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Musik am Kaiserhof#

Liebe zur Musik#

Der "letzte Musikkaiser" lernte sehr früh die Liebe zur Musik kennen. Das lag erblich bedingt. Großvater Ferdinand III. musizierte, Leopold I. komponierte Opern, Oratorien und zahlreiche Werke, ebenso agierte er als Schauspieler. Unter diesem war Wien absolutes Zentrum italienischen Musikschaffens. Bei Richter und Hofkompositeur Fux studierte Karl den Umgang mit der Tonkunst. Und zwar so weit, bis er imstande war selber zu dirigieren und zu komponieren. Das setzte voraus, dass er ein Musikgehör aufbrachte. Obendrein beherrschte er das Cembalo und falls es stimmte auch das Violinspiel. Bemerkenswert war doch, dass in seiner Regierungszeit die Tradition des Geigenbaues in Wien ihren Höhepunkt erreichte. Andererseits wurden unzählige Instrumente für die Hof- und Fürstenkapellen benötigt. Er leitete aus Anlass des Geburtstages seiner Ehefrau Elisabeth Christina am 28. August 1719 die Uraufführung der Oper "Elisa, festa theatrale per musica" im Garten der Favorita. Der Komponist Fux assistierte bloß und das Libretto stammte von Pietro Pariati. Die szenische Gestaltung und das Bühnenbild erschuf Giuseppe Galli-Bibiena. Von Karls VI. musikalischen Schaffen hat sich erstaunlicherweise kein Notenmaterial bis in die Gegenwart erhalten. Eine Partitur einer vierstimmigen geistlichen Komposition ("Misere a 4 voci In nomina Domini", ÖNB, Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien) wurde inzwischen in die Urheberschaft Kaiser Leopolds I. zugeschoben. Werden da nicht Zweifel laut, dass der Kaiser vielleicht doch nicht so eine musikalische Ausbildung besessen hat, wie sie seit langen Jahrzehnten in der Literatur tradiert wurde. Eine kleine Gedankenspielerei am Rande: Hätte es damals zu seinen Lebzeiten gewagt, ihn wegen einer gewissen Schwäche im musikalischen Bereich zu kritisieren … Ein Dirigent unserer Tage hat zumeist eine zeitaufwendige, jahrelange und intensive Ausbildung. Karl VI. wurde für ein Fürstenamt ausgebildet, nicht zum Musiker! Bestimmt hatte er die seltene Fähigkeit herauszufinden, wer zeitübergreifende musikalische Leistungen aufbringen konnte.
Vor lauter Unterwürfigkeit hatten Zeitgenossen – auch Gesandte ausländischer Mächte – es nicht gewagt, den Musikgeschmack des Kaisers ins Unbequeme zu stellen. Vergessen wir es bloß nicht, es war das Zeitalter übersteigerter Höflichkeit und aufdringlicher Panegyrik. Auch ein Kaiser hatte etwas von Musik zu verstehen. (Mir fällt da die spätere Begegnung Kaiser Josephs II. mit Mozart ein: "Viele Noten.")

Die Musikepoche unter Karl VI.#

Nun, es war das wirklich glänzende Zeitalter eines Arcangelo Corellis, Georg Philipp Telemanns, Georg Friedrich Händels, Johann Sebastian Bachs. Telemann, Händel und Bach waren Lutheraner und wären deshalb obendrein der wegen zu deutschen Musik vom katholischen Kaiser abgelehnt worden. Der Kaiser konnte auf seine eigenen Musiker zurückgreifen: Wien bekam mit Antonio Caldara und Johann Joseph Fux eine ureigene bis elegante Weltgeltung.
Egal wie die Musikgrößen zur Epoche Karls VI. hießen, ob Caldara, Fux und andere, ihre Musik klang irgendwie gleich ...
Dennoch wurde Wien keinesfalls Zentrum schöpferischen Musikschaffens noch irgendwie impulsgebend. Vielleicht war es doch eine gewissen Stagnation gegenüber anderen Musikzentren Europas gewesen. Wien wird erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts richtiger Mittelpunkt der klassischen Periode, in der ein Christoph Willibald Gluck hervortreten wird.
Vom Tag der Hochzeit im August 1708 bis vor dem Juni 1710 gab es am Königshof in Barcelona stets musikalische Darbietungen. Dann war Karl ständig im Feld und 1711 verstarb sein Bruder Kaiser Joseph I.

