Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

Machtvakuum#

Vorbereitung der Kaiserwahl#

Kaiser Karl VI. geriet in die Machtschwäche, die ein Bruder Kaiser Joseph I. hinterlassen hatte, und konnte sie nicht im wenigsten ausfüllen. Also: dem liberalen Herrscher folgte ein erzkonservativer Monarch mit einer aus dem Mittelalter überlieferten Weltsicht.
Noch Ende Mai ersuchte der Habsburger den Prinzen Eugen die Kaiserwahl vorzubereiten und die Aufstellung eines französischen Gegenkandidaten zu verhindern. Natürlich kosteten die Unsummen an Geld. Aber die reelle Politik der Wirtschafts- und Handelsinteressen bestimmte den Ausgang des Erbfolgekrieges, vor allem nach dem Ableben Josephs I. Alles hing nur mehr von den Seemächten ab. Wien und Karl beobachteten die schikanösen Bestrebungen Großbritanniens und Frankreichs. Prinz Eugen verhinderte auf dem grünen Verhandlungstisch, dass Frankreich Bestreben den Protestanten Karl XII. von Schweden zum Kaiser wählen zu lassen. Genauso verhinderte der Savoyer, dass Friedrich I., nicht weniger Protestant, König in Preußen in die engere Kür geriet. Der Weg für zur Kaiserkrone war für Karl frei.

Unbill durch die spanische Anhängerschar#

Hierbei einige Zwischengedanken: Damals bedeutete es, wenn ein Kaiser verstorben war, war sein gesamtes Verwaltungspersonal – also der eigens eingesetzte offizielle Hofstaat im modernen Sinne arbeitslos. Natürlich blieben die wichtigsten Personen – vom Minister bis zum Diener –, jedenfalls jene die den provisorischen reibungslosen Ablauf des Hofstaates garantierten blieben erhalten. Wütende Selbstlieben und sanfte Schmeicheleien gehörten da zur Tagesordnung. Mit dem Einlangen Karls als neuer Kaiser kamen auch seine getreuen Anhänger in ranghohe Positionen. Dazu rechnete Wratislaw, dass Karl Spanier mitbringen würde, die dann die Abwicklung der Staatsgeschäfte noch schwieriger machen würde. Wratislaw ersuchte höflich Karl auf seine spanisch-katalonische Anhängerschar zu verzichten und sie dort zu lassen, wo sie sicherer verwahrt waren. In Barcelona. Seit Juli 1711 beendete Kaiserinwitwe Eleonore im Auftrag ihres Sohnes das Arbeitsverhältnis mit den bisherigen "josephinischen" Mitgliedern des Hofstaates. Vielen Historiker ist übrigens schon längst aufgefallen, dass bis zur Bildung eines neuen Hofstaates unter Kaiser Karl VI. zehn Monate vergehen sollten.

Unruhen in Ungarn#

Aber es gab noch anderen Probleme und die lagen im zahlenmäßig größten Volk – vier Millionen EinwohnerInnen – des Königreiches Ungarn: 1708 stellte der venezianische Botschafter Daniel Dolfin fest, dass die ungarische Bevölkerung von ihren eigenen Magnaten bedrängt und zur Gewalt getrieben wurde. Karl kannte die Querelen mit rebellischen Ungarn. Rákóczy lehnte die Herrschaft unter Habsburg völlig ab. Ende Mai wünschte Karl Ruhe im Königreich Ungarn und verlangte, dass den Ungarn die Angst vor Unterdrückung durch Deutsche genommen werde. Karl wusste, desto weniger die Ungarn von seinem – westlichen – Kulturkreis eingeengt oder unterdrückt würden, umso eher wären sie bereit ihm zu folgen. Nach gewaltsamen Interventionen erreichte nach Verhandlungen Kaiserinwitwe Eleonore Magdalena – beraten von Prinz Eugen – am 29. April 1711 den Frieden von Szàtmár zwischen Karl von Österreich und den ungarischen Ständen.
175 Jahre, neun Monate und sieben Tage nach der Doppelhochzeit im Wiener Stephansdom stand nun das gesamte Ungarn als habsburgischer Besitz da. Die dem Habsburger gewogenen Kurfürsten und Diplomaten waren sich einig wie selten zuvor: Karl solle ehest nach Wien oder wenigstens ins Zentrum des römisch-deutschen Reiches übersiedeln. Seine Mutter ermahnte ihn gleichfalls und erbot sich oder ihre Tochter Erzherzogin Maria Elisabeth, Karls Schwester, die Rolle der Statthalterin von Katalonien zu übernehmen. Im Mai 1711 erhielt der finanzschwache König von Katalonien mittels Boten 600.000 Gulden übersandt. Das Geld stammte aus dem Finanzetat für die kaiserliche Armee, damit dieser die Rückreise problemlos antreten konnte. In Wien verloren Wratislaw und Prinz Eugen bald beider Geduld über Karl.

