Kultur der Repräsentation#
Der Kaiser und die bildenden Künste#
Dem kunst- und kulturbegeisterten Kaiser lagen automatisch sämtliche bildenden Künste am Herzen – freilich zum Nutzen der Präsentationskultur. Dem kunst- und kulturbegeisterten Kaiser lagen automatisch sämtliche bildenden Künste am Herzen – freilich zum Nutzen der Präsentationskultur. Ein halbes Tausend Stück Marmorbüsten – vielleicht waren es doch noch mehr? – mit dem antikisierenden Antlitz des Kaisers wurden in ganz Europa versandt. Immerhin hatten die Bildhauer und ihre Gehilfen jede Menge zu tun gehabt. Wenigstens konnte keiner der führenden Potentaten in Europa sagen, er wüsste nicht wie der Kaiser aussähe.In alle Himmelsrichtungen#
Der Kaiser versuchte durch Bildwerke zu seiner Person und der Religion in allen Himmelsrichtungen seiner Monarchia Austriaca präsent zu sein. Die Ausrede, dass niemand wüsste wie seine Majestät aussähe, die konnte es danach nicht mehr geben. Oder sie durfte es einfach nicht mehr geben.Die Repräsentationskultur unter Kaiser Karl VI. gipfelte sogar in monumentale Deckengemälde, in denen der Monarch als Herkules oder gar als Apoll dargestellt wurde.
Im Marmorsaal und Bibliothekssaal des Stiftes Melk wurde der Kaiser vom genialen Freskanten Paul Troger (1698 – 1762) als keulenschwingender Kämpfer gegen die Dunkelheit und Bewahrer der Wissenschaften und Künste dargestellt. Eigentlich sieht er wie ein muskelbepackter Tiroler aus. So ähnlich wie die riesigen Gebälkträger im Gartensaal des Stiftes Klosterneuburg. Troger schuf 1737 bis 1739 – unterstützt durch den schwäbischen Scheinarchitekturmaler Johann Baptist Byß in der Kaiserstiege des Siftes Göttweig die bedeutende monumentale Deckenmalerei "Kaiser Karl VI. als Helios-Apoll mit Aurora (Bindenschild und Wappen Gundacker Graf Althann) ..." Bei genauerer Betrachtung des Monumentalfreskos sind in den jeweiligen Personen- und Symbolgruppen deutliche Anspielungen auf die außenpolitischen Gegner des Kaisers zu erblicken.
Immerhin bemühte sich der Habsburger den Repräsentanten deutscher Hauptstädte unentwegt zu erklären, dass er der Kaiser sei. Allerdings hinter der gesamten von Huldigungen geschaffenen Bild blieb der wahre Karl VI. als Mensch verborgen – und bis heute? Machen wir das nicht alle so: Von jedem Menschen gewahren die Mitmenschen nur das Äußere. Karl VI. verschwand hinter einer Wand aus Repräsentation …
Seine Tugenden in Bildersprachen#
Kaiser Karl VI. nahm die bildenden Künste als Hilfsmittel für seine "Kunstunternehmungen" ((Franz Matsche 1981) in der Repräsentation seiner Person, egal ob sie nun im Mittelpunkt stand oder bloß nur seine Tugenden innerhalb sämtlicher positiver und negativer Eigenleistungen. Was er betrieben hatte war nur Öffentlichkeitsarbeit – Public Relation – Werbeeinblendungen in eigener Sache – für die Machtstellung seines Hauses Habsburg – inmitten einer desaströsen Welt zwischen Taufbecken und Pestgrube. Weder die seit Jahrzehnten lancierten Begriffe wie "Reichsstil" (Hans Sedlmayr 1938(!)) noch der davon abgeleitete "Kaiserstil" umreißen das ordentlich. (Kaiserstil ist explizit auf Karl VI. zugewiesen!) Besser wäre der neutrale Terminus "Repräsentationsstil". Die Zurschaustellung ureigenster Bestimmung einer Hochadelsfamilie an der Führungsspitze hat es schon lange gegeben. Sie richtete sich bloß nur an einen kleinen Personenkreis und die Masse der Untertanen hat sowieso den Prunk, für den sie eigentlich finanziell aufkommen musste, in Frage gestellt. Die einfachen Menschen mussten bittere Arbeitskraft und oft lebensgefährlichen Militärdienst leisten. Die Museen sind voll solchen erinnerungswürdigen und erinnerungsunwürdigen Objekten. Die beiden vorigen Begriffe haben sich aber leider in der Kultur- und Kunstgeschichtsforschung auf immer und ewig verankert. Am Schluss blieb nur die Bewunderung für die teure künstlerische Öffentlichkeitsarbeit von einst und die Zinnpest an den Sarkophagen in der Kapuzinergruft.Die zeitgenössischen Porträts zeigen allerdings ein schöngefärbtes oder überhöhtes Bildnis des Kaisers bar jeder schonungslosen Unperfektion bis zur Perversion. Authentische Abbilder des Herrschers aus seinen etwaigen verschiedenen Lebensabschnitten – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter – sind äußerst rar und wirken standardisiert. Oftmals bestand die Gefahr einer optischen Verwechslung mit andere Habsburger seiner Zeit …
Übrigens die Gesichter der von Lorenzo Mattielli gemeißelten Atlanten in der mächtigen Sala Terrena unter dem Marmorsaal des Stiftes Klosterneuburg sind stilisierte Gesichter des damals herrschenden Kaisers Karls VI. und seiner Ahnen. Aber tatsächlich wusste niemand von der Künstlerschar so genau wie der Kaiser exakt ausgesehen hatte. Sie benützten als Vorlage bekannte Kupferstiche oder Kleinskulpturen – falls sie greifbar waren.
