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SCHIRMHERR DES GLAUBENS
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Zwischen Gott und der Welt
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In seiner Epoche dominierte die Frömmigkeit in farbiger Gelassenheit.
Mariazeller Gnadenstatue
Mariazeller Gnadenstatue – Foto: FOSO-ART (17. September 2014, 11:07:46) Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Dazu gab es dominante Wallfahrtsorte. Mariazell, Maria Taferl, Maria Plain und Maria Trost wären einige davon. Hinzu kam die nach Außen getragene Religiosität.
Basilika Mariatrost, Graz
Foto: Strohmi93 (30. Oktober 2021, 18:39:22), Wikimedia Commons - Gemeinfrei.Durch einen bevollmächtigten des Kaisers 1714 errichtet und erst Ende des 18. Jahrhundert fertiggestellt
Basilika Mariatrost, Kuppelfresko
Basilika Mariatrost, Kuppelfresko - Foto: E.mil.mil, Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Das Fresko stammte von Lukas Schram und seinem Schüler Franz Neher (1733/35-37) nach einem Programm vom kaiserlichen Verfasser Pio Niccolò de Garelli

Gottesstaat - Profanes und Sakrale#

Die Monarchia Austriaca war schon in Ansätzen ein Gottesstaat. Allerdings der Widerstand der Kaiser verhinderte so eine weitgreifende Entstehung - das lag in der Vergangenheit damals weit zurück. Einst versuchten Päpste und Kaiser einander um die weltliche Macht auf Erden streitig zu machen.

Dramatik des Glaubens#

Tiefe Ernsthaftigkeit brachten weihnachtliche Krippen hervor. Dann erschütternde, figurenreiche und detaillierte Kalvarienberge. Kirchen aus der spätmittelalterlichen Gotik verwandelten sich, beeinflusst durch den aus dem Süden mitgebrachten römischen Baustil in damals moderne, kostspielige Architekturen in der Machart des heute bekannt als Barock.

Widersprüche und spärliche Versuche#

Aber auch Widerspruch verkörperte der Klerus im 18. Jahrhundert. Obwohl sie den christlichen Glauben verkörperten, herrschte eine Distanz zu den Lutheranern, dann noch anderen Glaubensrichtungen und den Judentum gegenüber. Manchmal herrschte ein untergriffiger harter Ton gegenüber den "Gegnern", der sich auch in verbaler Methode fortsetzte und nicht vor rigorose Maßnahmen zurückschreckte. Toleranz war doch eine unbekannte Konstante einst. Erst die Aufklärung seit der Jahrhundertmitte wird vieles ändern, teilweise verbessern. Die Kirche wird dem Staat untertan werden. Unter Karl VI. war diese Tendenz noch nicht spürbar. Jedoch versuchte er zu Rom eine Trennlinie anzudeuten, und das wurde wegen der bourbonenhörigen Päpste verursacht. Karl VI. erinnerte sich an den frankophilen Kardinal Portocarrero, den letztlich er und sein Kontrahent Philipp V. nicht mehr so akzeptierten. Dem Habsburger stand der niedrige Klerus näher als die altgewohnte Führungsspitze, bestehend aus Bischöfen und Kardinälen.

