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Lackierte Volkskultur#

(Der Zastava in furiosen Variationen)#


von Martin Krusche

Der junge Fićo Klub Austria hat mir heuer ein paar schöne Stunden verschafft, die ein wichtiges Kapitel unserer Mobilitätsgeschichte illustrieren. Es ging dabei um jenes spezielle Fahrzeug, dem einst viele von uns bei Urlauben in Jugoslawien alltäglich begegnet sind. Heute ist dieser vormals jugoslawische Volkswagen aus Kragujevac, eine Lizenzversion des Fiat 600, schon zur Rarität geworden.

Die Verwandtschaft mit dem kleinen Fiat ist nicht zu verkennen. – (Photo: Martin Krusche)
Die Verwandtschaft mit dem kleinen Fiat ist nicht zu verkennen. – (Photo: Martin Krusche)

Diesen Rang an gegenwärtiger Seltenheit teilt der kompakte Jugoslawe mit seiner österreichischen Variante, dem Steyr-Fiat 600. Außerdem ist die einstige Massenbasis natürlich auch zur Grundlage für interessante Variationen geworden, von individueller Gestaltung über solides Tuning bis zu radikalen Umbauten. Genau darin liegen die Aspekte einer lackierten Volkskultur, in der Menschen zeigen, was ihnen punkto Gestaltung gefällt und was sie handwerklich können.

Aber vorerst zu einigen historischen Aspekten. Hier wie auf dem Balkan waren Automobile in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den wohlhabenden Leuten vorbehalten. Die Volksmotorisierung auf vier Rädern setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Doch das dauert selbst dann noch eine Weile.

Österreich war nach diesem Krieg bei seiner Rohstoff- und Devisenknappheit vor allem einmal darauf ausgerichtet, die Wirtschaft auf Trab zu bringen. Also hatten Lastwagen und Traktoren vorrang. Personenkraftwagen fürs Volk kamen erst ein Jahrzehnt nach Kriegsende halbwegs preiswert in die Verkaufsräume.

Damit bin ich nun auch beim Fićo Klub Austria, der einen Klassiker ins Zentrum des Engagements gestellt hat, von dem heute definitiv zu wenig gewußt wird und der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Dieses Auto kam 1955 erstmals auf den Markt. Ein kleines Effizienz-Wunder mit robuster Technik, welche sogar von ambitionierten Bastlern beherrscht werden kann und keine Fachwerkstatt mit Spezialwerkzeugen verlangt. Das war damals wichtig, das ist heute in der Klassiker-Szene wichtig. Der Fićo oder auch Fića ist, wie erwähnt, die jugoslawische Version eines Meilensteins unserer Mobilitätsgeschichte. Das südslawische Wort bezeichnet einen „kleinen Fiat“. Das Auto wurde in Kragujevac (heute Serbien) produziert, woher auch die Automarke Yugo stammt.

Individualisierter Zastava aus Kroatien. – (Photo: Martin Krusche)
Individualisierter Zastava aus Kroatien. – (Photo: Martin Krusche)

Ursprünglich war beim Zastava von der Crvena Zastava die Rede, von der Roten Flagge. Diese propagandistische Benennung entfiel dann, machte dem freundlichen Spitznamen Platz. Die letzten 20 Jahre war es insgesamt eher ruhig um die handliche Meisterleistung von Dante Giacosa und Giuseppe Alberti. Italienische Fiat 600 scheinen selbst in Italien schon etwas selten zu sein und werden vom heutigen Glanz des populären Fiat Nuova 500 überstrahlt.

Jugoslawische Zastava verirrten sich kaum nach Österreich. Rundliche Polski Fiat hab ich auf unseren Straßen Jahrzehnte nicht mehr gesichtet. Da noch eher den kleinen „Maluch“, die kantige 126er Lizenz, welche bei den südslawischen Leuten „Peglica“ genannt wird, weil sie offenbar an ein Bügeleisen erinnert. Und wenn schon ein 600er-Derivat auftaucht, dann kurioserweise oft ein spanischer Seat.

Wäre noch die Königsklasse zu erwähnen, die muskulösen Abarth-Versionen des Fiat 600. Aber die finden selbst zu Klassiker-Treffen kaum den Weg. Und die österreichische Variante des rundlichen Phänomens? In den letzten fünf Jahren habe ich kaum mehr als drei, vier Steyr-Fiat 600 gesehen, dagegen weit mehr 1100er.

Warum sollte also dieser Fahrzeugtyp besondere Beachtung erhalten? Es hat seine Sonderstellung in der Automobilgeschichte und war genau darin auch ein wichtiger Vorbote des Steyr-Puch 500, der heuer zu seinem Sechziger gefeiert wird. Ursprünglich also eine italienische Kreation.

Dante Giacosa befand sich nach dem Fiat 500 Topolino (ab 1936) in einem europaweiten Wettrennen um ein kleines, leistbares Auto, das den Markt erobern könnte, ohne in der Nische der „Rollermobile“ zu stehen, der „Bubble Cars“, wie es in England heißt, bei diesen Winzlingen mit all ihrer Minimaltechnik und den Motorrad- oder Roller-Motoren.

Was war also nach dem Topolino fällig? Bis dahin, auch noch gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, blieben Anschaffung und Erhaltung eines Autos für die meisten Menschen zu teuer. In der neuen Ära setzten sich selbsttragende Karosserien durch. Die Ponton-Form versprach ein erträgliches Raumerlebnis in verkleinerten Fahrzeugen.