Künstler im Dienst des Habsburgers#
Karl VI. brauste auf gleich einer Naturgewalt zur personifizierten Triebkraft der "Kunstunternehmungen". Schon in Spanien umgab sich der Habsburger mit Künstlern: Etwa mit dem Architekten und Bildhauer Conrad Rudolf (Corrado Rodulfo), der das Untergeschoss des Portals der Kathedrale von Valencia begonnen hatte, ebendort verfertigte Rudolf noch ein Aquamanile und für den Habsburger zwei Brunnenmodelle. Danach ging er nach Barcelona und mit Kaiserin Elisabeth Christine nach Wien, wo er 1714 als Nachfolger des Peter Strudels zum "Wirklichen Hof- und Kammer-Statuarius" mit 1.500 Gulden Jahressold aufstieg. 1719 verlieh ihm der Kaiser dem Titel eines "Kammerbildhauers" und 1732 verstarb der Bildhauer. Der gebürtige Andreu Vaccaro – einer der Söhne des durch Caravaggio und Guido Reni beeinflussten weitaus berühmteren Maler Andrea Vaccaro des 17. Jahrhunderts war Kammermaler am Hofe Karls in Barcelona. Ein nicht minder gerühmter Miniaturist in Barcelona war Pere Crosells (Pedro Crusells), der 1708 ein kleines Brustporträt des Österreichers schaffen durfte und welches sich als Kostbarkeit im Museu d'Historia de la Ciudat befindet. Noch im letzten Jahr auf spanischen Boden nahm wohl im Auftrag des Habsburgers der Architekturzeichner Anton Matthías (Mathias Anton) Weiss die bedeutendsten spanischen Baudenkmäler als Zeichnungen auf. So etwa das Amphi-Theater und das Scipionengrabmal in Tarragona – beide Altertümer nahm der ältere Fischer von Erlach in sein 1721 erstelltes Werk "Historische Architektur" auf. 1712/15 realisierte Weiss einem dem Kaiser gewidmeten Kupferstich "Wien in Österreich" und 1718/30 nahm der Zeichner die Klöster der Kleinen Walachei auf. Karl VI. erhöhte den Künstler mit dem Titel "Kaiserlicher Ingenieur". Zwischen 1729 und 1738 erstellte der Militäringenieur einen Bericht über die Abwehr der kroatischen Soldaten.Seit 1705 amtierte der Brüsseler Tier- und Stilllebenmaler Philipp Ferdinand de Hamilton am Wiener Hof als kaiserlicher Kammermaler. Karl VI. – und der österreichische Adel – beauftragte ihn mit entsprechenden Aufgaben, genauso wie seinen jüngeren Bruder Georg de Hamilton, der aufgrund der Empfehlung des Fürsten Adam Franz von Schwarzenberg an den Wiener Hof gelangte. 1718 holte der Kaiser den Künstler nach Laxenburg und erhob ihn zum offiziellen Hofmaler. Für den Herrscher malte der hervorragende Tier- und Stilllebenmaler vorwiegend Pferdebildnisse. Zwanzig von diesen 1719 und 1722 gemalten Lieblingsrössern des Kaisers befinden sich in einem Repräsentationszimmer des Schlosses Schönbrunn. 1716 wurde aus Paris ein gewisser Jacques (Johann Jakob) van Schuppen – er arbeitete auch am lothringischen Hof unter Herzog Leopold I. – er vollendete das genialste Prinz Eugen-Bildnis – nach Wien beordert, wo er Aufträge erfüllte und 1723 Hofmaler wurde. 1716 ließ sich der Kaiser vom nahe Pressburg geborenen Maler Johann (Jan) Kupetzky, welcher schon unter Joseph I. im Dienst stand, porträtieren. Im Wien Museum gehört das Ganzporträt zu den ausdrucksstärksten Prunkstücken. Kupetzky fühlte sich der italienischen Malerei und des Hell-Dunkels-Effekts Rembrandts Harmensz van Rijn verpflichtet. 1723 musste der Künstler, der auf eine Stellung bei Hof verzichtete, wegen seiner Glaubenszugehörigkeit zur Sekte der Böhmischen Brüder und Intrigen sowie Malerkonkurrenz Wien in Richtung Nürnberg verlassen.
