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Helga Maria Wolf

Fastenzeit#

Fastentuch in der Michaelerkirche, Wien 1 Foto: H. M.Wolf

Meinungsforscher haben herausgefunden, dass die Fastenzeit für zwei Drittel der Österreicher/innen keine Rolle spielt. Ein Drittel fasst Fastenvorsätze, mehr als die Hälfte von ihnen will abnehmen, doch nur jede/r Fünfte hält durch.

Die Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut GfK im März 2010 durchführte, zeigte trotzdem das Fortleben alter Gewohnheiten: Am Karfreitag verzichten 68%, am Aschermittwoch 55% auf Fleisch, 86% halten sich an die Tradition des Spinatessens am Gründonnerstag. Die 40-tägige vorösterliche Bußzeit dauert eigentlich 46 Tage, weil die Sonntage keine Fasttage waren. Sie beginnt am (Ascher-)mittwoch vor dem ersten Fastensonntag - je nach dem Osterdatum zwischen 4. Februar und 10. März. Die Quadragesima endet (vom Zweiten Vatikanum so definiert) mit der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag.

Am Aschermittwoch erteilt der Priester das Aschenkreuz. Dazu spricht er: "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst." Seit dem 12. Jahrhundert verwendet man dafür die Verbrennungsrückstände der vorjährigen Palmzweige. In vielen Religionen und auch in der Bibel (Gen.18,27) ist Asche ein Symbol der Vergänglichkeit. Dazu kommt die Vorstellung, dass im Verbrennungsprodukt die läuternde und reinigende Kraft des Feuers steckt. (Hebr. 9,13) Im frühen Mittelalter legten Herrscher wie Kirche auf die rituelle Inszenierung der Unterwerfung großen Wert. Schuld gebot Buße.Das karolingische Reformkonzil von 813 dekretierte: "Wer öffentlich sündigt, soll öffentlich büßen". Die öffentlichen Büßer mussten sich am Aschermittwoch barfuß und mit einem rauen Bußgewand beim Bischof einfinden. Zum Exkommunikationsritus gehörte das Beten der Bußpsalmen, Handauflegung, Besprengen mit Weihwasser und das Bestreuen mit Asche. Die Büßer mussten 40 Tage lang fasten und die Bußkleider tragen. Erst nach einem Jahr oder nach sieben Jahren durften sie wieder die Kommunion empfangen.

Der Aschermittwoch bildet die Schwelle zwischen Fasching und Fastenzeit. Der Heringsschmaus als öffentliche Fischmahlzeit sollte die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der (nun büßenden) Christen bekunden. Vor der Entwicklung der Kühltransporte waren Kabeljau (als Stockfisch getrocknet) und Hering die einzigen Meeresfische, die in Binnenländer exportiert werden konnten. Man salzte die Heringe ein und verfrachtete sie in Fässern. Süßwasserfische blieben den oberen Ständen vorbehalten, denn Jagd und Fischerei waren Herrenrechte. Klöster hatten ihre eigenen Fischteiche. Fastenbrezel, salzige Laugenbrezel, waren lang haltbar. Ihre Form soll an verschränkte Arme als Gebetshaltung erinnern. Ratscher erhielten solche Brezel als Lohn. In Salzburg vertrieb ein Wanderhändler die "Fastenbrezen", bei der Fastendult konnte man sie an vielen Ständen kaufen. Man erwarb sie nach der Osterbeichte und brachte sie mit heim. Selbst buk man sie zwischen Aschermittwoch und Palmsamstag. Im Land Salzburg war der 3. März (Kunigundentag) der Tag der Brezenspende. Das Gebäck diente auch als Einlage in eine Fastensuppe (Brezensuppe) und als Behang von Palmbuschen.

1559 malte Pieter Bruegel d.Ä. das bekannte Tafelbild "Streit des Karnevals mit den Fasten" ("Kampf zwischen Fasching und Fasten"). Die Berliner Volkskundlerin Marianne Rumpf (1921-1998) hat es 1986 neu interpretiert. Sie erklärt den Kampf als Turnierparodie. Auf der linken Seite sieht man demnach nicht den heiteren "Prinz Karneval", sondern die vom Fasten dispensierten Heischenden - wie Kinder, Pilger und Personen mit verschiedenen Krankheiten - mit ihrer Beute: Schinken, Kalbskopf, Eier, Geflügel, Hasen, Würste und Pastete. Ihnen kommen von rechts aus der Kirche die Bürger entgegen. Symbole der Fastenden sind Fische, Muscheln, Brezeln und Fladen. Angeführt werden sie von Frau Fasten. Sie sitzt auf einem Kirchenstuhl, der auf einem von einem Mönch und einer Magd gezogenen Prozessionswägelchen steht. Sie trägt ein härenes Büßergewand und hat eine Backschaufel mit zwei Heringen als "Waffe". Nach einer anderen Deutung handelt es sich um ein Spottbild über den, zu Breughels Zeit aktuellen, Konfessionsstreit zwischen Katholiken und Protestanten. Auf jeden Fall lohnt es sich, das detailreiche Gemälde im Saal 10 des Wiener Kunsthistorischen Museums eingehend zu betrachten.

Auf die Zeit der Gegenreformation geht der Wiener Kalvarienberg im 17. Bezirk (Hernals) zurück, er besteht seit 1639. Da die damalige Herrschaft Hernals ein Zentrum des evangelischen Glaubens war, schien in der Gegenreformation ein Kalvarienberg als geeignetes Mittel, diese Vergangenheit vergessen zu lassen. An der Einweihung nahmen der Kaiser und sein Hofstaat mit einer pompösen Prozession teil. Die Wiener besuchten nicht nur die Andachtsstätte gerne, sondern auch den Fastenmarkt rundum. Er ist der älteste ständig durchgeführte Jahrmarkt Wiens. Die Markthändler freuen sich auf das 300-Jahr-Jubiläum im Jahr 2013 und planen "zahlreiche Events und besondere Attraktionen". Der Gelegenheitsmarkt ist von Aschermittwoch bis Ostersonntag geöffnet. Sein Markenzeichen ist der Baumkraxler, ein hölzernes Männchen, das sich auf einem Stab bewegt. Sein Vorbild war der Zollpächter Zachäus, der in Jericho auf einen Baum stieg, um Jesus besser zu sehen (Lk 19,1-10).

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel", 2013