Das Genre der Hofmusiker#

Ein neuer Kaiser bedeutete Veränderung – Sorgen um die Arbeitsplätze – und Karl VI. brachte aus Spanien seine eigene Hofmusiker mit.
Ein enorm hoch bezahlter Posten des "Cavaglier Direttore della Musica" wurde vom Kaiser mit Ferdinand Ernst Graf von Mollard [Molart oder Mollart] besetzt. Vorher war er Oberstküchenmeister gewesen. Er erhielt im Jahr 4.000 Gulden. Dieses Amt unterstand direkt dem Obersthofmeister. Die Musiker der Barockzeit wurden generell mit dem Küchenpersonal gleichgestellt. (Erst unter dem weltberühmten Mozart änderte sich das – und auch nur mühevoll.) Karl VI. bemühte sich irgendwie ansatzhalber den Musikerberuf aufzuwerten. Für Karl VI. dürfte der Festtag der Schutzpatronin der Musik, der hl. Cäcilia, ein ganz besonders hoher Feiertag gewesen sein (22. November). Kenner des Hofes berichteten, der Kaiser wollte sogar die Kirchenmusik reformieren, einerseits aus finanziellen Ursachen und andererseits bevorzugte er für den Gottesdienst die typischen Gregorianischen Choräle.

Musiktheater#

Noch 1720 führte der Kaiser die Funktion des sogenannten "Pächter-Unternehmers", der für den Bau und Erhalt des kaiserlichen Hoftheaters sowie dortigen Bühnen verantwortlich zeichnete. Die kaiserliche Hauptspielstätte – sie wurde 1630 errichtet – befand sich dort wo sich heute die Redoutensäle befinden.
Erstaunlicherweise fusionierte Hofoper und Zurschaustellung imperialer Macht unwidersprüchlich. Es war nichts ungewöhnliches, wenn der Monarch anlässlich des Geburtstages seiner Ehefrau große Festopern in der Favorita oder anderswo dirigierte. Oftmals fachsimpelte er mit Fux. Hofoper, Zurschaustellung imperialer Macht und Staatsgeschäfte fusionierten unwidersprüchlich problemfrei.
Constanza e fortezza, Opernaufführung am 28. August 1723 in Prag
Constanza e fortezza, Oper von Johann Joseph Fux, Libretto von Pietro Pariato, am 28. August 1723 anlässlich der Krönung Karls VI. zum König von Böhmen. Die Theaterarchitektur und das Bühnenbild stammte von Giuseppe Galli da Bibiena; Kupferstich nach Zeichnung von Galli da Bibiena - Foto: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/fwhb/klebeband15, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
So etwa die 1723 anlässlich der Krönung in Prag aufgeführte Monumentaloper "Constanza e fortezza" vor 6000 Zuschauern.
Grundrissplan des offenen Barocktheaters, das für Constanza e fortezza eigens errichtet wurde
Grundrissplan des offenen Barocktheaters, das für Constanza e fortezza eigens errichtet wurde; Van der Bruggen, I. Märtin, 1723 - Foto: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/fwhb/klebeband15, Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Teure Hofmusikkapelle#

