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Karls Geburt, Kindheit, Erziehung und Ausbildung#

Geburt#

Erzherzog Karl von Österreich kam am 1. Oktober 1685 als siebtes Kind des Kaiserpaars Leopolds I. und Eleonore Magdalena in der Wiener Hofburg zur Welt. Panegyriker vermutete in dem Waage-geborenen Habsburger einen weisen Fürsten. Aber damals, um Machtkämpfe innerhalb der Familie zu vermeiden, ward er zum Geistlichen bestimmt. Karrieren einiger fähiger Kleriker endeten oft als einflussreiche Kardinäle – und sie konnten einen Papst bestimmen. In Konklaven entschieden der Heilige Geist und die Weltpolitik die künftigen Geschicke der römisch-katholischen Kirche.

Wien und Niederösterreich - seine frühe Welt#

Das Wien, genauer geschrieben, die kaiserliche Residenzstadt Wien, in der der junge Erzherzog heranwuchs, war noch von Weingärten in der Umgebung geprägt. Vor allem die Südhänge der an die Festungsstadt anliegenden Berge mit Weinstöcken bepflanzt. Heute unvorstellbar, weil inzwischen viele Bereiche dicht verbautes Gebiet sind. Im Westen der Wienerwald und im Osten die üppigen Augebiete der ungestümen Donau. Und in das Niederösterreichische hineinlangenden Getreidefelder des Marchfelds. Jagd- und Forstgebiete prägten das Wiener Umland.

Erzherzog Karl von Österreich, um 1693 (?)
Der junge Erzherzog Karl von Österreich im Alter von etwa acht (?) Jahren oder wesentlich älter. Ausschnitt aus zeitgenössischem Kupferstich - Foto: (?) bzw. Archiv Ernst Zentner - vermutlich Gemeinfrei
Beide Söhne Joseph und Karl wurden in den Sommermonaten im inzwischen verschwundenen Schloss Gersthof in Wien-Währing unterbracht. Die Festungsstadt Wien war als Ballungszentrum für tödliche Epidemien nicht zu unterschätzen. In Gersthof wurde der Kaisernachwuchs unter strengster Aufsicht der Leibgarde des Kaisers sozusagen beaufsichtigt. Die Gefahr einer Ansteckung durch irgendwelche problematischen Krankheiten und Entführung durch habsburgerfeindliche Kreise geisterte über die Wiener Kaiserresidenz. Zumindest weiß die Wissenschaft zu berichten, dass die Kaisersöhne die Masern auszustehen hatten. Die schwesterliche Erzherzogin Maria Elisabeth erlitt die Pocken und war später als Heiratspartie uninteressant geworden. An dieser Stelle sei erwähnt, das unzählige Porträts aus Fürstenhäusern zumeist geschönt – wenn nicht verfälscht – waren.
Währing, wenn alte Landkarten betrachtet werden, schien da auch ein interessantes Jagdgebiet gewesen zu sein und der Aufenthalt an der frischen Sommerluft tat ihr übriges. Vergnügungen im Winter waren die Schlittenfahrten. Ein Hofmaler Karls von Lothringen, der zeitweilig in Wien tätig war – er hieß Charles Herbel – schuf um 1690 ein kaiserliches Repräsentationsgemälde (KHM) mit den Kindern Leopolds I. auf kindergerechte Schlitten. Dazu die Wappen und Titulaturen, um aufzuzeigen, dass sie allesamt keine gewöhnlichen Sprösslinge vom Hochadel gewesen waren.