Massiv modifizierter Fićo beim Einchecken. – (Photo: Martin Krusche)
Massiv modifizierter Fićo beim Einchecken. – (Photo: Martin Krusche)
Abarth-Variante aus Bosnien. – (Photo: Martin Krusche)
Abarth-Variante aus Bosnien. – (Photo: Martin Krusche)
Leicht modifizierter Fićo vor einem seltenen Yugo Cabrio. – (Photo: Martin Krusche)
Leicht modifizierter Fićo vor einem seltenen Yugo Cabrio. – (Photo: Martin Krusche)
Österreichische Lizenz-Version von Steyr-Fiat. – (Photo: Martin Krusche)
Österreichische Lizenz-Version von Steyr-Fiat. – (Photo: Martin Krusche)

Man sieht dem Fićo noch an, daß er aus einer Epoche von Autos mit üppig ausgestellten Kotflügeln und aufgesetzten Scheinwerfern hervorgegangen ist. Vor allem die Heckpartie verrät bis heute diese stilistische Vergangenheit, diese ausladenden Formen, wie sie nun im geglätteten Design verschwinden mußten.

Dazu kam, daß in den Jahren 1933/34 die Stromlinienform zu boomen begonnen hatte, und zwar gleichermaßen in Europa wie in den USA. Windschlüpfrigkeit wurde immer wichtiger. Auch das kann man am Fićo sehr gut sehen. Er ist einer Ei-Form angenähert. Man könnte sagen, der „Ovoid“ ist bezüglich Windschlüpfrigkeit nach der Kugel die perfekte Körperform, wie sie bloß noch von der Tropfenform übertroffen wird, welche aber bei keinem Flottenfahrzeug der Volksmotorisierung zu finden ist.

Der Fiat 600 und seine Derivate sind für die damalige Zeit äußerst moderne Automobile, kompakt, erschwinglich, deutlich geräumiger als Rollermobile, passabel motorisiert und in unaufgeregter Weise formschön. Vergleichen Sie den Fićo mit dem BMW 600, einem in jeder Hinsicht ähnlichen Automobil, und Sie werden einen Eindruck bekommen, wie smart Giacosa war, wie vorteilhaft seine Konstruktion ausfiel.

Rarität: der Zastava Roadster. – (Photo: Martin Krusche)
Rarität: der Zastava Roadster. – (Photo: Martin Krusche)
Der kuriose Zastava Buggy. – (Photo: Martin Krusche)
Der kuriose Zastava Buggy. – (Photo: Martin Krusche)
Sportlicher Gran Turismo aus Beograd. – (Photo: Martin Krusche)
Sportlicher Gran Turismo aus Beograd. – (Photo: Martin Krusche)
Das Parkdeck im Citypark, Regenschutz inklusive. – (Photo: Martin Krusche)
Das Parkdeck im Citypark, Regenschutz inklusive. – (Photo: Martin Krusche)

Um es kurz zusammenzufassen: In Europa war nicht der Volkswagen unser bedeutendster Volkswagen. Für den VW Typ 1 (Käfer) mußte man ein ausreichendes Einkommen haben, das der breiten Masse der Bevölkerung erst noch fehlte. Den wirtschaftlichen Erfolg, um genügend Kaufkraft für geräumigere Kadetten, Käfer und allerhand Fords zu generieren, hatten in Europa seinerzeit nur wenige Länder geschafft.

Damals wie heute verschlingt die Entwicklung eines Autos enorme Summen. Dem muß dann eine effiziente Massenfertigung folgen, durch die ein freundlicher Verkaufspreis möglich ist, an dem die Händler was verdienen und wofür sich ein ausreichendes Service-Netzwerk rentiert. All das muß aber auch den launenhaften Publikumsgeschmack treffen, damit das Business brummt.

Vielleicht wurden die 600er aus Steyr mehrheitlich niedergeritten oder mußten vor Jahrzehnten in irgendwelchen Gärten verrotten. Sie gaben in den Wirtschaftswunderjahren bald kein stolzes Statement mehr ab. Die Menschen suchten größere, komfortablere Autos.

Die Vorläufer: zwei Fiat 500 Topolino im Vorkriegsdesign. – (Photo: Martin Krusche)
Die Vorläufer: zwei Fiat 500 Topolino im Vorkriegsdesign. – (Photo: Martin Krusche)
Das österreichische Pucherl mit den Blechen vom Fiat Nuova 500. – (Photo: Martin Krusche)
Das österreichische Pucherl mit den Blechen vom Fiat Nuova 500. – (Photo: Martin Krusche)
Peglica: der 126er führte eine neue Designlinie ein. – (Photo: Martin Krusche)
Peglica: der 126er führte eine neue Designlinie ein. – (Photo: Martin Krusche)
Zum Vergleich: der Steyr-Fiat 1100. – (Photo: Martin Krusche)
Zum Vergleich: der Steyr-Fiat 1100. – (Photo: Martin Krusche)

Wir sehen kaum noch österreichische Sechshunderter. Als meine Generation in den 1970ern auf den Kiesplätzen billige Gebrauchtwagen suchte, waren zwischen den Tausender-Simcas, den kleinen Renaults, zwischen allerhand Austin Minis und Enten, sogar exotischen Hillman Imps vor allem zahllose Puch-Wagerln verfügbar, hauptsächlich diverse 500er, von denen die Steyr-Fiat 600 verdrängt worden waren.

Bild 'zastava15'

Die jugoslawischen Zastava haben offenbar in weit größeren Stückzahlen überlebt als die österreichischen Lizenzversionen. Das Parkdeck an der Grazer Ausfallsstraße Richtung Süden ergab heuer einen optimalen Treffpunkt. Von allen Seiten der Stadt aus verläßlich zu erreichen, großzügig angelegt und da das schlechte Wettet anhielt, mit ausreichend überdachten Flächen, um der Geselligkeit den nötigen Schutz zu bieten. Man darf auf 2018 gespannt sein.