und heute haben wir "Ars Electronica".)
Aufenthalt im Augustiner-Chorherrenstift St. Florian#
Einige Tage später, es war der 27. September 1732, besuchte das kaiserliche Ehepaar – als weiteren Höhepunkt der Erbhuldigungsreise – auf der Rückreise von Steyr nach Linz wieder das Stift St. Florian, wo es den völlig vollendeten prachtvollen Marmorsaal besichtigte. Der nachmalige Probst Johann Georg Wiesmayr zeigte ihnen den in rotweißrot gehaltenen Saal. Martin und Bartholomäus Altomonte, Ippolyto Sconzani schufen das imposante Deckenfresko, das von realen Doppelsäulen getragen wird. In dem Monumentalwerk steigert sich der Habsburgerverherrlichende Triumph über das Finale der Kriege gegen die Osmanen mit Kaiser Karl VI. "Imperium sine fine dedi" (etwa "Ein Reich gebe ich ohne Ende"); an den schmäleren Saalwänden über den Kaminen jeweils ein Ölgemälde "Prinz Eugen" und "Karl VI." als Reiterbildnisse.
[1] Bei Triest existierte im 19. Jahrhundert eine Werft. Aus ihr kam die SMS Kaiser Karl VI., ein österreichisch-ungarischer Panzerkreuzer, der im Ersten Weltkrieg eingesetzt und danach abgewrackt wurde.