Der Kaiser hielt sich eine bis zu 100 Mann starke Hofmusikkapelle, die jährlich 45.000 Gulden und einmal sogar 159.000 Gulden (1726) kostete. Ein anderes Jahr arbeiteten auch 140 Musiker (1734). Seit 1716 erhielt Fux im Jahr 2.500 Gulden. Im gleichen Jahr kostete eine Theateraufführung in der Favorita, [mitsamt] Dekorationen und Kostüme angeblich 300.000 Gulden. Für den Bau und Erhalt des kaiserlichen Hoftheaters führte er längst einen "Pächter-Unternehmer" ein. Die kaiserliche Hauptspielstätte aus dem 17. Jahrhundert befand sich dort, wo sich heute die Redoutensäle befinden. Der Kaiser sorgte dafür, dass bis zum Ende seiner Regierungszeit der Theaterbetrieb ziemlich gut organisiert agierte. Ebenso gehörte auch eine kleine Gruppe gut besoldeter Hoftänzer hierzu. Das kaiserliche Hofballett existierte schon ziemlich lange – seit 1622. Unter Kaiser Karl VI. wurde es personell aufgestockt und künstlerisch emporgehoben. Zumeist professionelle Tänzerinnen und Tänzer, die ihre Könnerschaft zumeist in Balletteinlagen zwischen den Akten der jeweiligen Barockoper dargeboten hatten. Keinesfalls dürfen wir uns vorstellen, dass die Tänzerinnen aufreizende Kostüme trugen, sondern wurden in umfangreichen robenartigen Gewändern gepackt, die ihre Beweglichkeit etwas einschränkte. Ich nehme an, sie werden auf der Bühne einen dezenten Bühnentanz zu endloser Barockmusik dargeboten haben. Heute ist das auch nicht anders! Es war nicht ungewöhnlich, wenn Schauspielerinnen in ihrem Privatleben die Theaterkostüme zum Ärger des Kaisers trugen.

Musiker am Habsburgerhof und anderswo#

Karl VI. kannte noch aus seinen Jugendtagen den Theatermusiker und Hofkapellmeister Leopolds I. den aus Italien stammenden Antonio Draghi. Er war einer der vorrangigsten Hauptmeister der Barockoper und des Oratoriums in Wien. Nachdem Karl VI. aus Spanien heimgekehrt war, beförderte er 1712 den unter seinen Vater eingesetzten Vizehofkapellmeister Marc' Antonio Ziani zum Hofkapellmeister. Jener Venezianer zählte zu den bekanntesten Opernkomponisten um 1700. Außerdem war er der Neffe von Pietro Andrea Ziani – ein bedeutender Komponist der frühen venezianischen Opern. Gleichzeitig wurde der Organist zu St. Stephan [Karl] Georg Reutter der Ältere zum Vizehofkapellmeister erhoben. 1712 zog der Kaiser den unter seinem Vater Leopold I. zum "Konzertmeister" erhöhten Kilian Reinhardt in eine Kommission zu Rate, welche eine Reform der Hofmusikkapelle realisieren sollte. Im folgenden Jahr setzte Karl VI. den Florentiner Francesco Bartolomeó Conti als Hofkomponisten ein. Conti verstand es die neapolitanische Musik mit der herkömmlichen Wiener Operntradition zu verbinden. Er komponierte hauptsächlich Faschingsopern und Intermezzi.
Antonio Caldara
Antonio Caldara - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Johann Joseph Fux
Johann Joseph Fux - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
1715 erhob der Monarch den aus Venedig stammenden Musiker Antonio Caldara (c. 1670 – 1736) in die Funktion des Vizehofkapellmeisters und den Steirer Johann Joseph Fux (1660 – 1741) zum Hofkapellmeister. Caldara komponierte über 100 Opern, Serenaden und dramatische Kantaten, mehr als 300 Oratorien, Kirchenmusik und Sinfonien. Karl VI. kannte den Venezianer bereits 1708 in Barcelona, wo er Bühnenwerke aufführte. Aus Anlass der 50. Wiederkehr der Befreiung Wiens vor den Osmanen 1683 komponierte Caldara 1733 ein Tedeum. Caldara wurde vom Kaiser weit mehr akzeptiert, wurde dessen Lieblingskomponist, angesichts des ranghöheren Hofkapellmeisters Fux. Der Österreicher galt als großer Komponist der kaiserlichen Festopern und veröffentlichte mit Billigung des Kaisers das musiktheoretische Werk "Gradus ad Parnassum". Jene Kontrapunktlehre – bis in die Gegenwart gültig – wurde sogar von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadé Mozart, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven als Nachschlagewerk benützt. Fux galt als bedeutender Meister der süddeutsch-österreichischen Barockmusik. Er komponierte über 500 Werke und diente wie Prinz Eugen unter drei Kaisern: Leopold I., Joseph I. und Karl VI., den er sogar überlebte. 1731 schrieb Fux seine letzte Oper – die einzige auf einem Libretto von Metastasio basierte. Sie hieß "Enea negli, ovvero ll Tempio dell‘Eternità" (Festa theatrale per musica 1 Akt und Licenza) und wurde anlässlich des Geburtstages der Kaiserin am 28. August 1731 im Garten der Favorita aufgeführt. Jedenfalls unter Ziani, Caldara und Fux besaß das Ensemble der Wiener Hofkapelle eine wahrlich respektable Weltgeltung.
Johann Josef Fux: Gradus ad Parnassum (Abhandlung vom Kontrapunkt), Wien 1725
Johann Josef Fux: Gradus ad Parnassum (Abhandlung vom Kontrapunkt), Wien 1725 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Vom Tag der Hochzeit im August 1708 bis vor dem Juni 1710 gab es am Königshof in Barcelona stets musikalische Darbietungen. Dann war Karl ständig im Feld und 1711 verstarb sein Bruder Kaiser Joseph I.
Der Neapolitaner Giuseppe Porsile organisierte – noch unter dem letzten spanischen Habsburger Karl II. – in Barcelona die dortige Musikkapelle. Der Komponist diente dann von 1708 bis 1713 als Meistersinger bei Elisabeth Christine, Gemahlin Karls VI., bei dem er 1720 zum Hofkomponisten mit 1.440 Gulden Jahreseinkommen avancierte. Seit 1717 bis 1737 schuf er 21 weltliche Dramen und 13 Oratorien für den Wiener Habsburgerhof. Porsile schuf 1726 für das Kaiserpaar eine Karnevalsoper, betitelt "Spartaco". Nach gelungener Revolution entwickelt sich der aufbegehrende Sklavenführer Spartaco zum Diktator. Wahrlich eine Karnevalsoper … Sie wurde am 21. Februar 1726 im kleinen Hoftheater aufgeführt. Komisch ist nur, dass Kaiser Karl VI. keine Abneigung gegen moderne zeitkritische Themen aufbrachte.
