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Automaten#

(Die Popkultur-Maschinen)#

von Martin Krusche

Wenn Werkzeuge einen Tick komplexer werden und dann manche Vorgänge eigenständig abwickeln können, reden wir von Automaten. Ich erinnere mich an Wochenschau-Beiträge aus meiner Kindheit, die damals den Kinofilmen vorgespannt waren, darin kamen Sensationen aus anderen Weltteilen vor, wie zum Beispiel komplette Automaten-Geschäfte, die auf Kundenseite ohne Personal auskamen. Das fanden wir atemberaubend, wo wir eben erst den Umstieg vom Greißler auf Supermärkte mental verkraftet hatten.

Der Klassiker: Kaugummi-Automat – (Foto: Martin Krusche)
Der Klassiker: Kaugummi-Automat – (Foto: Martin Krusche)

Kleinere Versionen solcher Anlagen tauchten dann auch in meinem Leben auf. Automaten-Wände, die rechteckige Schubfächer hatten, deren Klappen mit Sichtfenstern versehen waren, das Innere abends und nachts beleuchtet. Was man da alles für einige Münzen aus den Fächern ziehen konnte. Sandwiches, na, wir sagten damals: Jausenbrote, Damenstrumpfhosen, Kleinbildfilme, Rosen…

Jukebox: Die Popmaschine schlechthin, hier eine Sechzigerjahre Rock-Ola – (Foto: Museum für Energiegeschichte(n), Creative Commons)
Jukebox: Die Popmaschine schlechthin, hier eine Sechzigerjahre Rock-Ola – (Foto: Museum für Energiegeschichte(n), Creative Commons)

Wir stoßen noch heute im Alltag ohne weiters auf Getränkeautomaten und Zigarettenautomaten. Zum Beispiel auf Bahnhöfen, wo wir auch Fahrkartenautomaten finden. Ich hab ein besonderes Faible für den Cappuccino von den Kaffeeautomaten bei Tankstellen. Zapfsäulen sind natürlich auch weit verbreitete Automaten.

Viel seltener wurden inzwischen jene unverwüstlichen Kaugummiautomaten, die wir als Kinder immer zu überlisten versuchten. Die Mechanismen dieser Apparate sind ganz simpel. Der Verschluß wird durch die passende Münze entriegelt und gibt die vorgesehene Menge an bunten Kugeln frei. Wir versuchten seinerzeit durch Rüttelbewegungen am Drehmechanismus mehr Kugeln als vorgesehen abzuziehen.

Wir haben freilich auch so manchen Ersatz für die erforderliche Schilling-Münzen getestet. Ein Manipulationsversuch, den wir ebenso auf Telefonautomaten anwandten. Solche Apparate sind durch die Mobiltelefonie schon sehr selten geworden, aber manchmal können Sie noch auf Telefonzellen stoßen. Ich erinnere mich gut, dass wir die Manipulation von Automaten nicht als Betrug empfanden. Man konnte manches Münztelefon auch überlisten, indem man nur kurz sprach und den eingeworfenen Schilling zurückgewann. Wertkartentelefone wurden die spätere technische Variante, für die man keine Münzen mehr einwerfen musste, sondern jene namensgebende Karte verwendete, die zu Sammelobjekten wurden wie Briefmarken.

Kaugummiautomat wie vor Jahrzehnten – (Foto: Martin Krusche)
Kaugummiautomat wie vor Jahrzehnten – (Foto: Martin Krusche)
Süßwaren in alter Technik, jüngeres Design – (Foto: Linie29, Creative Commons)
Süßwaren in alter Technik, jüngeres Design – (Foto: Linie29, Creative Commons)
Kondome und Sexkram via Drehknopf – (Foto: Martin Krusche)
Kondome und Sexkram via Drehknopf – (Foto: Martin Krusche)

Apropos Briefmarken! Ich habe als Bub leidenschaftlich gesammelt. Sondermarken wurden bei uns seinerzeit noch im Tiefdruckverfahren hergestellt und österreichische Graveure hatten internationalen Rang. Das gab den wunderbaren Bildern zu allen nur denkbaren Themen eine eigentümliche Brillanz und eine spürbar eigenartige Oberfläche. Zugleich bezog ich daraus eine anschauliche Vorstellung von Populärkultur, ohne mit einschlägigen Diskursen vertraut zu sein, weil die Erzählungen in den farbenfrohen Bildchen von Kaiser Franz Josef und Kaiser Karl über Hitler zu Österreichs Präsidenten heraufführten und im Kielwasser dieser Darstellung von Honoratioren fast alle Themen des Lebens berührten, uns also Bilder lieferten, die das Leben in der Spannweite vom Erhaben zum Trivialen ausloteten.

Roboter-Riese Talos auf Didrachme – (Foto: Cabinet des Médailles, Public Domain)
Roboter-Riese Talos auf Didrachme – (Foto: Cabinet des Médailles, Public Domain)

Zwischen 1957 und 1963 gab die österreichische Post eine Briefmarkenserie heraus, die dem Thema „Bauwerke und Baudenkmäler“ gewidmet wurde. Im Jahr 1960 erschienen Miniaturversionen von drei Motiven aus dieser Serie. Sogenannte Automatenmarken, die man aus schlanken, gelb lackierten Apparaten von Rollen ziehen konnte. Diese quasi amtlichen Kisten mussten sich mit auffallender Farbgebung begnügen. Auf anderen Geschäftsfeldern konnte das Dekor schriller ausfallen, oder wie wir damals sagten: poppiger.