Spanische Religionskultur#

Unsere Liebe Frau von Montserrat - Statue Madonna von Montserrat
Unsere Liebe Frau von Montserrat - Statue Madonna von Montserrat - Ausschnitt eines Fotos: Misburg3014, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Eine Frage stellt sich doch – mag die Antwort auch vielleicht überkritisch sein: Womit Erzherzog Karl es in klerikalen Umständen in Spanien zu tun hatte? Karl war als überaus frommer Kaisersohn erzogen worden. Das religiöse Umfeld am Wiener Hof hatte ihn zutiefst geprägt. Das war auch aus zeitkulturellen Ursachen bedingt. Nun er wird zwar nicht mit Zitaten aus der Bibel umhergeworfen haben. Zumindest hatte er den Willen des Mächtigen zu respektieren und was auch das Schicksal für den Habsburger beschieden hatte, das hatte er mit Mühe akzeptiert.
Erzherzog Karl betrat spanischen Boden. Ein Blick in die Geschichte der spanischen Religionskultur ist nicht ohne Gefahr der Einseitigkeit möglich. Die katholischen Könige hatten über Jahrhunderte die Bevölkerung geprägt. Seit den nicht gerade ruhmreichen Tagen der Inquisition hatte in Spanien nur eine Religion das Recht ausgeübt zu werden: Die römisch-katholische Religion, wobei das Christentum als tragende tolerante humanistische Kraft – peinlicherweise – an Gültigkeit verloren hatte. Protestanten wurden nicht geduldet – nur in Biskaya lebten an 30.000 Lutheraner … Juden wurden nicht geduldet – und das seit 1492 … Die Söhne des Propheten wurden genauso wenig akzeptiert. Seit der Reconquista war der Islam auf spanischen Boden kein Diskussionsthema gewesen. Naturreligionen, wie sie farbige Sklaven aus Afrika – womöglich der altägyptischen Kulte verpflichtet – mitgebracht hatten, wurden nicht erlaubt. Beinahe erinnert das alles an den Hitlerismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das einseitige kulturelle Missverhältnis existierte auch in Spanien an der Wende zum 18. Jahrhundert. Im Konflikt zwischen Bourbonen und Habsburger waren plötzlich auch zweierlei geistig-geistliche Strömungen da, die gleichfalls zum intellektuellen Kampfeinsatz gegeneinander herhalten mussten. Auf den Österreicher musste die iberische Religionskultur – mitsamt ihren ja doch eher makabren Traditionen und Gebarungen im Brauchtum – wie ein Schock gewirkt haben. Andererseits könnte sie seinem katholischen Weltbild sowieso entgegengekommen sein – und das auch nur weil Prinzen aus dem Hause Habsburg für eine Thronfolge in Spanien entsprechend ausgebildet wurden. Hauptsache Karl von Österreich konnte sich die spanische Krone aufsetzen – wenn auch nur vorübergehend.

El Escorial - Kloster San Lorenzo und Schloss
El Escorial - Kloster San Lorenzo und Schloss - Foto: Malopez 21, Wikimedia Commmons - Gemeinfrei. Vorbild für das geplante Schloss-Kloster Klosterneuburg

Karl VI. achtete auch die Nationalheiligen Spaniens, so etwa die heilige Eulalia von Mérida – sie lebte im 3./4. Jahrhundert. Sie wurde als jugendliche Gegnerin der Christenverfolgung grausam gefoltert und ermordet. Der Legende zufolge stieg ihre Seele in Gestalt einer weißen Taube zum Himmel. Mérida liegt in der Estremadura – El Escorial! Eigentlich war die heilige Eulalia nicht nur Nationalheilige von Spanien, sondern auch von Katalonien.