Karl VI. erinnerte sich an eine in Barcelona im Sommer 1709 aufgeführten Oper ("Dafni") eines italienischen Adeligen spanischer Abkunft, Emanuele d'Astorga. Dieser sizilianische Komponist kam an den Hof und erhielt in Wien 1711 vom Kaiser Joseph I. eine große Pension versichert, die dann Karl VI. bestätigte. Drei Jahre später verließ d'Astorga Wien in Richtung Palermo.
Jedenfalls was die Musik bei Hof anlangte, war der Monarch nicht untätig geblieben. Er begründete eine Hofscholareninstitution, um hiermit die fähigsten Leute zu erziehen. Nebenbei ernannte Karl VI. den seit 1711 am Wiener Hof als Hofscholaren tätigen Gottfried Muffat, er stammte aus Passau und studierte bei Fux, 1717 zum Hoforganisten und etwas später zum Musikerzieher der kaiserlichen Töchter – vor allem Maria Theresia. Ein weiterer Hofscholar war der in Wien geborene Giuseppe (Joseph) Bonno – ein Sohn eines kaiserlichen Läufers –, der auf Kosten des Kaisers in Neapel Komposition studierte und 1737 am Hof eine Stellung als "Compositeur" bekam und endlich nach zwei Jahren offizieller Hofkomponist wurde. Bonno schrieb Opern und Oratorien und wurde sogar von Wolfgang Amadé Mozart gelobt.
1731 ernannte der Monarch den Komponisten und Organisten Johann Georg Reutter dem Jüngeren zum Hofkomponisten mit 600 Gulden Jahresgehalt. Reutte der Jüngere heiratete eine Hofsängerin, Theresia Holzhauser. Als Chorleiter von St. Stephan entdeckte er in den späten 1730er Jahren den ganz jungen Joseph Haydn …
Ein Kenner der Hofkultur schrieb 1732 über den musikbegeisterten Monarchen: "... Sie [die Majestät] lieben nicht nur die Music, sondern verstehen dieselbe ungemein wohl, und spielen auf verschiedenen Instrumenten. Sie verstehen die Composition, und hören sogleich, wenn bey einer Music oder opera ein Fehler vorgeht ... Vornehmlich haben diejenigen sehr starcke und ansehnliche Salaria [Bezahlungen, Honorare, Gehälter], so bey der Kayserlichen Hof-Capelle und Cammer Musik engagieret sind ..."
Der Kaiser achtete darauf, dass die manchmal exorbitanten Gehälter an die Musiker zuverlässig ausbezahlt wurden. Er wusste als Musikkenner was ein künstlerisch veranlagter Mensch Goldes wert war. Mit nichts aufzuwiegen.
Nach dem Tod Caldaras Ende 1736 nahm Karl VI. zwei oder drei Jahre danach den Bologneser Luc' Antonio Predieri in die Wahl als Vizehofkapellmeister. Predieri überzeugte den Kaiser angeblich mit nur einer einzigen Komposition (1735 in Laxenburg mit der Oper "Il sogno di Scipione" nach dem Libretto von Pietro Metastasio).
Der 1694 unter Leopold I. zum Hofkompositeur erhöhte Italiener Carlo Augostino Badia war ebenso unter Joseph I. der fleißigste Verfasser von Theaterstücken und Oratorien. 1712 wurde die Hofkapelle reformiert – der Kaiser berief den, unter seinen Vater Leopold I. zum "Kapellmeister" erhobenen Musiker Kilian Reinhardt in eine Reformkommission – und Karl VI. bevorzugte die fortschrittlichen Musiker Fux und Caldara. Badia schuf seither bis 1738 höchstens sechs Oratorien und ein Bühnenwerk und verbrachte sein Leben unter Karl VI. mit bezahlter Untätigkeit. 1739 erhob der Kaiser den Wiener Georg Christoph Wagenseil zum Hofkomponisten. Dieser war ein vorzüglicher Pianist und bildete die junge Maria Theresia im Gesang aus. Wagenseil wechselte viel später zur Wiener Klassik hinüber. Außerdem kannte Karl VI. den Neapolitaner Nicola (Antonio) Porpora. Noch im Spanischen Erbfolgekrieg diente er als General der österreichischen Armee im Königreich Neapel. Damals fungierte Porpora als Gouverneur von Mantua. Dieser war ein international anerkannter Musiker. Porpora schrieb für ihn einige Opernwerke, die zu dessen Geburtstag 1714 und 1718 und anderen Anlässen aufgeführt wurden.