Leben in der Öffentlichkeit und Erziehung#

Die Prinzen lernten sehr früh unbefangen in der Öffentlichkeit zu stehen und zu repräsentieren. Im Juni 1688 tanzte der knapp dreijährige Erzherzog gemeinsam mit Joseph und zwei Schwestern in einer Ballett-Aufführung aus Anlass des 48. Geburtstages des Kaisers. Es war ja nichts außergewöhnliches, wenn Kaiserkinder in Theateraufführungen mitwirkten. In den 1690er-Jahren vollzog Kaiser Leopold I. in Erziehungsfragen seines Sohnes Karl frühe Korrekturen. Die Kalkulation für das Hineinwachsen in ein mögliches Fürstenamt wurde getätigt. Ob er dazu fähig war oder nicht, das hatte niemand bei Hofe zu interessieren gehabt. Als oberster Erzieher – damals hieß das "Ajo" – wurde Graf Anton Florian von Liechtenstein ausgewählt. Er war ein anerkannter Diplomat, hatte Österreich beim Vatikan vertreten und kannte die finanzielle Situation der kaiserlichen Hofkammer.
Anton Florian von Liechtenstein
Anton Florian von Liechtenstein, Ajo des Erzherzog Karl von Österreich - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Ausbildung zum Geistlichen oder Fürsten#

Die Liechtenstein waren ein uraltes Familiengeschlecht. Ahnen kämpften an der Seite Karls des Großen, des letzten Babenberger Friedrich des Streitbaren und zuletzt 1278 auf dem Marchfeld. 1695 erhielt der Kaisersohn einen eigenen kleinen Hofstaat mit gleichaltrige Edelpagen. In einer geselligen Gruppe lernt es sich doch viel leichter. Noch in dieser Zeit wurden für den Unterricht Bücher angeschafft. Die meisten Autoren der Unterrichtsbücher sind heute fast vergessen – ähnlich wie die Autoren heutiger Unterrichtsbücher. Im Mittelpunkt stand die Vermittlung der Gedankenwelt, dass die Habsburger über die bekannte Welt zu herrschen hatten. Freilich begannen die Ausbildner mit Werken bekannter antiker Philosophen und Historiker wie Sallust, Tacitus, Livius, Seneca … Ein auffallendes Werk war die vom französischen Wissenschaftler Alain Manesson Mallet 1685 herausgebrachte "Weltbeschreibung" … Religion, Kunst, Politik, Geschichte – Alexander der Große! – waren Ecksäulen der allgemeinen Ausbildung des Erzherzoges. Jesuitenpatres – Andreas Pauer (auch Beichtvater) und Ignazius von Lovina – vermittelten den Buben wichtige Sprachenkenntnisse und das Wirken Gottes in der Welt. Damals dürfte nun das Thema spanische Erbfolge am Kaiserhof endgültig ein Grundsatzthema bis zum Dogma geworden sein. Karl II. besaß noch immer keinen Nachfolger. Wien entschied, Erzherzog Karl für ein staatstragendes Amt auszubilden. Liechtenstein dachte nach, wer den jungen Erzherzog in Fremdsprachen ausbilden sollte. Liechtenstein erinnert sich an den Schweizer Ignaz von Lovina, welcher als Kurat am Wiener Stephansdom tätig war und als Sprach-, Hochbegabt und als Freund der Künste galt. Lovina unterrichtete - überwacht von Fürst Anton Florian von Liechtenstein - den jungen Erzherzog Karl von Österreich (7 Jahre jung [1692/1693]) in den Sprachen Französisch, Spanisch und Italienisch. Wohl zehn Jahre lang, wobei Lovina im Jahr 1.000 Gulden Gehalt erhalten hatte.
Sämtliche in der Monarchie gesprochenen Sprachen wie Deutsch, Ungarisch, Böhmisch, Spanisch (später Katalan), das zeitweilig verhasste Französisch gehörte genauso dazu, und die Universalsprache Latein und vielleicht auch Griechisch. Andererseits so scheint es, dürfte Karl der erste Habsburger gewesen sein, der – außer Latein – die deutsche Sprache erlernt hatte.
Im Alter von zehn Jahren verfasste Erzherzog Karl in italienischer Sprache eine Familiengeschichte – sie ist aus wissenschaftlicher Sicht für die allgemeine Geschichte belanglos. Aber auf eine andere Sicht ist sie interessant, vor allem das habsburgische Weltbild über Machtausübung in der Übereinstimmung mit den Herrschertugenden.