Der "Kaiser" zögert und zögert ...#

Wratislaw befürchtete sogar – seit dem Sommer 1711 –, dass bei längerem Zuwarten die Kurfürsten den Habsburger noch aggressivere Bedingungen für eine Kaiserkür bieten könnten. Sie hatten längst begonnen diese seit Monaten andauernde Machtschwäche im Imperium für den Ausbau ihre eigenen Machtpositionen auszunützen – auch enorme Geldsummen waren bereits im Gespräch. Kurz: Karl übersah die feilschenden Krämerseelen in Gestalt der alles entscheidenden Kurfürsten. Eine frühe Abreise aus Spanien käme einem Verzicht gleich, glaubte er ernsthaft, und das hätten die Zeitgenossen auch so ausgelegt.
Um den 29. Juli 1711 übertrug Prinz Eugen eine wichtige Mission an Gundacker Ludwig Joseph Graf Althann. Er solle nach Spanien reisen und Karl zur Rückreise nach Wien anspornen. Karl hatte Angst seine Macht in Spanien bei einer Abreise an den Bourbonen zu verlieren. Stagnation herrschte im Zentrum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wratislaw argwöhnte noch eine andere Sorge. Der intelligente Minister glaubte, die Briten würden wegen der näher rückenden kälteren und unwirtlichen – für die Seefahrt gefährliche – Jahreszeit sich weigern den Österreicher nach Italien zu übersetzen. Andererseits sahen die Briten in Karl ein "Druckmittel" in den geheimen Verhandlungen zwischen Frankreich und Großbritannien.
Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, General Gouvereurin von Katalonien
Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel als Statthalterin (General Gouvereurin) über Katalonien, den Grafschaften Lederna und Roussillon, Porträtgemälde von Andrea Vaccaro il giovane, um 1711 bis 1713; Museu Palau Mercader, Cornellá de Llobregat, provincia de Barcelona - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Endlich Abreise aus Spanien - die Ehefrau als Gubernatora#

Der Habsburger – er sah kaum brauchbare Erfolge in Spanien und spekulierte mit dem Renommee als mächtiger Kaiser – gab nach, übertrug am 18. September 1711 in einem feierlichen Akt seiner Ehefrau die Statthalterschaft über Katalonien, den Grafschaften Lederna und Roussillon. Sie war eher fähig zu regieren und auch beliebter. Graf Althann schrieb – bereits am 30. August 1711 – über Elisabeth Christine in Barcelona an Prinz Eugen: "Die Königin ist hier wahrhaft angebetet." Vermutlich dürfte die Schönheit der kühlen blauäugigen Wolfenbüttelerin auch eine gewisse Wirkung erzielt haben.
Königin Elisabeth Christine von Spanien. An ihrer Seite eine Porträtbüste ihres Mannes, um 1711 bis 1712
Königin Elisabeth Christine von Spanien. An ihrer Seite eine Porträtbüste ihres Mannes. Vermutlich fungierte die Wolfenbüttlerin bereits als alleinige Herrscherin von Katalonien. Gemälde von Christoph Bernhard Francke, zwischen 1711 und 1712 - Foto: https://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2005/property-from-the-royal-house-of-hanover-mm0986/lot.403.html, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Die Königin fungierte als Beschützerin des Besitzes ihres Ehemannes. Karl VI. sah in ihr wohl die alttestamentarische Deborah, die als Richterin und Widerstandskämpferin Spanien-Kataloniens agierte. Er verpflichtete General Starhemberg zur Treue gegenüber der Königin von Katalonien. Noch in Barcelona versprach er seinen Anhängern inständige Treue gegen sein Spanien und eine baldige siegreiche Rückkehr. Nach einem Gottesdienst verabschiedete sich der Habsburger klagend von seiner Gefährtin und reiste am 27. September mit dem britischen Linienschiff "Blenheim" (ihr Name spielte die Schlacht bei Höchstädt von 1704 an), geleitet von mehreren Kriegsschiffen in Richtung Genua. Auch zu diesem Tag unternahm Karl in seinem Tagebuch kurze Notizen: "Messe in der Kapelle [der Residenz], vom Weib Urlaub [Abschied], weint, um 9 Uhr weg in das Schiff, noch an Weib geschrieben." Königin Elisabeth Christine schrieb an ihren Vater: "Mein Körper bleibt hier, meine Gedanken aber nicht und diese Scheidung fällt mir ungemein schwer." Karl nahm, um die vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau leichter zu ertragen, eine nach ihr angefertigte kleine Wachsbüste mit nach Europa. Wahrscheinlich stellte er diese kleine Skulptur auf seinem Schreibtisch. Er hoffte seine Ehefrau bald nachkommen lassen zu können. Sein Intimus Althann war bereits nach Italien unterwegs. Mit dem neuen Kaiser schifften noch Liechtenstein, Antonio Folch de Cardona Erzbischof von Valencia und etliche Granden mit ihren Familien. Meist Höf- oder Günstlinge Karls kastilischer, katalanischer und aragónesischer Herkunft. Zumindest waren es gut eintausend Spanier, die den künftigen Kaiser begleiteten. In ihrer Heimat Katalonien waren sie nicht mehr sicher genug. Es war nur mehr eine Frage der Zeit bis Philipp V. mit seinen Heer Barcelona einnehmen würde. Repressalien und Grausamkeiten gegenüber den Anhängern des Habsburgers wären die Konsequenzen.
Andererseits drückte der Kaiser mit seinen spanischen Günstlingen damit symbolisch eine baldige Rückkehr aus. Karl VI. hatte seit seiner Abreise aus Spanien sein Königtum Spanien, Königtum Katalonien nie mehr besucht. Ähnlich auch bei seiner Ehefrau Elisabeth Christine. Offenbar hatte sie Salzdahlum in Nord-Deutschland auch nicht mehr gesehen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie zumindest inkognito wenn auch auf wenige Wochen ihre Heimat besucht hatte. Denn alles hatten amtierende Herrscher auch nicht den Untertanen mitgeteilt, und schon gar nicht dem "Wienerischen Diarium".