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Hochzeit#

Alfred und Hilde Wolf, 1948

Juwelenhochzeit Alfred und Hilde Wolf, 2021

Der 22.2.2022 war der Termin für besonders viele Hochzeiten. Auf den Wiener Standesämtern zählte man 74 Paare, gegenüber sonst 20. Das Datum galt vielen als "magisch": Es besteht nur aus zwei Ziffern ("kalendarisches Palindrom") und 2 ist die einzige gerade Primzahl. 2022 haben in Österreich 46.415 Paare standesamtlich geheiratet, so viele wie seit 1987 nicht mehr.

Der (angeblich) "schönste Tag im Leben" ist von zahlreichen Bräuchen umgeben. Viele erklären sich aus der rechtlichen Situation, Kirchengeboten, familiären und regionalen Gewohnheiten. Man heiratet standesamtlich, oft auch kirchlich. Vor allem an die Feier der kirchlichen Trauung schließt sich ein Fest an. 2023 nannte eine Hochzeitsplanerin durchschnitttliche Ausgaben von 350 bis 450 € pro Gast, wobei nah oben keine Grenze gesetzt ist.

In den ersten christlichen Jahrhunderten gaben in Rom zwei Getaufte, die die Ehe eingehen wollten, zuerst ihr Einverständnis, dann folgte der liturgische Vorgang mit Brautmesse und -segen, bei dem der Priester die Braut nach antiker Gewohnheit mit einem Schleier bedeckte. Nach der ersten Jahrtausendwende entwickelte sich der Brauch, dass der Priester vor der Kirchentüre (Brautportal) nach dem Ehewillen fragte, den Ringwechsel vornahm und die Hände des Paares zusammenlegte, worauf der Gottesdienst folgte. 

Im Ritus nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil empfängt der Priester das katholische Brautpaar am Portal und geleitet es in die Kirche zur Messe. Nach der Homilie fragt er nach der Bereitschaft zur christlichen Ehe, Braut und Bräutigam geben einander das Ja-Wort und stecken einander die Eheringe an. Sie reichen sich die Hände, die der Zelebrant mit der Stola umwindet und das Paar feierlich segnet. Danach wird der Gottesdienst fortgesetzt. Bei einer ökumenischen Trauung wirken Priester beider Konfessionen mit. Bei den Eheringen behauptet sich ein lang anhaltender Trend: ein schlichtes, bombiertes, glänzendes Goldband, innen in Schreibschrift Namen und Tag graviert.

Das weiße Brautkleid ist eine späte Entwicklung, Bürgerinnen trugen das (schwarze) Sonntagskleid, adelige Damen wertvolle Roben in verschiedenen Farben. Im ausgehenden 17. Jahrhundert wurden bei Hof hellere Farben modern. 1813 brachte das französische "Journal des dames" den ersten Bericht über ein weißes Hochzeitskleid. Nicht zuletzt wurde Kaiserin Elisabeth (1837-1898), die 1854 Kaiser Franz Joseph in weißem Seidenkleid mit Schleppe und langem Spitzenschleier heiratete, zu einem Vorbild der Brautmode. 2022 interessieren sich Bräute zunehmend für ein pastellfarbiges, grellfarbiges oder schwarzes Brautkleid.

Zu den profanen Hochzeitsbräuchen zählen die Begleitung des Paares durch Blumen streuende Kinder und weiß gekleidete "Brautjungfern". Vereinsmitglieder bilden vor der Kirche ein Spalier (z.B. Studenten mit ihren Degen). Die Myrte war in der Antike die Blume der Liebesgöttin Aphrodite. Myrte wird als Brautkranz und für Anstecksträußchen verwendet. Die Braut trägt einen Strauß, den sie nach der Zeremonie den Unverheirateten zuwirft. Wer ihn auffängt, soll als nächste heiraten. Nach der Trauung lädt man zur Agape ein, Ehrengäste auch ins Restaurant. Dort sorgen häufig engagierte Spezialisten für das "Zeremoniell" - wie das Anschneiden der mehrstöckigen Torte durch das Paar -, Musik und Tanz. Bei der Hochzeitstafel wird die Braut von Freunden des Bräutigams "gestohlen" und in ein anderes Restaurant gebracht. Er muss sie suchen und durch Bezahlung der Zeche auslösen. Oft spielen Freunde dem jungen Paar Streiche - was bis zur Verwüstung der Wohnung gehen kann.

Auch neue Bräuche bürgern sich ein: Die Braut soll etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues tragen. Altes für den vergangenen Lebensabschnitt, Neues für den beginnenden, Geliehenes für Freundschaft und Blau für die Treue. In Standesämtern finden sich oft Hinweistafeln, dass das Bestreuen des Paares mit Reis - angeblich ein fernöstliches Fruchtbarkeitsritual - verboten ist. Doch schrieb bereits Philipp Hafner (1735-1764), der als Vater des Wiener Volksstücks gilt, über "Hochzeitszucker zum Auswerfen". In Wien war um 1930 das Werfen von "Hochzeitskügerln" aus Zucker über das Brautpaar "hie und da noch üblich". Das Paar erhält viele Geschenke. Damit es die richtigen sind, liegen in Geschäften Hochzeitslisten auf, aus denen man auswählt. Autos mit dem Schild "Just married" und angehängten scheppernden Dosen sind aus Filmen bekannt. Wenn die Teilnehmer des motorisierten Hochzeitszuges laut hupen, zeigt trotz Hupverbots sogar die Wiener Polizei Verständnis. Selbstverständlich wird die Feierlichkeit in Fotos und Videofilmen festgehalten. Der jüngste - aus den USA kommende und durch soziale Medien verbreitete - Trend nennt sich "Anti Bride" oder "Elopement"(elope - davonlaufen). Das Paar flüchtet vor Traditionen und der Familie. Man heiratet in kleinem Rahmen, oft im Ausland oder tut, "was Spaß macht" (Party mit Freunden, unkonventionelle Kleidung).