Automatenmarke neben dem Normalformat – (Foto: Martin Krusche)
Automatenmarke neben dem Normalformat – (Foto: Martin Krusche)

Musikautomat, Glücksspielautomat, Stechuhr, Parkuhr, Selbstauslöser für Fotoapparate, aber halt! Auch jede mechanische Uhr ist doch ein Automat. Mechanisches Spielzeug zeigt unendliche viele Variationen. Das ließe sich nun in einer endlosen Aufzählung fortführen. Automaten sind mechanische Anordnungen, die eine bestimmte Wenn-Dann-Serie abarbeiten, sobald man diese ausgelöst hat. Das fasziniert die Menschen seit tausenden Jahren. In unserer Mythologie hat sich etwa der Schmied Hephaistos in derlei Angelegenheiten hervorgetan. Er soll mechanische Diener, Krieger, Wächter, erschaffen haben, wie etwa den bronzenen Riesen Talos.

Durch den Mechanismus von Antikythera wissen wir übrigens, dass die alten Griechen nicht nur über das nötige Physik-Know how für Automaten verfügten, sondern auch die Feinmechanik beherrschten, um sie zu bauen. Es ist bloß damit ähnlich wie mit der bis heute stilprägenden griechischen Plastik: es sind kaum Originale erhalten. Wir kennen die Uhrwerke betreffend überhaupt nur eines. Jene astronomische Uhr, ein Fragment aus einem Schiffswrack, das nahe der Insel Antikythera gefunden wurde. Ein Unikat, das selbst nicht mehr funktionsfähig ist. Aber aufgrund jüngerer Untersuchungsmethoden, konnten Details des Mechanismus dargelegt und der Apparat nachgebaut werden, um seine Tauglichkeit zu überprüfen.

Ein jüngeres historisches Beispiel aus dem Japan der Zeit zwischen 17. und 19. Jahrhundert ist Karakuri ningyō, die Kunst Automaten zu bauen. Ich erwähne das asiatische Exempel, weil Karakuri dort bis heute als Kunstform gepflegt wird. Es gibt auch genug europäische Beispiele, etwa Text schreibende oder Schach spielende Figuren oder attraktive Spieluhren. Aber all das ist bei uns in die Massenproduktion gewandert oder verebbt. Man denke nur an die unzähligen Spielzeugroboter.

Parkscheinautomat – (Foto: Martin Krusche)
Parkscheinautomat – (Foto: Martin Krusche)
Zigarettenautomat – (Foto: Martin Krusche)
Zigarettenautomat – (Foto: Martin Krusche)
Viel EDV: Fahrkartenautomat – (Foto: Martin Krusche)
Viel EDV: Fahrkartenautomat – (Foto: Martin Krusche)

Apropos Schachroboter. Manchen Menschen gilt das Jahr 1996 als eine besondere Markierung, bei der die Menschen durch die Maschinenwelt gedemütigt wurden. Sozusagen ein Großereignis dessen, was Philosoph Günter Anders die Prometheische Scham nannte. Der Schachcomputer Deep Blue, von IBM; entwickelt, schlug in Philadelphia den Schachweltmeister Garri Gasparo. Das ist freilich kein Automat mehr, sondern ein programmierbarer Universalrechner. Damit ist also auch eine Zeitenwende im menschlichen Maschinenpark illustriert.

Deus ex Machina, Entwurf für Corneilles Andromède von 1650 – (Graphik: Public Domain)
Deus ex Machina, Entwurf für Corneilles Andromède von 1650 – (Graphik: Public Domain)

An diversen Spielautomaten kann man gut nachvollziehen, wie ursprünglich rein mechanische Apparaturen erst einmal mit elektrischen Elementen wie Lampen und kleinen Motoren ausgestattet wurden, um dann elektronisch aufgerüstet und letztlich digitalisiert zu werden. Flipperautomaten und Slot Machines (Glücksspielautomaten) stehen dafür exemplarisch. So auch die Musicbox (Jukebox), in der wir als Kinder die 17 Zentimeter-Singels gebunkert sahen, von wunderbaren Mechanismen bewegt und zum Klingen gebracht, funkelnd, glitzernd, dröhnend. Mit Compact Discs (CD) gespeiste Apparate bringen nicht annähernd solchen Charme auf.

Damit sei betont, dass wir uns mit Automaten zwar stets Bereiche der Arbeitswelt erleichtern wollten, aber dann immer auch solche Technologien auf Bereiche der Unterhaltung und der Kultur umgelegt haben. Aber das hat Geschichte, die bis weit in die Antike zurückreicht. Ich meine den Deus ex machina, das Erscheinungswunder, den Gott aus der Maschine. Das ist kein spirituelles Thema, sondern ein Motiv aus der antiken Theaterwelt. Bühnenmaschinerie.

Nach Texten jener Zeit betrifft das Momente, in denen der Mensch mit der Lösung eines Problems überfordert ist, was dann nur durch das Auftauchen einer Gottheit zum Happy End geführt werden kann. Und schon rattert der Mechanismus… Sie sehen, wenn man das gesamte Thema abklopft, findet man dabei eine kühnen Bogen zwischen Volkskultur, Popkultur und Kunst.

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