In den 1720er-Jahren ließ sich der Kaiser mitsamt Kaiserin und den beiden Töchtern Maria Theresia und Maria Anna von Louis de Silvestre dem Jüngeren als Gruppenbild darstellen. Silvestre arbeitete in Dresden und stand im Dienst Augusts des Starken.
Ein anderer Hofmaler Augusts des Starken, der wohl aus Ungarn gebürtige Adám Mányoki, vormals Hofmaler des Fürsten Rákóczy II., malte während eines Wien-Aufenthaltes vermutlich im Auftrag des Kaisers dessen sechsjährige Erzherzogin Maria Theresia (München, Bayerische Staatsgemäldesammlung). Schließlich gab es noch den schwedisch-holländischen Maler Martin van Meytens, der in Europa erfolgreich wirkte und seit 1721 mit Unterbrechungen und 1730 endgültig in Wien blieb als einziger Protestant durfte er sich hierorts ein Haus erwerben. 1732 ernannte ihn der Monarch zum kaiserlichen Kammermaler. (Er hielt als monumentales Gruppenbildnis die Hochzeitstafel Maria Theresias und Franz Stephans von Lothringen 1736/37 fest (Nationalmuseum Schweden, Schloss Gripsholm). Inmitten der Gesellschaft saß das Kaiserpaar. Später ernannte Maria Theresia den Künstler zum Hofmaler.) Porträts und Gruppenbildnisse (wie etwa Hochzeitstafel, zugeschrieben auf Martin van Meytens) sind eher willkürliche Darstellungen – also nur für Repräsentationszwecke – zensiert! Oft wurden Personen hinzugesetzt oder einfach halber weggelassen – oder ganz "vergessen". Heute ist das nicht mehr ordentlich feststellbar.
Eine in Venedig ansässige Porträtistin, Rosalba Carriera, von den Vornehmen stets besucht, hatte sogar in Wien nach 1730 der jungen Maria Theresia die Pastellmalkunst beigebracht. Übrigens war die Erzherzogin doch begabt.
Nach einem langen Passau-Aufenthalt kehrte Michelangelo Unterberger 1737 nach Wien zurück und heimste Preise ein. Er avancierte zum renommierten Altarbildermaler Wiens und erhielt auch vom Kaiserhof Aufträge.
Unter Kaiser Karl VI. und Maria Theresia arbeitete der aus dem deutschen Mühlhausen stammende Maler Auerbach seit 1735 als kaiserlicher Hofmaler. Ein viel weniger bekannter Maler, Johann Nepomuk Kellner, schuf in Auerbachscher Art ein Ganzfigurporträt des Kaisers, das im Kaiserzimmer des Stiftes Klosterneuburg zu sehen ist. Der Kaiser wird nicht ständig Modell gestanden haben. Für wenige Porträts stand er echt vor dem Künstler und andere ihrer Zunft schufen danach weitere Bildnisse – aber totale Kopien waren sie jedenfalls nicht – die Gesichter gleichen sich völlig. Auch das biologische Alter in den Porträts ist wahrnehmbar!
Jedenfalls stand der Kaiser Modell. Wenn ich mir die Anzahl etlicher erhaltener Porträts des Monarchen ansehen, dürfte er doch nicht immer dafür Modell gestanden sein. Aber gänzliche Kopien waren die Bildnisse auch nicht, zumal sie in seiner 29-jährigen Regierungstätigkeit auch biologische Änderungen wie sie das menschliche Altern nun mal mit sich bringt deutlich einbehalten. Auch gesundheitliche Probleme spiegeln sie in der Mimik der jeweiligen Herrscherabbilder wider.
Fassen wir zusammen: Das Porträt des Kaisers musste trotz allem eine genaue Abbildung des Habsburgers sein. Es ging nur um Klarstellung seiner Person und ihres übergesellschaftlichen Standes.