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Brückenschläge#

Reflexionen über einen besonderen Ort#

von Martin Krusche

Vor der eigentlichen Geschichte eine kleine Skizze: Er hieß ursprünglich Reporb, stammt aus Kanaan, war körperlich von furchteinflößender Erscheinung, ein Berg von einem Mann. Er wurde Soldat, Missionar, schließlich Märtyrer. Seine erhebliche Köperkraft nutzte er dort, wo ein Fährmann fehlte, um Menschen über einen Fluß zu tragen.

Diese Strukturen sieht man sonst natürlich nicht aus solchen Perspektiven – (Foto: Martin Krusche)
Diese Strukturen sieht man sonst natürlich nicht aus solchen Perspektiven – (Foto: Martin Krusche)

Die Legende besagt, er habe in Erfüllung dieser Aufgabe einmal ein Kind durchs Wasser getragen, das sei ihm unterwegs zu einer enormen Last geworden. Reporb soll darauf gefragt haben: „Wer bist du, Kind? Wenn ich die ganze Welt auf den Schultern getragen hätte, wäre das nicht so schwer gewesen, wie du es warst. Warum hast du mich in solche Gefahr gebracht?“

Wie alle kennen das Bild und wissen daher die Antwort. Wir nennen ihn Christophorus, das bezeichnet den "der Christus trägt". Er ist ein populärer Heiliger, ist als Schutzpatron nicht bloß für Reisenden, Lastträger und Seeleute zuständig. In neuerer Zeit bekam er auch noch die Patronanz über Kraftfahrer und sogar Luftschiffer anvertraut, die Straßenwärter nicht zu vergessen.

Christophorus weist auf eine Gefahr hin, die manche Menschen unterschätzen. Gewässer sind magisch, sind die Quelle vielen Lebens auf der Erde, aber auch todbringend. Was daher „Brücke“ bedeutet, können Sie auf sinnliche Weise erfahren, indem sie bei Gelegenheit ein Flüßchen zu durchqueren versuchen.

Dann aber gibt es Zeiten, etwa die zur Schneeschmelze, da sollte man nicht einmal versuchen durch einen Bach zu waten. Zwischenfrage: Können Sie sich vorstellen, daß jemand Brücken sammelt? Echte Tragwerke. Originale, die da oder dort in Verwendung waren und schließlich durch andere Konstruktionen ersetzt wurden. Ja, es gibt Menschen, die Brücken sammeln. Aber vorerst noch ein paar allgemeine Überlegungen.

Christophorus, ein Sgraffito von Hermann Ruff, 1965 – (Foto: Lothar Spurzem, Creative Commons)
Christophorus, ein Sgraffito von Hermann Ruff, 1965 – (Foto: Lothar Spurzem, Creative Commons)

Die Bewältigung bautechnischer Aufgabenstellungen führt seit jeher zu faszinierenden Ergebnissen. Vieles wurde von der Zeit verschluckt. Manches ist nur in mündlicher Überlieferung erhalten. Ab und zu sieht man imposantes Menschenwerk, das Jahrtausende Bestand hat.

Denken Sie nur an römische Aquädukte. Wasserleitungen, mit denen große Distanzen überwunden wurden, mußten sich eben auch über landschaftliche Eigenheiten hinwegsetzen. Wie überbrückt man einen größeren Raum? Wie macht man die Konstruktion so haltbar, daß sie womöglich Generationen von Menschen überdauert?

Wer je beachtet hat, was der Schlußstein in einem aus einzelnen Elementen gebauten Bogen bedeutet, ahnt die Aufregung, mit der man epochale technische Lösungen betrachten kann. Oder Metallurgie. Stählerne Bauwerke. Aber auch Seile. Bambus ist ein phänomenaler Werkstoff. All das kommt in der Welt von Brücken vor, inklusive so kurios klingenden Dingen wie „Spannbeton“.

