Helga Maria Wolf
Fächer#
Fächer kennt man vor allem als nostalgisches Accessoire der Damenmode. Historische Modelle zieren Museumsvitrinen, in Revuen kann man Fächer aus Straußenfedern sehen, manche Exemplare kamen als Reisesouvenirs nach Österreich. Doch hatten sie im Lauf der Zeit und in unterschiedlichen Kulturen viele Funktionen. Das verrät schon die Bezeichnung. Das lateinische "focare" verweist, ebenso wie das mittelhochdeutsche "focher", auf das Anfachen des Feuers. Umgekehrt verschaffen Fächer durch Zuführen frischer Luft Abkühlung. Anfangs verwendete man dazu wohl ein Blatt. Ein verziertes Palmenblatt mit goldbeschlagenem Griff fand sich im Grab einer Pharao-Mutter aus der Zeit um 1550 v. Chr. Stielfächer in Blattform sind aus der griechischen und römischen Antike überliefert, sie waren aus rund zugeschnittenem Holz, Leder oder anderen Materialien gefertigt.
Die Gebrauchsgegenstände erwiesen sich nicht nur im Alltag nützlich, sie konnten auch als Hoheitszeichen dienen. Ägyptische Pharaonen ließen sie sich als Symbol der Würde an langen Stangen vorantragen. Herrscher im alten Japan verwendeten Befehlsfächer (Gunbai) wie einen Kommandostab. In der Liturgie der Ostkirche ist das Rhipidion ein Ehrensymbol des Bischofs. Eine runde Metallscheibe mit Darstellungen der Seraphim krönt eine Stange. Das Rhipidion steht beim Gottesdienst im Altarraum und wird geschüttelt, um die Anwesenheit der Engel zu symbolisieren. Bei Prozessionen mitgeführt, verstärkt es den feierlichen Eindruck. In der Westkirche ist der liturgische Fächer (Flabellum) abgekommen. Vom Diakon bewegt, sollte er im Mittelalter Insekten vom Altar verscheuchen.
Der Scheibenfächer ist die eine Grundform, die andere, der Faltfächer, soll sich aus der Beobachtung von Vogel- oder Fledermausflügeln entwickelt haben. In Europa begann seine große Zeit im 16 Jahrhundert. Damals kam der Faltfächer aus Asien nach Portugal, Spanien und Italien. Nach der Hochzeit der Prinzessin Katharina von Medici mit König Heinrich II., 1533, verlagerte sich die Fächerherstellung von Italien nach Frankreich. Der König selbst vergab die Konzessionen für das Gewerbe. In den nächsten Jahrhunderten wurde das Material immer kostbarer: Rippen aus geschnitztem Elfenbein, Perlmutt, Schildpatt, Horn sowie bestickte Seide und künstlerisch bemaltes Papier für das Fächerblatt. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts blieb der Fächer ein Privileg des Adels und gehobenen Bürgertums.
Mit der Erfindung des Kupferstichs fand diese Drucktechnik auch Verwendung für Fächerblätter. Die Motive richteten sich nach der Bestimmung als Ball-, Garten- Opern- oder Hochzeitsfächer. Solche brachten die weiblichen Gäste der Braut in einem Körbchen als Geschenk. Entsprechend den noblen Benutzerinnen entwickelte sich eine "Fächersprache", mit der die Damen ihre Gefühle gegenüber einem Herrn ausdrücken konnten. In Spanien und anderen Ländern gab es eigene "Fächerakademien", die diese Gesten lehrten. Den Fächer mit der linken Hand vor das Gesicht halten: "Ich möchte Sie kennen lernen", mit dem geschlossenen Fächer die rechte Wange berühren: eine Frage bejahen, bzw. die linke Wange: verneinen. Den Fächer schnell und hörbar zusammenklappen: "Ein Rendezvous ist unmöglich!"
Auf Bildern von Wienerinnen finden sich Fächer in der Barock- und Biedermeierzeit als modische Accessoires der Bürgerinnen. 1778 ist der erste "Waderlmacher" in Wien nachweisbar, bis 1800 gab es 25 Erzeuger. Der ideenreiche Kunsthändler und Kupferstecher Johann Hieronymus Löschenkohl (1753-1807) druckte Faltfächer mit aktuellen Darstellungen, zum Annenfest und Neujahr. Allein von ihm sind 80 Modelle von Papierfächern bekannt. Ende des 19. Jahrhunderts kamen Faltfächer aus Spitze und (Straußen-) federn in Mode.
1873 war die japanische Abteilung die Sensation der Wener Weltausstellung. Experten, darunter der Direktor der kaiserlichen Gärten in Tokyo, schufen einen Landschaftspark mit einem Teich, kunstvoll geformten Bäumen, Steinlaternen und mehreren Gebäuden. In der traditionell aufgebauten Ladenstraße, die zu einem nachempfundenen Schrein führte, machten die Aussteller gute Geschäfte. Ein Augenzeuge berichtete: "Kein Mensch kehrt zurück, ohne einen Fächer… erbeutet zu haben." Wenige Tage nach der Eröffnung besuchten Kaiser Franz Joseph (1830-1916) und Kaiserin Elisabeth (1837-1898) am Knabenfest (5.5.) diese Anlage. "Der Kaiser schritt als erster über die kleine Brücke, erwies dem Schrein seine Reverenz und hielt eine kurze Rede." Er lobte die Arbeit der Handwerker und bat, seinen Dank und sein Wohlgefallen dem Kaiser von Japan zu bestellen. Dort blicken Faltfächer und Blattfächer auf eine lange Tradition zurück, sie wurden seit dem 7. Jahrhundert als Gegenstand der höfischen Etikette verwendet. Als Zeitvertreib erfanden die Adeligen ein Spiel, bei dem sie bunte Fächer in Wasserläufe warfen. Das Motiv der "fliegenden Fächer" findet sich bis heute auf Kimonos und kunsthandwerklichen Objekten.
Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel"