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Helga Maria Wolf:

Essbesteck#

Foto: Doris Wolf
Foto: Doris Wolf

In ihrem Buch "Was sich bewährt hat" beschreibt die Grazer Historikerin Inge Friedl das traditionelle Essen auf dem Lande. Dieses bestand in weiten Teilen Österreichs aus saurer Suppe (Stosuppe), die mehrmals täglich auf den Tisch kommen konnte, als Frühstück, Vormittagsjause, Mittagessen und Nachtmahl. "Gegessen wurde bis in die 1950-er Jahre aus einer gemeinsamen, großen Schüssel … Jeder Löffel wurde immer nur von der gleichen Person benützt, nach Gebrauch von dieser gereinigt und an einem vorgesehenen Ort (in einer Schlaufe unter der Tischplatte) aufbewahrt." Das Tischgerät findet sich auch in Bräuchen und Redensarten. Wenn ein Knecht im Salzburger Großarltal zur Zeit des jährlichen Dienstbotenwechsels keinen Arbeitsplatz gefunden hatte, steckte er seinen Löffel an den Hut. Jeder Bauer, der ihn sah, erkannte gleich einen möglichen Dienstboten. Im Mostviertel in Niederösterreich gab es am Dreikönigs-Vorabend den Brauch der Sampermilch. Die Hausgenossen legten ihre Löffel auf den Rand der Essschüssel. War am Morgen einer heruntergefallen, bedeutete dies für den Betreffenden nichts Gutes. Bekannt ist die Umschreibung "den Löffel abgeben" für sterben. Sie war seit dem Mittelalter üblich.

"Forscher streiten heute darüber, was älter sei, das Messer oder der Löffel", liest man im Katalog "Messerscharf" des Österreichischen Museums für Volkskunde. Löffel waren schon in prähistorischer Zeit in Verwendung. Sie wurden bis in die Neuzeit hinein aus Holz geschnitzt und erst im Barock, wie Messer und Gabel, aus Metall angefertigt. Das Volkskunde-Museum zeigt einen Esstisch aus dem Jahr 1802, dessen quadratische Platte in Art der Landmöbel bunt bemalt ist. Die Mitte nimmt ein Ornament mit Blumen und dem Jesusmonogramm ein. In den Ecken befinden sich die Abbilder von Tellern, auf denen jeweils eine zweizinkige Gabel und ein Messer mit roten Griffen liegen. Die Metalllöffel sind in der Mitte jeder Seite platziert. Etymologisch betrachtet ist das Messer ein Schwert für Speisen. Mit einer kurzen Klinge diente es zum Zerkleinern der Nahrung bei Tisch, soweit das Fleisch nicht schon tranchiert serviert wurde. Jeder brauchte sein persönliches Messer, um die Stücke aufzuspießen und zum Mund zu führen (üblicherweise geschah dies aber mit den Fingern). Messer und Löffel waren Teile der Grundausstattung jedes Menschen, die nicht gepfändet werden durfte. Männern diente ihr Messer als Arbeitsgerät und Waffe, vor allem in jenen Schichten, denen das Tragen von Schwert oder Dolch verboten war.

Die Gabel war in Mesopotamien schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend bekannt, ebenso in der römischen Antike und in Byzanz. Sie hatte anfangs nur zwei Zinken zum Aufspießen. In katholischen Ländern blieb der Gebrauch der "Teufelshörner" lange Zeit umstritten, auch der Reformator Martin Luther sprach sich dagegen aus. Das Essen als Gottesgabe sollte mit den Fingern genossen werden. Erst im 17. Jahrhundert setzten sich Gabeln, nun flacher und mit mehreren Zinken, in den europäischen Oberschichten durch. Vom französischen Hof ausgehend, begann man, Besteck auf der Tafel aufzulegen, was Form und Auszier veränderte. Besteck und Geschirr, aufeinander abgestimmt, wurde nun immer luxuriöser, zumindest bei den Eliten. Bis die neuen Gewohnheiten das "Volk" erreichten, dauerte es etliche Generationen.

Die serienmäßige Herstellung dreiteiliger Bestecke begann im 19. Jahrhundert. Für die österreichische Wirtschafts- und Kulturgeschichte ist dabei die Metallwarenfabrik in Berndorf (Niederösterreich) von Interesse. Sie stellte ab 1843 Essbesteck aus "Packfong", einer Legierung aus Kupfer, Zink, Nickel und Eisen, her und führte 1852 die galvanische Versilberung (Alpacca) ein. Der dafür eingesetzte Grammesche Dynamo machte die Berndorfer Fabrik zum ersten Kraftwerk weltweit (1873) - vor Edison in New York (1882). Die Produktionsstätte ist untrennbar mit dem Eigentümer Arthur Krupp (1856-1938) verbunden. Ihm verdankt Berndorf sein Aussehen mit den Werksiedlungen samt Konsumanstalt, Restaurationen, Kirche, Theater und Schulen. Die Unterrichtsräume der Knaben- und Mädchenhauptschule wurden mit Elementen verschiedener Stile gestaltet, um den ästhetischen Sinn der Kinder zu fördern. Bestecke aus Alpacca-Silber waren viel leichter als solche aus echtem Silber und außerdem ein Drittel billiger. Internationale Hauptabnehmer waren Hotellerie, Gastgewerbe, Eisenbahn- und Schifffahrtslinien. Der Absatz stieg so stark, dass man eine eigene Abteilung für Tafelgeräte einrichtete und Designer beschäftigte. In mehreren europäischen Hauptstädten bestanden Niederlassungen. Die Zahl der Arbeiter überschritt 1870 erstmals die Tausender-Marke. Seit 1890 ist der Bär Markenzeichen, seit 1897 zählte die Firma zu den k.u.k. Hoflieferanten.

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel"


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