Studium#

Kaiser Karl VI. studierte in seinen jungen Jahren bis 1708, da war er schon vier Jahre in Spanien, die überlieferten Schriften des römischen Politikers, Philosophen und Dichters Seneca. Seine philosophischen Betrachtungen kreisten um die stoische Ethik. Bis zum 18. Jahrhundert gehörten Senecas Schriften zur überhaupt meist gelesenen philosophischen Literatur. Dazu kannte Karl VI. auch die Schriften des griechischen Philosophen Epiktet. Dieser forderte Genügsamkeit und Unabhängigkeit des Geistes, aber befürwortete den Glauben an Gott, wodurch Epiktet dem christlichen Gedanken sehr nahegekommen war.
Ob Karl VI. wirklich so ein Mensch war der ertragen und entsagen konnte – Verzicht auf einen Thronfolger, Verzicht vor allem auf Spanien –, das bleibt dahingestellt. Aber er war ein gottesfürchtiger Herrscher, und handelte auch so entsprechend. Später wird Karl einen seiner geistlichen Lehrer in ein hohes klerikales Amt hineinsetzen. Offenbar müssten einige seiner Erzieher – darunter auch Prinz Eugen? – gewaltigen Einfluss auf den Habsburger ausgeübt haben.

Höflichkeit bis zum Exzess#

Das Zeitalter der Höflichkeit und des galanten Umgangs erforderte einen eigenen Fechtlehrer, der nicht nur die Handhabung mit dem Degen, sondern wohl gemeinsam mit Liechtenstein das Gebaren exzessiver Höflichkeit wie sie einem Fürsten gebührt, detailliert vermittelte. Oftmals waren das überlieferte Rituale, die heute lächerlich wirken, aber damals sehr wirkungsvoll erschienen waren. Erzherzog Karl von Österreich nahm das Hofzeremoniell so ernst, dass er sogar altgediente und renommierte, angesehene Persönlichkeiten zur Einhaltung zeremonieller Fragen zwang.
Erzherzog Karl VI. von Österreich, nachmals Kaiser Karl VI., Marmorbüste, 1695
Karl VI. als Erzherzog Karl von Österreich im Alter von zehn Jahren; angetan mit der Goldenen Vlies-Kette, Marmorbüste, Paul Strudel, 1695; KHM - Foto: Andreas Praefecke, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Um 1697/1698 bis 1701 wurde Claude-Louis-Hector de Villars – ein verdienter Militär aus den Pfälzischen Erbfolgekrieg und nachmaliger Marschall von Frankreich – als französischer außerordentlicher Gesandter (Envoye extraordinaire) vom jungen Erzherzog Karl von Österreich gedemütigt, indem er ihn aufforderte die Kopfbedeckung abzunehmen. Als Kaiser Karl VI. konnte er seinen Federhut weiter auf dem Haupt behalten. Aber der schlichte Höfling und sogar der Minister hatten den Hut in der Hand zu halten.