Leider sind uns die Geschichten früher Brückenbauer nicht sonderlich gut dokumentiert und überliefert worden. Aber es wird da wohl ähnlich gewesen sein, wie mit der Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz. Probieren, probieren, probieren. Die ersten Skizzen jener Kirche belegen, daß für die Kuppel ein Durchmesser geplant war, den man zu Baubeginn noch mit keinerlei verfügbarer Technik überwölben konnte. (Oder sagen wir gleich: überbrücken.)

Die Menschen vertrauten einfach darauf, daß man die nötige Lösung noch finden werde. So kam es dann auch. Der Bau wurde 1229 begonnen. 1417 begann Brunelleschi mit seiner Arbeit an der Kuppel, deren Errichtung dann von 1418 bis 1436, also ganze 16 Jahre, dauerte. Er entwickelt dafür jene selbsttragende Bauweise, mit der die 45 Meter Durchmesser bewältigt werden konnten.

Die Originale im Freigelände – (Foto: Martin Krusche)
Die Originale im Freigelände – (Foto: Martin Krusche)
Komplexe Technik – (Foto: Martin Krusche)
Komplexe Technik – (Foto: Martin Krusche)
Prächtige Schwergewichte – (Foto: Martin Krusche)
Prächtige Schwergewichte – (Foto: Martin Krusche)

Zum Grundmotiv des Vertrauens auf Handwerks- und später Ingenieurskunst fällt mir im Zusammenhang mit Brücken jetzt vor allem der Baubeginn der Semmeringbahn im Revolutionsjahr 1848 ein. Carl Ritter von Ghega legte dabei eine Trassenführung fest, deren Steigungen noch keine damals verfügbare Lokomotive bewältigen konnte. Er setzte auf die technische Entwicklung, was erfolgreich war.

Das Österreichische Brückenbaumuseum in der Oststeiermark – (Foto: Martin Krusche)
Das Österreichische Brückenbaumuseum in der Oststeiermark – (Foto: Martin Krusche)

Es ist freilich auch eine beachtliche Leistung, einen Baumstamm so zu fällen, daß er einen über einen Fluß oder Abgrund schreiten läßt. Und was wir aus Actionfilmen kennen, daß sich Soldaten bloß an einem Seil über Schluchten hinwegsetzen, mag beeindrucken. Doch das sind exotische Variationen, womöglich älteste Varianten. An solchen Überbrückungen hat man sich vermutlich schnell sattgesehen.

Möchten Sie einen tieferen Einblick in das Thema bekommen, sollten Sie zu einem Ausflug in die Oststeiermark aufbrechen, genauer: nach Edelsbach. Das findet man nahe Feldbach, dessen Tabor übrigens einen eigenen Besuch wert ist.

Renate Theißl, ist in Brücken vernarrt. Sie sammelt Originale, sie baut maßstabgetreue Miniaturen, ihre Schwester unterstützt sie in dieser Leidenschaft. Man kann bei Theißl auch Workshops buchen und lernen, wie sich diese kleinen technischen Wunderwerke anfertigen lassen.

Für die Theißl-Schwestern muß der Horizont weit bleiben. Das führt dann auch zu Sonderausstellungen, wie etwa Türen aus mehreren Jahrhunderten. Eine Sammlung von Mineralien gehört ebenso zu den besonderen Nischen des Brückenbaumuseums wie eine umfangreiche Fachbibliothek, die einige tausend Publikationen umfaßt. Und eine üppige Musiksammlung. Man kann in diesem Haus aber auch plötzlich in einer Plauderei über Warbirds des Zweiten Weltkriegs landen. Ja, wir sind uns einig, die britische Spitfire war zwar schwächer bewaffnet als die deutsche Messerschmitt, ist jedoch in ihren Flugeigenschaften der BF 109 überlegen.

Das nun bloß als kleiner Hinweis auf die Reichweite von Leidenschaften, wo ein geübtes Technikverständnis sich eben auf vielen Feldern erproben will. Die Region ist zum Glück reich an inspirierten Menschen, wodurch sich etwas mildert, daß die Oststeiermark in der alten agrarischen Welt quasi ein Armenhaus der Monarchie war. Das lag an den Produktionsmethoden (hauptsächlich Selbstversorgerwirtschaften) und an der Randlage.