Heilige des Alltag#

Heilige aus der Vergangenheit waren für die Habsburger wichtig. Man denke an den Babenberger Markgraf Leopold III. von Österreich, der in Klosterneuburg seine Grablege hat. Erwähnenswert îm Königreich Böhmen Johann Nepomuk, der Brückenheilige. Seine Verschwiegenheit war Bestandteil des Beichtgeheimnisses. Manchmal auch zum Ärger des jeweiligen Herrschers.
Blick auf Stift Klosterneuburg, Umkreis des Johann Wilhelm Jankowski, um 1850 (?)
Blick auf Stift Klosterneuburg, Umkreis des Johann Wilhelm Jankowski, um 1850 (?) - Foto: www.dorotheum.com, Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Diese Ansicht ist hundert Jahre nach Karls VI. Regierung entstanden. Links ist der titanische barocke Baukörper erhalten. Rechts die vorbarocken Bauten. Im Auftrag des Kaisers erfolgte am 25. Mai 1730 die Grundsteinlegung des barocken Bauwerks. Vielleicht beabsichtigte er neben den hl. Leopold eine eigene Grabstätte? Zu Leopoldi 1739 bewohnte der Kaiser nur einziges Mal die Appartements
Grabmal des Hl. Johannes Nepomuk im St. Veitsdom zu Prag
Grabmal des Hl. Johannes Nepomuk im St. Veitsdom zu Prag - Foto: Rémi Diligent, Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Angefertigt nach Entwurf von Joseph Emanuel Fischer von Erlach und einem Model von Antonio Corradini von Silberschmied Johann Joseph Würth, 1733-36
Seine Serie von Taufnamen gaben ihm - und die seiner Nachkommen - bereits seine christliche Glaubensrichtung vor. Seine kaiserlichen Eltern entschieden ihn, nach einer alten Sitte, für den geistlichen Stand zuzuführen. Das setzte eine entsprechende Ausbildung voraus.
Die Kirche war ein Staat im Staate Habsburg-Österreich. Ein Gottesstaat, der seit dem Westfälischen Frieden so richtig Form angenommen hatte. Allerdings passte der Habsburger auf ihre politischen Intentionen auf. Der Vatikan unterstützte die Politik des Sonnenkönigs. Karl VI. begriff, dass er durch den Rom-hörigen Klerus eingeengt wurde, und entschied eigenen Wege zu beschreiten. Man muss sich das mal vorstellen. Der jeweilige Kardinal oder regional verantwortliche Bischof verfuhren nach eigenwilligen Regeln, die keinesfalls Gott und den Glauben in Frage stellten. Allerdings wenn es um außen- oder innenpolitische Entscheidungsfragen ging, waren die Entscheidungen zwiespältig gewesen. Zufrieden war keiner aufgetreten. Weder Rom noch Wien. Karl VI. erinnerte sich an Maximilian den letzten Ritter, dessen Wunsch es war, auch Papst zu werden. Um über die Weltkirche herrschen zu können brauchte es entsprechende Symbole.
Karlskirche, Wien-Wieden
Karlskirche, Wien-Wieden. Foto: Welleschik (10. Mai 2008), Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Die Karlskirche wirkt trotz ihrer Ästhetik und ihrer hohen Sinngebung völlig sachlich. Komischerweise wirkt sie auf zeitgenössischen Abbildungen – Bauskizzen und -pläne, Modelle und Medaillen – und nach der Fertigstellung dennoch anspruchsvoll. Sie gilt als außergewöhnliches Meisterwerk von Johann Bernhard Fischer von Erlach. Kaiser Karl VI. hatte sie höchstpersönlich – neben zwei anderen Projekten (Johann Lucas von Hildebrandt, Ferdinando Galli-Bibiena aus Bologna) – im November 1715 – in die engere Wahl genommen. Der Hofkriegsrat anerkannte die Wahl des Standortes. Hauptsache die Festungsstadt Wien war nicht gefährdet. Aus Karls VI. Sicht entsprach das Kirchenbauwerk als vornehmste Sakralarchitektur des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Widerspiegelt sie den "Kaiserstil"? Der Bauherr stellte zwar seinen Glauben in den Mittelpunkt seiner Regierungsphilosophie. Eher agierte er als oberflächlicher Bürokrat mit einem Hang zu einem überweltlichen Gehaben
Der Bau der Wiener Karlskirche - eigentlich in ein Stein und Farbe verwirklichter Dank aus Errettung vor der Pest – wurde zum sichtbaren Ausdruck des Neuen Roms, Nova Roma. Seit Jahrhunderten machten sich die Geistlichkeit und Weltlichkeit um die Machtausübung tiefe intellektuelle Streitereien.
Als Zweitgeborener wurde er dem Klerikerstand zugeführt. Das war in Adelsfamilien so üblich gewesen. Zwei Jesuitengeistliche: Lovina und Pauer, welche ihn auch Sprachenunterricht erteiltem, überstützten ihn auf dem Weg zur Frömmigkeit. Außerdem vermittelte ihn der einstige Wiener Fürstbischof Ernst Graf von Trautson Geschichtswissen und Verständnis für die Heraldik.
Das Wissen über die Allmacht Gottes verhalf den einfachen Menschen wie auch den Monarchen den Alltag im Barock mit all seinen Niederungen zu bestehen. Das irdische Leben war endlich und sollte genützt werden.

Religiöse Gepflogenheiten#

Stephansdom, Topographia Austriacarum (Merian)
Stephansdom, Topographia Austriacarum (Merian) - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
In Wien besuchte der Herrscher seine privaten Kapellen, etwa die kaiserliche Hofburgkapelle und die dem hl. Joseph geweihte Kammer-Kapelle im Leopoldinischen Trakt der Hofburg, ebenso die in den Schlössern seiner Jagdreviere untergebrachten Schlosskapellen.
Der mächtige Turm des aus dem Mittelalter stammenden Stephansdoms dominierte über der Stadtfestung. Der hohe spitzzulaufenden Turm war weithin sichtbar – heute ist seine Sicht teilweise durch die hohen Wohnbauten verstellt. In der Zeit seiner Grundsteinlegung 1137 wurde das Bauwerk völlig nach dem Sonnenstand im Osten ausgerichtet. In Wien selbst befanden sich über zwanzig Kirchen und ebenso viele Klöster. Ihre skurrilen Glockentürme beherrschten die Stadtsilhouette. In einem Kriegs- oder Katastrophenfall wurde die Pummerin von St. Stephan geläutet. Normalerweise waren ihre tiefen klangvollen Glockentöne höchstens zu den hohen Feiertagen des Kirchenjahres zu hören.