Reiten und Musik#

Reiten war eine abdingbare Sache. Für den jungen Erzherzog kein Problem. Er soll ein famoser Reiter später geworden sein, der sogar bei entsprechende Ringelstechen-Bewerbe in der Favorita zufriedenstellen agiert hatte. Für Mathematik und Rechtwissenschaft wurden eigene Spezialisten eingesetzt. Karl war dann fähig verwaltungsrechtliche und rechtliche Fragen sachlich nach altem Weltbild zu behandeln. Das Musikalische kam keineswegs zu kurz. Tobias Richter aus Würzburg und Johann Josef Fux unterwiesen den heranwachsenden Jüngling in der Musikwissenschaft. Schließlich beherrschte er das Cembalo und die Violine sowie die hohe Kunst des Dirigierens. Das Komponieren, das gehörte dazu wie die Orgel zum festlichen Gottesdienst. Allerdings gibt es offenbar keine von Karl VI. hinterlassene Notenhandschrift. Die Winter waren streng und kalt und Kachelöfen mussten irgendwie beheizt werden. In Fragen der Musik war Karl unbestechlich gewesen. Doch dieses Thema gehört in ein anderes Kapitel. Schon lange wurde am Hof diskutiert, ob Karl in Spanien als offizieller Erbe eingesetzt werden sollte. Schon 1697 lernte er am Hofe eine offizielle Delegation Karls II. kennen. Noch war das damals eine unsichere Angelegenheit. Karl II. hatte noch keinen Nachfolger bestimmt und wollte lediglich sondieren. Ob nicht ein Bursche wie Karl von Österreich war, nicht doch andere Interessen hegte? Ob diese Gespräche damals einen Sinn brachten, das wurde nicht überliefert – die generelle Außenpolitik entwickelte eine habsburgerferne Dynamik.

Jagdkunst und Krieger#

Als Fürst musste er auch das Weidwerk gut beherrschen. Vermutlich als er zehn Lenze zählte bekam er eigene Jagdflinten. Was er als Erstes erlegt hatte, das dürfte im Dunkel seiner Lebensgeschichte entschwunden sein. Zuerst musste er treffen lernen … Aber jedenfalls wurde er ein passionierter Jäger, der es über die barocke Übertreibung getätigt hatte. Das Jagdhandwerk hätte nach Machiavelli Meinung die Schulung zum Kriegsherr ermöglichen sollen. Wenigsten konnte Karl einen Mörser bedienen … Aber hohe Kriegskunst war das nicht. Bei den Habsburgern war es üblich, dass ein Handwerk erlernt wurde. Karl wählte den Beruf des Büchsenmachers und hinterließ eine gusseiserne Kanone und eine eigenhändig signierte Zeichnung einer Kriegskanone. [HGM] Für Fragen militärischer Art war Prinz Eugen der Fachmann erster Qualität. Mit ihm erging es Feinden recht miserabel.

Mittelpunkt der Repräsentation mithilfe der Kunst#

Der junge Erzherzog lernte die Wichtigkeit monumentaler Repräsentationskunst kennen. Am 30. August 1703 bestieg Kaiser Leopold I. mit seinem Sohn Karl (dem nachmaligen Kaiser Karl VI.) das Gerüst in der Wiener Jesuitenkirche, um die von Jesuitenpater Andrea Pozzo vollendete Ausstattung und Deckenmalerei zu inspizieren. Hier war es Sakralkunst, die dem Allerhöchsten gewidmet war. Aber gleichzeitig tat der Kaiser öffentlich kund, dass Karl von Österreich ein eminent wichtiger politischer Faktor im Reich Habsburg werden wird. Aber um das zu unterstreichen war eine ständige Zurschaustellung von Vorteil. Sei es als Porträts auf Bildern oder Medaillen, durch Allegorien in monumentale Deckengemälde, in der Literatur etc.
Es ist wahrhaft interessant. Vor allem der Vergleich der Repräsentationskultur Frankreichs und Österreichs. König Ludwig XIV. stand völlig im Mittelpunkt, vor allem auf der Opernbühne. Kaiser Karl VI. stand nicht im Mittelpunkt, sondern seine hervorgehobenen Tugenden als Kaiser und österreichischer Herrscher.
Ich muss es sagen, in den "Kunstunternehmungen" des Kaisers Karls VI. lagen gewiss Übertreibung. Aber nur Übertreibung und etwas stilisierten Größenwahn verhilft zu Ruhm mit Nachleben. Und heute? Mit Karl VI. wird nur die Pragmatische Sanktion, die Rolle des Vaters der Maria Theresia und als Schattenkaiser neben Prinz Eugen und seine Karlskirche und Hofbibliothek in Assoziation gebracht.