Nicola Antonio Porpora. Ölgemälde, 18. Jahrhundert
Nicola Antonio Porpora. Ölgemälde, 18. Jahrhundert. Museo internazionale e biblioteca della musica, Bologna, Italien - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Porpora, Lehrer des jungen Haydns#

Im ersten Regierungsjahrzehnt Kaiser Karls VI. führte der renommierte süditalienische Opernkomponist Nicola Porpora seine großen Werke in Wien mit Erfolg auf. Porpora stand im Dienst des Landgrafen Philipp von Hessen-Darmstadt und dann als Kapellmeister des portugiesischen Gesandten in Neapel. Der Musiker, der erfolgreich in seinem Metier als Komponist und Gesanglehrer wirkte, erhoffte offenbar in Wien auf eine Anstellung beim Kaiser. Jedenfalls wurde nichts daraus. Später wird er in den 1750er-Jahren den jungen Joseph Haydn ausbilden ...

Libretto zu: Don Chisciotte in Sierra Morena / Tragicommedia, 1719
Don Chisciotte in Sierra Morena / Tragicommedia … Komponiert vom Italiener Francesco Bartolomeo Conti für das Libretto von Apostolo Zeno und Pietro Pariati. Wien 1719 (Premiere im Hoftheater am 6. Februar 1719 Karneval) – Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Gute Librettisten waren rar#

Gute Texte zu Musiken stammten von Librettisten oder Poeten. Der Italiener Pietro Pariati war so einer. Der Sohn eines Soldaten arbeitete seit 1714 für Karl VI. Pariati erhielt 1715 2.400 Gulden Jahresgehalt. Da gab es noch den Hofdichter Apostolo Zeno mit dem er bis 1729 öfters zusammenarbeitete. Zeno war auch Hofhistoriograf. Er brachte die früheste Erneuerung in der deutschsprachigen Operndichtung zuwege und ebnete den Weg für die von Pietro Metastasio (1698 – 1782) geschaffenen Operntexte. Jener kam 1729 nach Wien und verhalf den italienischen Operntexten zur "klassischen Prägung", die bis in die Zeit eines Mozart Bestand hatte. Vorerst erhielt Metastasio ein Dreiviertelgehalt in Höhe von 3.000 Gulden. Ein von Autoritäten hochgelobter Dichter war Anton Brokoff. Ein Verwandter des aus Böhmen gebürtigen Bildhauers Ferdinand Brokoff, der Bildhauerarbeiten für die Karl Borromäus-Kirche in Wien lieferte.
Der Kaiser hielt sich eine 80 bis 100 Mann starke Hofmusikkapelle, die pro Jahr 45.000 Gulden, 1726 sogar 159.000 Gulden kostete und 1734 arbeiteten 140 Hofmusiker. Seit 1716 erhielt Fux im Jahr 2.500 Gulden. Im gleichen Jahr kostete eine Theateraufführung in der Favorita, Dekorationen und Kostüme angeblich 300.000 Gulden. Die Theaterverantwortlichen seiner Epoche hatten es gut verstanden den Kaiser wie eine Weihnachtsgans – finanziell – zu rupfen …
Nun, Karl VI. war ein Liebhaber großer Inszenierungen – andererseits war Erstarrung angesagt. (Nur zum Vergleich: Das Wiener Neujahrskonzert ist formal ebenfalls erstarrt und wir lieben es trotzdem.)
Man muss sich diese Aufführungen so vorstellen, so wie Sommertheater in Melk, Perchtoldsdorf, Stockerau usw. Nur großzügiger und statt einer oder höchstens einer Wiederholung, mehrmalige Vorstellungen.

Idealwelt im Musiktheater#

Das barocke Musiktheater war eine "Idealwelt", die die langweilige Welt des Barockmenschen ersetzen sollte, wenn auch nur für wenige Stunden. Kaum war sie vorbei, erinnerten sich die Zuschauer einige Tage noch an elementare Erinnerungen aus Musik, Gesang und Sprache sowie Tanz und Pracht. Aber dessen ungeachtet holte sie der normale Alltag wieder ein.

Antonio Vivaldi, 1723
Antonio Vivaldi. Ölgemälde, 1723. Museo internazionale e biblioteca della musica, Bologna, Italien - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Vivaldi#

Ende der 1720er Jahre begegnete der Kaiser kurzweilig einen anderen Musiker von Weltruf: Antonio Vivaldi (1678 – 1741), ("Die vier Jahreszeiten", 1725). Dieser hatte ihm zwar gemäß und dessen Erlaubnis eine Konzertsammlung "La Cetra" (Op. 9, "Die Leier", 1727) gewidmet. Karl VI. traf Vivaldi persönlich im September 1728 in Triest und übergab ihm die für einen Musiker zustehenden üblichen Anerkennungsgeschenke. Wahrscheinlich bot ihm der Kaiser eine mögliche Anstellung in Wien an. Vivaldi kam später nach Wien um bei Hof vorzusprechen – doch derweil war der Kaiser gestorben und der geniale Musiker wurde 1741 auf dem Friedhof nächst der Karlskirche zur letzten Ruhe gebettet. (Zu Jahresanfang 2024 wurden in ihren näheren Bereich ein Friedhof freigelegt. Ob da die Gebeine Vivaldis gefunden wurden wurde ins Reich der Spekulation verwiesen.)
Mit dem Abgang Karls VI. die Ewigkeit, verlor die exquisite Hofmusikkapelle aus wirtschaftlichen Ursachen unter Maria Theresia ihre Existenzberechtigung.