Die Kunstsammlung des Kaisers#
Einstige Stallburggalerie#
Die von 1717 bis 1728 von Claude LeFort du Plessys gestaltete Stallburggalerie befand sich vierkantig in dem obersten Stockwerk über den Reitställen der Lipizzaner. In elf originell gestalteten Sälen und Räumen befanden sich 823 Gemälde und in den verglasten Vitrinen zahllose Kleinkunstwerke aus unterschiedlichsten Epochen und Materialien – Von der Porträtbüste bis zu kleine Sakralgegenstände. Dazu standen etliche Exponate nachästhetischen Gesichtspunkten an den Wänden oder auf Halbtischen. Nach wissenschaftlichem Gesichtspunkt wurde sie nicht eingerichtet, sondern im Geschmackstil des Fürsten allgemein der Epoche. Den Großteil der bestände hatte Karl VI. ererbt. Sein Großonkel Leopold Wilhelm (gest. 1662), hatte tausende Objekte gesammelt und sie in den Standorten Schloss Ambras und Wien verteilt. Markante Gemälde waren etwa Pieter Bruegels d. Ä. "Turmbau zu Babel" (1563) – das Bild "Bauernhochzeit" (1568) war offenbar aus Standesdünkel nicht in den Räumen eingegliedert; im Turmbau ist links unten der alttestamentarische König Nimrod (!), der Bauherr dieses Gebäudes zu erblicken. Auffallend auch Kunstwerke mit religiösen Inhalten. Karl VI. hatte sich in Spanien Anregungen geholt und auch entsprechende Werke mitgebracht. So hatte er die 200 Objekte umfassende Kunstsammlung des letzten Admirante von Kastilien erworben. Daraus könnte das vom eher wenig bekannte Weltkünstler Antonio Pereda y Salga geschaffene Gemälde "Vergänglichkeit" (um 1634) entnommen worden sein. Es sprach das Gewesene an Kaiser Karl V. unter dem die Sonne niemals unterging an. Jedenfalls sammelte der Kaiser alles was mit Weltherrschaft zu tun hatte – aber auch das, was ihn daran, und auch sein personelles Umfeld daran erinnerte.Eines noch: Dieses Gemälde entsprach den Intentionen Karls VI. als religiös lebenden Menschen ...
Sammelleidenschaft?#
Ist das wirklich die Leidenschaft eines – wie moderne Kulturphilosophen meinen zu glauben – Privatmannes? Weitere Meisterwerke wurden noch unter Karl VI. angeschafft: Künstler vom Weltrang und aus den Niederlanden: Holbein, Van Dyck, Hals, Rembrandt. Das Bildnis "Jane Seymour" (nach Geburt eines Sohnes verstorbene Ehefrau von Heinrich VIII.) dürfte die Kaiserin verärgert haben. Wohl auch das verkappt erotische Bild "Das Pelzchen". Als leidenschaftlicher Jäger dürfte wohl auch das auf Francesco Bassano zugeordnete Bild "Die Jagd" begeistert haben. Die Galerie des höchsten Privatmannes auf Erden konnte jeder Besucher – natürlich nach Voranmeldung – besichtigen und konnte sich sozusagen als Gast des Kaisers fühlen. Ferdinand Storffer – er stammte aus Oberösterreich – hatte ein dreiteiliges Inventar mit kunstvoll gemalte Miniaturabbildungen geschaffen (KHM). Dieses wertvolle Inventar nahm bereits die moderne Ausstellungspublikation vorweg. Was da in der Galerie aufgestellt und montiert wurde war das Höchste an Geschmack. Interessant war damals der Blick aus den Fenstern. Bei schönem Wetter waren die Wienerwaldberge der damals unverbauten Landschaften vor der Residenzstadt zu sehen – so ähnlich, wenn wir aus den Fenstern des Staatsvertragssaals im Oberen Belvedere sehen. In den 1770er Jahren wurde die Galerie in das Belvedere übertragen und zuletzt vor dem Fin de siecle 1900 in das Kunsthistorische Museum Wien, wo sie in den Gesamtbestand aufgegangen ist.Angesichts vieler anonymer Bildnisse Karls VI. sind leider viele Maler, Porträtisten und Kopisten im Dunkel der Kunstgeschichte versunken ... Wer weiß, wie lange er Modell saß oder stand? Wer weiß wie lange er es genoss, den zarten harzigen Duft frischer Ölfarben ...? Aber seien wir uns doch ehrlich: Porträts aus der Ära Karls VI. sehen alle irgendwie gleich aus. Am liebsten hätte Kaiser Karl VI. wohl Hyacinthe Rigaud (1659 – 1743), ein französischer Maler katalanischer (!) Herkunft engagiert. Aber dieser stand eher im Dienst des französischen Hofes. Dazu eine Notiz: Während des Friedenskongresses zu Soissons 1728 ließ sich der als bevollmächtigter kaiserlicher Botschafter Minister Philipp Ludwig Wenzel Sinzendorf porträtieren. Das Bild landete nach Irrwegen in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien. Das Bild zählt zu den Meisterwerken Rigauds und ist in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen. Kaiser Karl VI. konnte zwar nicht auf Rigaud zurückgreifen, doch gab er sich gezwungenermaßen mit einem Kompromiss zufrieden. Indem er Jacob van Schuppen erwählte und nach Wien beorderte. Der gebürtige Pariser war seit 1704 Mitglied der Pariser Akademie, von 1708 bis 1716 Hofmaler bei Herzog Leopold I. in Lunéville. Danach kam er nach Wien und wurde sieben Jahre später 1723 kaiserlicher Hofmaler. Drei Jahre danach wurde er Direktor der Akademie der bildenden Künste. Um 1727 malte er im Auftrag des Kaisers für die Salesianerinnenkirche zwei Altargemälde.