Die Juden und der Kaiser#

Der Antijudaismus Kaiser Karls VI. rührte daher, dass sein Vater Kaiser Leopold I. in den Juden die Feinde Christi gesehen hatte. Wie der Alltags-Antijudaismus damals zu sehen ist, erläutert eine von Hofprediger Abraham a Sancta Clara um 1700 überlieferte bösartige Anekdote. Während der Fahrt auf der Donau durch die gefährlichen Strudeln beruhigte er einen mitreisenden Rabbiner folgendermaßen: ... es werde ihm nichts geschehen; was an den Galgen gehörte, fände in der Donau kein Grab ...
Hofprediger Abraham a Santa Clara, vor 1709
Hofprediger Abraham a Santa Clara, vor 1709; Wien Museum - Foto: Wolfgang Sauber, Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Kaiser Karl VI. hatte den wortgewaltigen Geistlichen um 1700 gewiss gekannt
Angespornt durch die Wiener Bürgerschaft – vor allem der Händler und Kaufleute. Die Erziehung Karls durch kämpferische Geistliche tat ihr übriges.
Die jüdische Einwohnerschaft in der Monarchie unter Kaiser Karl VI. hatte nichts zum Lachen. Schon unter dessen Vater Leopold I. war der Alltagsantisemitismus ordentlich gediehen. Zehn Familien wurden geduldet, und zwar als Geldgeber für das Kaiserhaus. Sie durften nicht einmal Sänften benützen. Die Finanzkammer bremste den antijüdischen Übereifer Karls VI. etwas. Das Geld war wichtiger. An christlichen Feiertagen durften jüdische Menschen nicht einmal in der Öffentlichkeit erscheinen.
David Ben Abraham Oppenheimer, Oberrabbiner von Prag. Kupferstich, 1772
David Ben Abraham Oppenheimer, Oberrabbiner von Prag, seit 1718 mittels kaiserlichem Dekret Landesrabbiner von Mähren und Böhmen, Kupferstich, 1772. David Ben Abraham Oppenheimer, Oberrabbiner von Prag, seit 1718 mittels kaiserlichem Dekret Landesrabbiner von Mähren und Böhmen. Der Kaiser fühlte sich auch für Belange seiner jüdischen Untertanen zuständig. Der damalige Rabbiner von Prag, David Ben Abraham Oppenheimer (1664-1736), ein in Worms geborener, anerkannter Theologe, Mathematiker und Geograf sowie Bibliophiler, wurde als alleiniger böhmischer Landesrabbiner – als Kabbalist – ungewollt in theologische Streitereien verwickelt. Karl VI. hatte genug mit Aufständen protestantischer Untertanen zu tun. Ein Ärgernis durch israelitische Untertanen käme einer kostenpflichtigen Zuwaage gleich: Der Kaiser verbannte die aufständischen – aber strengen – Jewischa-Studenten – Sabbatianer – aus Prag und übergab David Oppenheimer die alleinige Autorität über die Prager Rabbinatsstudien - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Der Kaiser mischte sich sogar in der Vermittlung von hebräischen Theologiestudien ein, und nur weil unter den Prager Studenten ein bestimmter Rabbi bevorzugt worden war. Dennoch wurde für den Kaiser und der Kaiserin gebetet.
Auch Karl VI. unterschied bei manchen Juden: Einen Portugiesier-Spanier namens Don Diego d'Aguilar Pereira erhob er in den Adelsstand. Pereira finanzierte eine Synagoge und ein Bethaus. Um ihn scharten sich "angesehene Spaniolen" wie die Camondo, Nissan, Eskenasy, Nissim, Juda Amar, Malgo und Beneviste. Aguilar zählte – neben Oppenheimer und Wertheimer – als bekanntester Wiener Hofjude. Er entstammte einer Marranenfamilie – erst als 30-Jähriger erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft. In Amsterdam bekannte er sich mit seiner Familie offiziell zum jüdischen Glauben, kam 1722 nach Wien, pachtete das staatliche Tabakmonopol, das zur Basis der späteren "Österreichischen Tabakregie" wurde.
Die wichtigste Prager Jüdische Gemeinde widerfuhr Ärgernis (1724). Eine Auswanderungswelle nach Westungarn und Polen war die Folge. Toleranz war damals eher ein Fremdwort. Auch wenn ein Mensch jüdischer Herkunft römisch-katholisch getauft wurde, konnte es ihm bei einem Strafprozess seine frühere Konfession als Nachteil angerechnet werden.
Dazu brachte er kaum Begeisterung für die späte Affäre Jud Süß (1737/38) auf. Im Herzogtum Württemberg gab es eine Krise nach der anderen. Der Hoffaktor Joseph Süß Oppenheimer wurde als Hoffaktor wegen seiner politischen Nähe zum Herzog Carl Alexander von Württemberg (1664-1737) missbilligt und wegen Hochverrat aus nichtigen Ursachen - als Sündenbock - hingerichtet bzw. ermordet.
Joseph Süß Oppenheimer, Kupferstich, 1738
Joseph Süß Oppenheimer. Kupferstich von 1738 via JewishEncyclopedia.com- Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Hinrichtung Joseph Süß Oppenheimer bei Stuttgart. Kupferstich, 1738
Überhöhte Darstellung der Hinrichtung Joseph Süß Oppenheimer bei Stuttgart. Kupferstich von Lucas Conrad Pfandzelt und Jacob Gottlieb Thelot, 1738, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Graphische Sammlungen – Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei

Anerzogener Alltagshass auf jüdische Menschen gehörten zur Lebenswelt im Zeitalter Kaiser Karls VI. Nicht einmal ihre kultisch bedingten Freudenfeste durften sie feiern. Übrigens seine Erbtochter blieb auch in Fragen des Judentums keine Ausnahme. Trotzdem lieh sie sich vom sephardischen Juden Diego d’Aguilar 300.000 Gulden für den Ausbau ihres Lieblingsschlosses Schönbrunn.
Ein von der kaiserlichen Obrigkeit diktierter Antijudaismus. Ein mögliches Erklärungsmodell warum über Jahrhunderte bis ins 20. Jahrhundert die Shoah den grausigen Höhepunkt markieren sollte? In Österreich? In den deutschsprachigen Gebieten? Zufall?

Ausgerechnet Evangelische!#

Evangelische Gläubige wurden genauso wenig geduldet. Die Frage des Protestantismus beschäftigte den Kaiser unentwegt. In seinem Reich schlug die Gegenreformation ihre letzten großen Wellen. Im österreichischen Barock herrschte ein christlich dominierter Fanatismus, frei nach dem Prinzip, wer ein Protestant ist, das bestimme noch immer ich.
Dekrete gegen Protestanten in Böhmen und Mähren. Dann nahm noch die katholische Kirche gravierenden Einfluss im Leben der ungarischen Protestanten. Allein schon ihr Vorhandensein wurde bereits als Rebellion interpretiert.
Thorner Blutgericht. Kupferstich, nach 1725
Thorner Blutgericht. Kupferstich, nach 1725 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei. Das Thorner Blutgericht im Dezember 1724 (Polnisch Preußen) dürfte dem Kaiser nicht entgangen sein. Lutheraner wurden hingerichtet. In ganz Europa wurde darüber berichtet. Diese Ereignisse waren das Ergebnis jahrhundertelanger Unterdrückung der Protestanten. August der Starke, als August II. König von Polen führte eine Rekatholisierung durch. Dazu protestierte der preußische König Friedrich Wilhelm I.
Schließlich gab es für sie keine öffentlichen Ämter mehr. Am schlimmsten war eine Unterdrückungswelle in Salzburg (1728/29). Die Bauern glaubten in Karl VI. einen toleranten Fürsten zu sehen. Er befahl ihnen ihren Landesfürsten zu gehorchen. Um einen größeren Aufstand zu verhindern, befahl der kaiserliche Beichtvater Tönnemann den Einmarsch kaiserlicher Truppen. Bayern verriegelte aus Sorge aus Ausschreitungen seine Grenzen. Wohl dürfte dem Kaiser und die Kirchenspitze die Angst bewegt haben, das Ganze könnte in eine Massenbewegung eskalieren, die alle Werte der römisch-katholischen Religion und des politischen Systems untergraben könnte. Das hieße ein noch brutaleres Vorgehen als Konsequenz. Die Habsburger hatten eine interessante Tradition schwierige Entscheidungen indirekt zu fällen ohne rhetorisch in ideelle Schwierigkeiten zu geraten. Kirchenmänner mussten eigenständig im Sinne der Weltkirche, vor allem im Sinne des Allerhöchsten Entscheidungen fällen und tragen. Tönnemann hatte im Interesse der Kirche gehandelt und Karl VI. konnte beruhigt sein. Der Schein war gewahrt. Allerdings ging es bloß nur um Machtausübung. Macht und Toleranz und christlicher Glauben gingen niemals zu keiner Zeit der letzten eineinhalb Jahrtausende Hand in Hand. In Extremsituationen tat einfach niemand das Richtige. Es ist die österreichische Wesensart: hier hat noch nie jemand in der Führungsschicht etwas richtig gemacht - bis heute. Karl VI. war nicht einmal imstande Salzburg einfach durch einen Handstreich zum Reich Habsburg zu setzen. Er war von unfähigen Möchtegernpolitikern umgeben und Tönnemann – er mag als Mensch des Klerus integer gewesen sein – war einer von ihnen.