2023 haben in Österreich 44.948 standesamtliche Trauungen stattgefunden, 14.033 Ehen wurden geschieden. In Wien gab es 9300 Hochzeiten, davon viele "Traumhochzeiten" - die nicht am Standesamt, sondern an einem anderen behördlich genehmigten Ort stattfanden. Ob im Prater, im Schloss Schönbrunn, im Luxushotel, im Museum, am beliebtesten sind die Blumengärten Hirschstetten, das Wiener Rathaus, das Restaurant Chadim in Favoriten, das Europahaus in Penzing sowie das Weingut Cobenzl. Eine Hochzeit zu Hause ist nicht möglich. Die Gebühren für einen Standesbeamten betragen bis zu 650 Euro. Im Durchschnitt kostete eine Hochzeit insgesamt um die 20.000 Euro, es können aber auch 50.000 € und mehr sein. Seit 2019 sind auch gleichgeschlechtliche Ehen am Standesamt möglich. 2023 nahmen das 772 Paare wahr, 2,4 % weniger als 2022. 2022 zählte die Katholische Kirche 9.503 Trauungen. Das durchschnittliche Erstheiratsalter beträgt 2024 in Wien bei Männern 33, bei Frauen 31 Jahre.

Bei der Namenswahl wird meist konventionell entschieden: 76 % nehmen den Familiennamen des Mannes, 9% den der Frau an. 8 bzw. 9 % behalten ihren Nachnamen, 2 bzw. 5 % wählen einen Doppelnamen. Seit der Namensrechtsreform 2013 dürfen beide Partner, und auch ihre Kinder, einen Doppelnamen führen. Es ist auch möglich, zwei Nachnamen zu fusionieren oder einen neuen zu wählen.

Hochzeitsjubiläen werden seit dem 16. Jh. gefeiert, ausgehend von der "Goldenen Hochzeit" nach 50 Ehejahren. Inzwischen sind eine Reihe anderer dazugekommen. Hochzeitsjubiläen haben je nach lokaler Tradition eigene Namen und Bräuche. Eine Webseite des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort nennt 2019 folgende:

Tag der Trauung: Grüne/ Weiße Hochzeit
1 Jahr: Papier-Hochzeit
2 Jahre: Baumwoll-Hochzeit
3 Jahre: Leder-, Freundschafts-, Frucht-, Weizen-Hochzeit
4 Jahre: Seiden-, Bernstein-, Leinen-,Wachs-Hochzeit
5 Jahre: Holz-Hochzeit
6 Jahre: Zucker-Hochzeit
6 ½ Jahre: Zinn-Hochzeit
7 Jahre: Kupfer-Hochzeit (Beliebtes Geschenk sind Kupfermünzen)
8 Jahre: Bronze-, Blech-, Nickel- Salz-Hochzeit (Beliebtes Geschenk sind Kuchenformen)
9 Jahre: Keramik-, Fayence-, Glas-, Wasser-, Weiden-Hochzeit
10 Jahre: Rosen-Hochzeit
11 Jahre: Stahl-, Fastnacht-, Korallen-Hochzeit
12 Jahre: Leinen-, Erden-, Nickel-, Seiden-Hochzeit
12 ½ Jahre: Petersilien-, Kupfer-, Blech-, Nickel-Hochzeit
13 Jahre: Spitzen-, Maiglöckchen-, Salz-Hochzeit
14 Jahre: Elfenbein-, Achat-, Blaue-Hochzeit
15 Jahre: Glas-, Kristall-, Flaschen-Hochzeit (Beliebtes Geschenk sind Gläser)
20 Jahre: Porzellan-, Kupfer-, Chrysanthemen-, Dornen-Hochzeit Beliebtes Geschenk ist Geschirr)
25 Jahre: Silberne Hochzeit
30 Jahre: Perlen-Hochzeit
35 Jahre: Leinwand-Hochzeit (Beliebtes Geschenk sind Textilwaren)
37 ½ Jahre: Aluminium-Hochzeit
40 Jahre: Rubin-,Granat-,Smaragd-Hochzeit
50 Jahre: Goldene Hochzeit
60 Jahre: Diamantene Hochzeit
65 Jahre: Eiserne Hochzeit
67 ½ Jahre: Steinerne Hochzeit
70 Jahre: Gnaden-, Platin-Hochzeit
72 ½ Jahre: Juwelen-Hochzeit
75 Jahre: Kronjuwelen-Hochzeit


Quellen:
Susanne Arndt: Hochzeitsfeiern planen und gestalten. Niedernhausen/Ts. 1995. S. 124
Rupert Berger: Pastoralliturgisches Handlexikon. Freiburg/Br. 1999. S. 512 f.
Rudolf Fochler - Anneliese Ratzenböck: Familienbräuche. Linz 1991. S. 101 f.
Susan Lippe: Hochzeitsbräuche. Niederhausen/Ts. 1997
Leopold Schmidt: Wiener Volkskunde. Wien 1935. S. 65
Hochzeitsjubiläen, publiziert 2019
Kirche
Schwarze Kleidung: "Kurier" 23.5.2022
"Kurier", 30.11. 2023
Traumhohzeit, publiziert 21. Jänner 2024
Wien in Zahlen
"Kurier", 25.4.2024
"Kurier", 5.5.2024
2023

Bild: 
Alfred und Hilde Wolf bei ihrer Hochzeit in Baden/Wien, 1948 und bei ihrer Juwelenhochzeit 2021, Familienarchiv Wolf


Siehe auch:
--> Essay Hochzeitsbräuche
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