Einer der Ausstellungsräume als Ort der Fülle – (Foto: Martin Krusche)
Einer der Ausstellungsräume als Ort der Fülle – (Foto: Martin Krusche)
Den Bildern auf Euro-Scheinen nachgebaut – (Foto: Martin Krusche)
Den Bildern auf Euro-Scheinen nachgebaut – (Foto: Martin Krusche)
Detailliert bis hin zum Kastenkreuz – (Foto: Martin Krusche)
Detailliert bis hin zum Kastenkreuz – (Foto: Martin Krusche)

Wo also das Leben karg ist, werden Menschen sehr erfinderisch, weil so vieles nicht einfach mit Geld gekauft werden kann. Und wo das Leben unsicher ist, kann man nicht leicht Güter anhäufen. Der eingangs erwähnte Tabor von Feldbach, eine Schutz- und Wehranlage, birgt den Hinweis, daß die Menschen hier seinerzeit vor so mancher Gefährdung hinter die Mauern des Bauwerks flüchten mußten.

Die Magie der Miniatur – (Foto: Martin Krusche)
Die Magie der Miniatur – (Foto: Martin Krusche)

Das ist freilich Historie. Die Wirtschaftslage der Region hat sich übrigens nach dem Zweiten Weltkrieg enorm verbessert. So können talentierte Menschen ihre Fähigkeiten heute auch in Bereiche investieren, die nicht der Alltagsbewältigung unterworfen sind. Damit entstehen kulturelle Werte, wie etwa diese Sammlung in Edelsbach, die in ihrer gesamten Unbändigkeit an jene Wunderkammern erinnert, welche es früher quer durch Europa gab, bevor Museen und Galerien gegründet worden sind. Hier regiert die Leidenschaft, verflochten mit viel Sachkenntnis.

Waren die Wunderkammern einst eine Domäne von Aristokraten, von wenigen sehr gut situierten Menschen, sind sie heute eben etwas, das mitten aus der breiten Bevölkerung auftauchen und hervorstechen kann. Es gibt sehr unterschiedliche Theorien, was Menschen zur Sammelleidenschaft bewegt. Ich hab noch niemanden getroffen, der von solcher Leidenschaft bewegt wird und sich nach den tieferen Ursachen dafür den Kopf zerbricht. Das Sammeln konzentriert sich in der Regel ganz auf die Themen seiner Gegenstände, plus die aufblitzenden Querverbindungen zu benachbarten Themen, respektive zu dieser und jener Ära, mit der bestimmte Artefakte verknüpft sind.

Darin liegt etwas Wunderbares und Quälendes, wenn man sammelt. Diese überwältigende Uferlosigkeit. Wenn aber nun ausgerechte Brücken das Thema sind, legt einem verfügbarer Raum recht überschaubare Grenzen auf.

Der Feldbacher Tabor – (Foto: Martin Krusche)
Der Feldbacher Tabor – (Foto: Martin Krusche)

Es ist, als hätte man eine kuriosen Wandertag, wenn man auf dem Freigelände des Brückenbaumuseums herumsteigt, die Ausstellungsstücke umkreist, erklimmt, bei manchen auch darunterblickt, weil da interessante technische Strukturen zu sehen sind.

Im Ausstellungsgebäude tut sich dann die Wunderwelt der Miniaturen auf, was ein ganz eigentümliche Faszination birgt, denn maßstabgetreue, fein detaillierte Abbilder von Originalen lassen einen zwischen Erinnerungen an eine kindliche Spielzeugwelt und ein Staunen über menschliche Handfertigkeit taumeln.

Renate Theißl, Jahrgang 1971, hat ihr großes Thema hier umgesetzt, im Rahmen eines EU-Projektes 1998 dieses Österreichische Brückenbaumuseum realisiert, wobei ihr die Gemeinde Edelsbach den Rücken stärkt.


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