Eigentlich war das ganze Geschehen für Österreich scheinbar bedeutungslos. Letztlich dank einem vom Erzbischof Firmian unterfertigten Patent (31. Oktober 1731) gipfelte das alles in eine Exulantenbewegung 1731/32 mit nahezu 22.000 Menschen. Beschwerden an den Deutschen Reichstag blieben fruchtlos. Ebenso die Mahnungen des – scheinbar unparteiisch agierenden – Kaisers und des Papstes an den Erzbischof. Sogar eine persönliche Begegnung Karls VI. mit dem Salzburger Erzbischof in Linz im Spätsommer 1732 schien da kaum erfolgreich verlaufen zu sein. Protestantische Höfe in Europa und die ex-protestantische Kaiserin äußerten ihren berechtigten Unmut. Weil der Kaiser keinerlei – rechtliche – Handhabe über Salzburg besaß, konnte er oder wollte wohl auch nicht.
Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. empfängt die Salzburger Exulanten
Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. empfängt die Salzburger Exulanten, 18. Jahrhundert - Foto: Popik, Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Ein Teil der Vertriebenen fand ein Gutteil in Ost-Preußen, Holland und Georgia (Nordamerika) willkommene Aufnahme, worauf von seitens Preußens Spannungen bis in die Schlacht bei Königgrätz 1866 vorgegeben waren.
Der Kardinal Erzbischof von Wien, Sigismund von Kollonitsch, er war verärgert, weil nicht wenige Katholiken die evangelischen Gottesdienste besuchten. Zumeist waren es Gotteshäuser protestantischer Gesandtschaften. Er verfasste ein Gravamen (Beschwerde) an den Kaiser und forderte Maßnahmen (1736). Man muss auch zugeben, dass Evangelische das christliche Glaubensgut verständlicher vermitteln konnten, als die dominante römisch-katholische Geistlichkeit. Nun Karl VI. war mit einer Ehefrau verheiratet, die ursprünglich evangelisch war und oft waren Berater aus dem Luthertum gekommen. Auf der anderen Seite wollte Karl VI. mit Dänemark, Schweden und Holland ein gutes Auskommen haben. Karl VI. hatte sowieso mit Rom seine Schwierigkeiten. Also war Beschwichtigung angesagt?

Eine Universitätsgründung#

Adolphiana - Alte Universität Fulda. Das barocke Gebäude wurde 1731–1734 durch Andreas Gallasini erbaut. Abbildung, 1887
Adolphiana - Alte Universität Fulda. Das barocke Gebäude wurde 1731–1734 durch Andreas Gallasini erbaut. Abbildung, 1887 - Foto: Wikimedia Commons - Gemeinfrei
Karl VI. unterhielt Kontakte mit dem Kloster Fulda im Reichsfürstentum Hessen. Dort konnte nur jemand eintreten, der seine adelige Herkunft auch ordentlich belegen konnte. Der Kaiser ermöglichte die Gründung der Universität Fulda durch Anton Adolph Freiherr von Dalberg (1733). Die feierliche Eröffnung der Adolphsuniversität fand Ende des Sommers 1734 statt. Vier Falkultäten: Theologie (römisch-katholisch), Philosophie, Medizin und Rechtswissenschaft.