Fächer #
Fächer waren im 18. und 19. Jahrhundert ein unentbehrliches Accessoire der Damenmode. Die ursprüngliche Form, ein verziertes Palmenblatt mit goldbeschlagenem Griff, fand sich im Grab einer Pharao-Mutter aus der Zeit um 1550 v. Chr. In Asien waren Faltfächer üblich, die im 16. Jahrhundert über Portugal nach Europa kamen. Adelige Damen verwendeten luxuriöse Exemplare. Zwei Gewerbe arbeiteten an der Erzeugung: die Gestellmacher - ihre Materialien waren Elfenbein, Horn, Edelholz, Perlmutter oder Schildpatt - und die Hersteller der Blätter, die aus Papier, Leder oder Stoff bestanden. Die Blätter wurden - oft nach Vorbildern bekannter Bilder - bemalt, zusammengeklebt, in Falten gelegt und über das Gestell gezogen. Die Motive richteten sich auch nach der Bestimmung als Hochzeits
-, Ball-, Garten- oder Opernfächer. Neben bemalten Modellen waren Ende des 19. Jahrhunderts solche aus Spitze und (Straußen-)federn modern. Um 1800 gab es Parasol-Fächer, eine Kombination aus Radfächer und Sonnenschirm.
Der Fächer diente nicht nur zur Kühlung und dem Vertreiben von Insekten. Entsprechend den noblen Benutzerinnen entwickelte sich eine "Fächersprache", mit der die Damen ihre Gefühle gegenüber einem Herrn ausdrücken konnten. In Spanien, dann auch in anderen Ländern, gab es eigene "Fächerakademien", wo diese Gesten gelehrt wurden: Den Fächer mit der linken Hand vor das Gesicht halten: "Ich möchte Sie kennen lernen", mit dem geschlossenen Fächer die rechte Wange berühren: eine Frage bejahren, bzw. die linke Wange: verneinen. Den Fächer schnell und hörbar zusammenklappen: "Ein Rendezvous ist unmöglich !"
Auf Bildern von Wienerinnen findet sich der Fächer in der Barock- und Biedermeierzeit in der Hand von Bürgerinnen (z.B. bei Jakob Adam, 1777). Kam das zuvor adelige Accessoire aus Frankreich, so ist 1778 der erste "Waderlmacher" in Wien nachweisbar, bis 1800 gab es 25 Erzeuger. Der ideenreiche Kunsthändler und Kupferstecher Johann Hieronymus Löschenkohl (1753-1807) druckte Faltfächer mit aktuellen Darstellungen, zum Annenfest
und Neujahr. Allein von ihm sind 80 Modelle von Papierfächern bekannt.
Margaretha Mazura schreibt in ihrem Buch "Kunst und Koketterie. Wiener Fächer von 1860 bis 1916 " über die Wiener Waderlmacher“: Hieronymus Löschenkohl, Drucker, Innovator und Selbstpromoter war Marktführer. Zwischen 1786 und 1796 annoncierte er in Tageszeitungen (Wiener Zeitung) und Modezeitschriften (Intelligenzblatt des Journals der Moden) mit genauer Adressangabe, oft auch recht aggressiv: „Ankündigung: In meiner Hütte am Hof wenn man aus der Bognergasse kömmt in der ersten Gasse links wie auch in meinem Gewölbe am Kohlmarkt sind folgende ganz neue Stücke zu haben: Fächer, die Se. Königl. Majestät Leopold II. und seine Gemahlin befinden; Fächer mit einem niedlichen Gemälde nach einem englischen Original, wo Venus den schlafenden Cupido mit einem Schleier bedeckt; Fächer à la Belgrad, welche auf der einen Seite die Belagerung der Festung, und auf der anderen den Überwinder derselben, F.M. (Feldmarschall) Laudon darstellen“. Löschenkohl hatte schon 1787 eine Markthütte am Hof gemietet sowie später eine weitere „in der Gasse, wo die Galanteriehändler stehen“. Er gab Preise an: das Dutzend zwischen 24 kr. (Kreuzer) und 72 fl. (Gulden), „und auf Verlangen noch schönere und prächtigere nach eigener Auswahl“. ... Er machte auch nicht Halt davor, die Kopierpraktiken der Konkurrenz an den Pranger zu stellen: „Da die Augsburger meine Kupferstiche schon seit längerer Zeit copiren und die Franzosen meine Fächer nachmachen und auf der Frankfurther Messe verkaufen ... so ist leicht zu schliessen, dass ich mir einen namhaften Absatz an verschiedenen Handelsplätzen zu versprechen habe.“ Und fügt dann selbstbewusst hinzu: „Sollten einige Herren Kaufleute noch französische Fächer haben, deren Überzüge nicht interessant genug sind, so können sie neue auf ihre Gestelle erhalten. Wien, den 15. May, 1786, Löschenkohl.“
In Wien waren es weniger die Damen des Hochadels, als Schauspielerinnen, Salonièren und Bürgerinnen, die sich auf Bällen den Luxus von Fächern leisteten. Ab etwa 1860 erzeugte man in Wien Holzbriséfächer (aus hölzernen Stäben, ohne ein Blatt aus Papier oder Seide). Sie waren mit Abziehbildern (sog. Decalcomanien) beklebt, mit à jour-Schnitzereien verziert, bemalt, oder beides. Ein Modehit waren die Fächer des Hoflieferanten Franz Theyer (1809-1871), der Photos von Kindern aristokratischer Familien auf Briséfächer applizierte und rundherum Blumenarrangements malte. Sie fanden ihren Weg bis ins englische Königshaus oder die russische Zarenfamilie. Eine andere Fächerspezialität war das Holzmosaik von Franz Podany (1818-1892). Bereits 1842 erhielt er für seine gemusterten Holzfurniere ein Privileg (Patent). "Wiener Schmuckfächer" machten bei der Weltausstellung von 1873 Furore. Die Deckstäbe waren mit effektvollen, farbigen Steinen geschmückt. Allerdings beklagten die Damen das Gewicht.
Quellen:
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Wien 1992-1997. Bd. 2/S. 244, Bd. 4/S. 83
Dorothee Müller: Vom Palmwedel zum Parasol-Fächer. In: SammlerJournal, Schwäbisch Hall 1979. S. 58 f.
Das Ewigweibliche. Accessoires vom Barock bis heute. Ausstellungskatalog Schloß Niederweiden 1997. S. 30 f.
Margaretha Mazura: Kunst und Koketterie. Wiener Fächer von 1860 bis 1916
Bilder:
Fächer aus Privatsammlung. Alle Fotos: (c) Doris Wolf, 2020
Siehe auch:
Rezension Kunst u. Koketterie
Essay Fächer
Heimatlexikon