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Das große weite, weit entfernte Meer#

Großmacht mit wenig Zugang zum Meer#

Statue Kaiser Karls VI. in Triest mit Blick auf das Meer - (Aufgehelltes) Foto von Pvt Pauline, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Statue Kaiser Karls VI. in Triest mit Blick auf das Meer - (Aufgehelltes) Foto von Pvt Pauline, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Plan der Stadt und des Hafens von Triest, 1718
Plan der Stadt und des Hafens von Triest im Jahre 1718 (gezeichnet um 1857 von Joh. Righetti) - Foto: Löwenthal: Geschichte der Stadt Triest, Vol. I, 1857, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Unter Prinz Eugen war Habsburg-Österreich eine beachtliche Großmacht auf dem europäischen Kontinent. Was die Seefahrt anlangte, damit waren Kriegs- und Handelsflotte gemeint, war das vernachlässigbar. Triest war so ein relevanter Knotenpunkt für die Marine. Aber das war es auch schon. Abgesehen von der Donau, die von Süddeutschland über den Balkan bis zum Schwarzmeer reichte gab es offenbar nichts, wofür sich eine intensiv betriebene Seefahrt lohnte. Die Monarchia Austriaca im Hochbarock stieß im Südosten an das Ottomanische Reich. Dann existierte Preußen, Bayern, das große Frankreich und Holland sowie Niederlande. Im Norden lag das Königreich Großbritannien (Schottland und Irland) - sie mussten als Insel sowieso eine Kriegs- und Handelsmarine unterhalten. Das galt ebenso für Frankreich und Spanien, die beide nebeneinander und mit Mitteleuropa verbunden waren.
In der Neuzeit gehörte die niederländische Marine zu den frühesten größten Seemächten überhaupt. Seit den 17. Jahrhundert besaßen sie über 35.000 Handelsschiffe und jedes Jahr wurden 2.000 große und kleine Schiffe konstruiert. Das Holz kam aus den langsam nachwachsenden Wäldern.
Später war die französische Kriegsmarine der britischen und der niederländischen zeitweise überlegen. Allerdings die französische Handelsmarine nahm nach der niederländischen und der britischen den dritten Rang ein.
Großbritannien (mit Schottland und Irland) als Inselstaat war stets von seiner Flotte abhängig gewesen, vor allem im Konfliktfall.
Hafen von Rotterdam. Segelschiffe ankern, 1642
Der Hafen von Rotterdam. Segelschiffe ankern. Links könnte eine spanische Galeone sein. So ein Schiffstyp hatte drei Masten und galt in dieser Epoche als einer der schnellsten Seefahrzeuge überhaupt - jedenfalls bei günstigem Wind … (Und bei Windstille wurden Galeeren eingesetzt!) So sah mancher Hafen in den europäischen Küstenstädten aus. Das Gemälde wurde von Simon de Vlieger 1642 geschaffen; Eremitage, St. Petersburg - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Von einer machtvollen Existenz einer alt-österreichischen Kriegsmarine im Hochbarock kann man gerade nicht behaupten. Höchstens vermittelt die Leistungsbilanz Karls VI. und seines Feldherrn Prinz Eugen gewisse Hinweise. Auch die geographische Lage des alten Habsburg-Österreichs ist hier zu berücksichtigen. So bleibt nur die Wasserstraße Donau als Hinweis, vor allem ihre Häfen an den wichtigsten Städten wie Passau, Linz, Wien, Pressburg und Budapest, dann endlich bis zum Eisernen Tor beim Schwarzen Meer. Neben den Handelsverkehr gab es schon lange Personenbeförderung auf dem Wasserweg.
Der uralte Plan eines Donau-Oder-Kanals gelangte unter Kaiser Leopold I. auch nicht gerade in das Stadium der Realisation. Im imposanten Deckenfresko des Prunksaales der Nationalbibliothek - gemalt von Daniel Gran - in Wien gibt es auch eine Abbildung eines Segelschiffes. Eine Anspielung auf die Bestrebungen Kaiser Karls VI. den Handel mittels Handelskompanien auszubauen und hohe Einnahmen zu erzielen. Allerdings die Verstrickung der Pragmatischen Sanktion in die weltweite Wirtschaftspolitik machte das Vorhaben unmöglich.
Karl VI. hatte als König Karl III. von Spanien (eher von Katalonien) den massiven Einsatz von Kriegsschiffen, besonders in der erfolgreichen Verteidigung Barcelonas kennengelernt. Damals bestürmten seine katalanischen Parteigänger ihn, er solle mit ihnen die Flucht vor Philipp V. ergreifen. Doch der Österreicher legte darauf keinen wert.
Aber die Idee, dass auch macht- und wirtschaftliche Interessen seiner Allianzpartner dahinterstecken könnten, das schien der Habsburger nicht sonderlich akzeptiert haben. Kein Staat hat jemals ohne eigene Interessen bestimmte Ziele in der Außenpolitik abgesteckt. Die Briten eroberten für Habsburg-Österreich die strategische Meerenge von Gibraltar aber die Flagge Karls von Österreich hatten sie nicht aufgepflanzt …

Aber wenigstens wurde die Anschaffung einer Kriegsmarine überlegt#

Ein aus Frankreich geflohener Agent mit Namen Francois de St. Hilaire wurde wegen Hochverrat beschuldigt. Sein Weg führte über Portugal nach Großbritannien, wo er in London Ausnahme fand. Dort kontaktierte er den kaiserlichen Gesandten Johann Wenzel Graf von Gallas. Mit ihm ging er in die niederländischen Generalstaaten. Gallas vermittelte ihn an Hofkanzler Philipp Graf von Sinzendorf. St. Hilaire kam nach Wien und wurde vom Kaiser dreimal in Audienz empfangen. Das war 1712. Der Franzose unterbreitete dem Kaiser ein Konzept zur Errichtung einer habsburgisch-österreichischen Marine im Mittelmeer. Das Projekt wurde nicht geheim besprochen sondern öffentlich, das wiederum bedeutete, das eine Realisierung sowieso nicht beabsichtigt wurde - Es lag am Geld. Irgendwie Wiener Schlamperei.

Planungen und kaum Geld#

St. Hilaire stellte dem Kaiser ein Vorhaben vor, das 20 Schiffe mit 1270 Kanonen umfasste. Dieses Geschwader war für das Königreich Neapel gedacht. Pro Schiff wurden 140.000 bis 150.000 Gulden veranschlagt. In den Werften der Niederlande und in Danzig sollten die Seefahrzeuge gebaut werden und wären innerhalb eines Jahres einsatzbereit. Allerdings die fehlende Schiffbauinfrastruktur in Neapel, Triest und Fiume hatte zur Folge, dass es noch zwei Jahre dauern würde, bis dort gleichermaßen ähnliche Schiffe gebaut werden konnten. Die Zukunft des Königreiches Neapel war noch ungeklärt - die dortige Führungsschicht war bereit den Aufbau einer Flotte mitzufinanzieren. Sie fürchteten die nordafrikanischen Piraten. Die sogenannten Barbareskenstaaten. Ihr Zentrum war Marokko.
Unter Karl VI. wurden Triest, Fiume, Aquilea, Duino, Buccari/Bakar und Porto Ré/Kraljevica als Handels- oder Kriegshäfen geplant. Nun der Aufbau einer österreichischen Mittelmeerflotte war den Intrigen der Venezianer - sie sahen übrigens in St. Hilaire einen Gegner -, Genuesen und Frankreich ausgesetzt. Die Wahrheit war doch letztere duldeten aus handelspolitischen Interessen keine weitere Konkurrenz. Der Litorale Austriaco - die österreichischen Küstengegenden wurden von der Republik Venedig dominiert und zwar Istrien und Dalmatien. Dazu fehlte eine schützenswerte habsburgisch-österreichische Handelsmarine. Geld war wie schon erwähnt keines da. Der Spanische Erbfolgekrieg war noch im Gange und auch eine österreichische Kriegsflotte würde nicht mehr zeitgerecht kommen. St. Hilaire - er hatte für sich eigenen finanzielle Vorteile gesehen - verließ als "kaiserlicher" Hauptmann Wien im Dezember 1712 … Der Kaiser und seine Minister hofften weiter.

Erste Einsätze#

Prinz Eugen war einer der bemerkenswertesten Feldherrn seiner Epoche. Er riet stets zu voller Kasse und einem kriegsbereiten stehenden Heer. Kaiser Joseph I. ging daran seine Kaisermacht zu restaurieren und auch den Weg zu einer funktionierenden Kriegsflotte zu reformieren. Er starb zu früh. Damals war Österreich von den Seemächten doch abhängig. Die nächste Auseinandersetzung ereignete sich 1716 bis 1717 mit dem Osmanischen Reich. Prinz Eugen entschied den außenpolitischen Konflikt gegen die Hohe Pforte mit militärischen Mitteln zu lösen. Seine Strategie war gegen die Osmanen entlang der Donau zu kämpfen. Dazu brauchte der Prinz Kriegsschiffe. Und die wurden gebaut. In den Praterauen und im Wienerwald wurde im Winter das benötigte Holz für den Bau der habsburgischen "Armada" geholt. Deswegen wirken manche heute noch erhaltene Forste in der Leopoldstadt bzw. in den Erholungsgebieten des Praters doch noch immer irgendwie "gelichtet". Aber das ist auch nur Einbildungssache. Vor der Donauregulierung in den 1870er Jahren sahen die Aulandschaften doch anders aus.
Die von Prinz Eugen eingesetzten Kriegssegler hatten entscheidenden Anteil bei der Eroberung von Belgrad. Der Friede von Passarowitz wurde von Prinz Eugen ausgehandelt und vom Kaiser sowie vom Sultan unterschrieben. Mit dem Osmanischen Reich wurde ein Handels- und Schifffahrtsvertrag ausgehandelt. Dieser sah vor, dass die Donau abwärts als Handelsroute bis zum Schwarzen Meer (das war jedoch ausgenommen) frei befahrbar sei.
Nun die im Krieg gegen die Osmanen eingesetzten Kriegsschiffen waren noch lange keine offizielle Kriegsmarine. Neun Jahre mussten vergehen bis endlich nach Einverständnis des Kaisers und der maroden Hofkammer (sowas ähnliches wie ein barockes Finanzamt) wenigstens einige Schiffe (Segler und Galeeren) vom Stapel liefen. Der Kaiser benannte seine Schiffe nach populären Heiligen. Schon 1716/17 hießen drei Schiffe Hl. Maria, St. Stephan und St. Theresia; endlich später kamen hinzu: St. Johannes Capistranus, St. Eugenius, St. Franziscus, St. Giacomo, St. Gennaro, St. Leopoldo, St. Barbara und St. Carlo. Das Wienerische Diarium beschrieb die Wasserfahrzeuge: vorhero dergleichen noch nie große Schiffe allhier gesehen. Dieses Schiffe maßen zirka 40 mal 8 Meter und besaßen 50 Geschütze. Am 15. Juli 1716 taufte in Anwesenheit des päpstlichen Nuntius der Wiener Erzbischof Kollonitsch die Schiffe, die insgesamt 400 Kanonen aufgeboten hatten. Zuerst drei dieser Schiffe wurden vom Augsburg stammenden Kapitän Kaspar Schwendimann donauabwärts kommandiert. Mit drei weiteren Kriegsschiffen erwuchs die Flotte zu seiner Armada, die vom dänischen "Vizeadmiral" Peter Andersen nach Peterwardein kommandiert wurde.

Wenig neue Schiffe und Misserfolge#

Prinz Eugen starb und 1737 machte sich die Hohe Pforte große Hoffnungen die fast zwanzig Jahre zuvor verlorenen Territorien wieder zurück zu erlangen. Die Intentionen des Kaisers lagen darin seine Monarchie bis zum Schwarzen Meer auszuweiten. Russland hatte ihn dazu überredet. Am 1. Juli 1737 wurden vier neue Kriegsschiffe unter den Namen Adler, Löwe, Meerroß und Wassermann – bestückt mit 35 bis 40 Kanonen - geweiht. Doch der Einsatz am 4. Juli gereichte zu einem Desaster. Unter dem Kommando des Admirals Marchese Pallavicini und mit Besatzungen aus Hamburg, Genua und Liverpool blieben die erwähnten Schiffe gleich auf den Sandbänken der unteren Prater-Donau stecken. Die Donau führte damals wohl Niederwasser und die Wasserverdrängung der Seefahrzeuge und deren Gewicht wurden nie kalkuliert. Zumeist waren diese Schiffe oft Nachbauten diverser Meeressegler. Ein Jahr später wurde bei Belgrad das Kampfschiff St. Carlo von den Donaufluten überspült - Hochwasser nach einem Gewitter mitsamt schwerer Regengüsse? - und ward nicht mehr verwendbar.
Vermutlich wurde der Kaiser nicht ordentlich informiert; dazu die Tatsache eines undisziplinierten und devastierten Heeres, obendrein die horrenden Militärkosten und unfähige Generale. Dazu die Streitereien zwischen katholischen und evangelischen Offizieren. Dieser Feldzug gegen das Osmanische Reich wurde für dem Kaiser eine unerträgliche Niederlage. Der Traum die barocke Großmacht Österreich bis zum Schwarzen Meer auszudehnen war realpolitisch gesehen nicht mehr verwirklichbar. Für den Kaiser war das eine Schmach, von der er sich nicht mehr erholte.

Wunschdenken und Realität#

Wenn wir von einer Marine Österreichs hören oder lesen, dann fällt uns am ehestens die Seeschlacht von Lissa ein (1866), in der ein Admiral Wilhelm von Tegetthoff mit Tapferkeit und Wagemut die italienischen Kriegsschiffe versenkte.

Zweideutigkeit und Reflexion#

Österreichisch-Ungarischer Panzerkreuzer SMS Kaiser Karl VI., um 1916
Österreichisch-Ungarischer Panzerkreuzer SMS Kaiser Karl VI.; um 1916 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Was für eine Ironie: Eine Reflexion gab es auf die einstige "Größe" der Kriegsmarine Kaiser Karls VI. und das war ein Schlachtkreuzer im Ersten Weltkrieg, die SMS [= Seiner Majestät Schiff] Kaiser Karl VI. Sie wurde 1898 vom Stapel gelassen, seit 1900 im Dienst der Monarchie, "fuhr" in der Ägäis, diente in Einsätzen im Ersten Weltkrieg (Mittelmeer), dann wurde sie im Frühling 1918 Wohnsitz und endlich von den Briten abgeschleppt, an ein italienisches Stahlwerk verkauft und abgewrackt. So mächtig kann Geschichte sein …