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Verwaltungsjurist und oberster Rechtssprecher#

Pflichtbewusstsein und Gerechtigkeit#

Karl VI. handelte als ausgebildeter Verwaltungsjurist, bewies Pflichtbewusstsein, zeigte offene Gerechtigkeitsliebe – aber alttestamentarische Größe brachte er wie so viele andere auch nicht auf. Dankenswerterweise seiner emsigen Minister war er ständig beschäftigt gewesen, Urteile und Gesetze zu begutachten und auszusprechen.
Es gab kein Thema, das nicht der Kaiser höchstpersönlich behandelt hatte.

Verbrechensverhütung#

Damals vertraten Juristen die Auffassung, Strafen seien dazu das Verbrechen zu verhüten. Bald erkannten sie auch, dass harte Strafen keineswegs Gesetzübertretungen verhinderten. Die Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. war damals fernerhin gültig, das allererste allgemeine (deutsche) Strafgesetzbuch von 1532, mit seinen abschreckenden Strafen, erfuhr dennoch seit dem ausklingenden 17. Jahrhundert dank der Gerichtspraxis hie und da abgemilderte Richtlinien. Für Karl VI. war wichtig die Läuterung des straffällig gewordenen Individuums ... Er griff ungern zur Strafe und übte lieber Milde. Zweifellos spielten da frühaufklärerische Tendenzen bei ihm eine gewisse Rolle.

Gesetze, Gesetze und Gesetze als Problemlöser #

So ließ er ein unter seinem Vater begonnenes Gesetzeswerk ["Codex Austriaci ..."] 1721 von Sebastian Gottlieb Herrenleben als "Sammlung Oesterreichischer Gesetze und Ordnungen, Wie solche von Zeit zu Zeit ergangen und publiciret worden ..." ergänzen und neuordnen. Bei Durchsicht dieser (vor allem seit 1711) veröffentlichten Gesetze, widerspiegelten sie einem von Verständnis und Weitsicht getragenen Herrscher mit einem doch ziemlich von traditionellen Usancen getragenen, veralteten Weltbild. Fortschrittlich waren immerhin Vorsorgemaßnahmen, um die Verbreitung der Pestseuche zu verhindern.
Es versteht sich von selber, dass seine Verordnungen vom Zeitgeist und manchmal von tendenziös bedingten Mangelerscheinungen geprägt waren, bis zur Demütigung des unschuldigen Individuums – inklusive dem bitteren Einreiseverbot jüdischer Wanderhändler. Dazu gehörten auch Dekrete gegen grenzüberschreitende Roma – sie wurden mit Räubern gleichgestellt und ihnen angedroht, sie ohne Prozess zu töten. Freilich hatte der Kaiser eine Unmenge Verordnungen zur Aufrechterhaltung der Ruhe im Habsburg-Österreich verfasst und verabschiedet.

Steuergesetze gegen Geldmangel in der Hofkammer, gegen Unruhen oder ähnliches#

Finanzprobleme versuchte der Kaiser mittels Einführung erhöhter Steuersätze und Mauten zu regeln.
Ausschreitungen rebellischer Gesellen in Wien und Umgebung suchte er mit Toleranz zu korrigieren. Als das nichts half publizierte er härtere Methoden. Jagdpatente gegen Zerstörung von Fluren sowie Wilderei durften seit seinem Regierungsantritt kaum fehlen. Desertierende Soldaten lockte er mit milden Dekreten – ob erfolgreich war nicht zu eruieren ... Skurrile und nützliche Gesetze – vom Aufschlag für Spielkarten und Haarpuder bis zum Eisaufhacken auf der winterlichen Donau (eher eine Strafarbeit) – gab er kund.

Härte#

Interessant auch die Ansicht über Gerechtigkeit innerhalb von Kirche und Staat. Auf Diebstahl, Raub oder Hehlerei lag die Galeerenstrafe zwischen drei und fünf Jahre. Für Gotteslästerung lag das Strafmaß bei zehn Jahren Dienst an den Rudern der Marine. (vgl. Wienerisches Diarium Num. XXX 15. April 1722) Die Realisation eines unter seinem Bruder initiierte Zusammenfassung des Allgemeinen bürgerlichen Rechts der österreichischen Erblande geriet unter Karl VI. irgendwie in Vergessenheit. Insgesamt und ansonsten hielt sich das Rechts- und Strafwesen unter Kaiser Karl VI. basierend auf dem Naturrecht in erhabenen Grenzen …

Reflexionen der Gesellschaft#

Der Kaiser übte allgewaltige Macht aus, die von den örtlichen Richtern exekutiert wurde.
Gesetze waren und sind Reflexionen auf den Intelligenz- und Bildungsgrad des jeweiligen Volkes. Bei manchen Verordnungen liegt der Verdacht nahe, dass die meisten Untertanen einfach zu unfähig waren, Probleme zu erkennen oder selber zu beheben. Das persönliche Gerechtigkeitsempfinden kreiste höchstens um Besitz und Geld. Und letzteres brauchte in Wahrheit die kaiserliche Hofkammer.

Sammlung Oesterreichischer Gesetze und Ordnungen ... (1721-1740) (Codicis Austriaci II 1752) Titelseite
Codicis Austriaci II 1752, Titelseite (Exemplar ÖNB) - Foto: Archiv Ernst Zentner

Das einzige relevante Gesetz das es gab, war höchstens die Pragmatische Sanktion von 1713, die zuletzt 1723 ratifiziert wurde und bis zum Zusammenbruch der Donaumonarchie ihre fragwürdige Existenzberechtigung bewahrt hatte. Sie hat im Codex einen ausführlichen Platz auf drei Seiten gefunden. (Danach kam eine Pest-Verordnung ...)

Sanctio Pragmatica, 19. April 1713
Sanctio Pragmatica, Uber die Erbfolge des Durchlauchtigsten Ertz=Hauses Oesterreich, 19. April 1713; Sammlung Oesterreichischer Gesetze und Ordnungen ... bis auf das Jahr 1720 (Supplementum Codicis Austriaca I Leipzig 1748, Seite 693-685 (Exemplar ÖNB) - Foto: Archiv Ernst Zentner

Gerechtigkeit gegen Folterinstrumente!#

Obwohl Karl VI. nach außen hin in Fragen des Gesetzes, Gerechtigkeit und Strafsystem fortschrittlich erschien, wurde doch noch in seiner Ära Pranger für Delinquenten eingesetzt. Nach einer älteren Prangersäule in der Residenzstadt Wien wurde eine neue Schandsäule an der Schranne, die platzseitige Front des bereits 1801 abgetragenen Fischbrunnenhauses errichtet. An dieser Säule wurden Delinquenten zur Schau gestellt.
[1726 war der Kaiser gezwungen ein extremes Exempel durchzuziehen, und zwar in einem Beziehungsdrama. Ein adeliges Fräulein wurde geschwängert. Ihre gesellschaftliche Stellung geriet in Gefahr. Weil eine katholisch geschlossene Ehe niemals geschieden werden konnte, wurde die unattraktive Ehefrau des Verführers umgebracht. Der Mörder wurde enthauptet, dessen Mutter und Graf Thurn wurden in geschlossener Festung zu Gradiška (Grenze zum Osmanischen Reich / Bosnien-Herzegowina) mit mittelalterliche Methoden gefoltert und anschließend getötet.]