Die Kunstbegeisterung des Kaisers#
!Wichtige Werke der Kunstsammlung des Kaisers In der Zeit Karls VI. wurde die Kunstsammlung in der neu eingerichteten Stallburggalerie um wichtige Werke ergänzt. Allerdings wurde sie nicht nach wissenschaftlichen Prinzipien ausgestattet, sondern die Geschmacksfrage entschied wo welches Gemälde seinen Platz erhielt. So war das im Barock! Um 1720 wurde etwa das von Hans Holbein d. J. (1497 – 1543) geschaffene Bild "Jane Seymour" (nach Geburt eines Sohnes verstorbene Ehefrau von Heinrich VIII.) erstmals in der kaiserlichen Sammlung erwähnt. Wer weiß ob dieses Bild nicht Kaiserin Elisabeth Christine verärgert hatte. Zur gleichen Zeit dürfte auch das von Rembrandt van Rijn gemalte "Große Selbstporträt" (1652) an den Wiener Hof gelangt sein. Vermutlich zehn Jahre danach "het pelzken" / Das Pelzchen" ("Helena Fourment", nach 1630/um 1636/38)" von Peter Paul Rubens schien im Kunstbestand auf. (KHM) Ein sehenswertes Gemälde ist das von Antonio de Pereda um 1634 gemalte "Allegorie der Vergänglichkeit". (KHM) Das Bild stammte aus der von Karl VI. in seinen Spanienabenteuer mitsamt der 1705 erworbenen Kunstsammlung des letzten Almirante von Kastilien mitgebracht hatte. Diese Allegorie wies auf die doch geendete Herrschafts Karls V. Aus der einstigen Almirante-Sammlung gab es noch Werke eines Bassanos und …Wer weiß, wie oft der Kaiser vor diesen beispiellosen Weltkunstwerken stand und betrachtet hatte. Aber das sind nur Beispiele eines Kaisers, der eher die Sammelleidenschaft eines begüterten Privatmannes betrieben hatte. Einem modernen wissenschaftlichen Konzept folgte die kaiserliche Kunstsammlung jedenfalls nicht. Sie hatte auch Gegenstände, die nichts mit höchster und niveauvoller Kunst zu tun hatten. Ein ungewöhnliches Kunstwerk sei wenigstens noch erwähnt, das angeblich aus dem Besitz Karls VI. stammte. Es zeigt das Porträt eines unbekannten Mannes und wurde von Frans van Stampart (1675 – 1750) gemalt.
In der Kunstsammlung des Kaisers befand sich auch eine antike Bronzetafel mit (eingraviertem) Text. Sie wurde 1640 bei Grabungsarbeiten im süditalienischen Tiriolo gefunden. 1727 wurde sie mit einem Widmungsrahmen zu Ehren Karls VI. versehen. Ihr Text enthält den ältesten erhaltenen Senatsbeschluss in lateinischer Sprache. Vielleicht wurde diese Bronzetafel, vor allem wegen ihres Inhaltes [dieser] von Livius, der auf einen moralischen Sittenverfall hingewiesen hatte, nicht grundlos an Kaiser Karl VI. geschenkt. Einerseits ein Hinweis auf Staatspolitik? Vielleicht eine war das Geschenk eine ungewollte boshafte Anspielung auf bestimmte Zustände am Hof Karls VI. zu Wien?
Kultur der Repräsentation |
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Österreich verliert Ansehen und Glorie
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