Goldschläger#
Im Herbst 2018 wurde das traditionelle Handwerk der Goldschläger in das Österreichische Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. In diesem Gewerbe sind nur noch zwei Firmen - in Wien und in Schwechat, Niederösterreich - aktiv. Seit etwa einem Jahrzehnt ist Goldschläger in Österreich jedoch kein Lehrberuf mehr. Im deutschen Zentrum der Blattgoldproduktion, Schwabach, gab es um 1900 noch 130 Goldschlägerbetriebe, heute sind es drei. Schon 1990 schrieb die Fachautorin Ingrid Humpl: "Wenn diese Tendenzen sich fortsetzen, kommt die Blattgold-Fabrikation ganz in die Hand von einigen Großunternehmen, während das alte Handwerk über kurz oder lang ernsthaft gefährdet ist."
Die Herstellung von Blattgold zählt zu den ältesten Techniken der Formgebung von Metall. Sie ermöglicht die effektvolle und sparsame Verwendung des kostbaren, mythenumwobenen Materials. In Ägypten wurden um 2500 v. Chr. Mumien vergoldet, wobei das Edelmetall 1/1000 mm dünn war. Als der biblische König Salomo im ersten vorchristlichen Jahrtausend den Tempel in Jerusalem bauen ließ, "überzog er das ganze Haus vollständig mit Gold". (1 Kön. 6, 22). Chinesen und Inder veredelten um 600 v. Chr. große Buddhastatuen mit Blattgold. Der Kinkaku-ji (Goldener-Pavillon-Tempel) in der japanischen Stadt Kyōto entstand Ende des 14 Jahrhunderts. Die oberen Stockwerke seiner Reliquienhalle sind vollständig mit Blattgold bedeckt.
Im alten Rom schätzten Künstler das hauchdünne Edelmetall ebenso wie christliche Kirchen und Herrscher durch die Jahrhunderte. Handwerker in den Klöstern stellten im 12. Jahrhundert Blattgold her. Vermutlich im 14. Jahrhundert ging die gewerbliche Arbeit auf bürgerliche Handwerker über. Im Wien des 16. Jahrhunderts war der Beruf der Goldschläger sehr angesehen und zählte zu den Kunsthandwerkern. Sie produzierten Blattgold und Silberblatt für Goldspinner, Vergolder, Golddrahtzieher, Maler, Bildhauer, Buchbinder, Büchsenmacher und Glaser, stellten aber auch selbst Schmuckgegenstände her.
Zahlreich sind die Außenvergoldungen als Zeichen der Macht und Pracht, wie Turmbekrönungen und Fassadendetails. Sie beeindruckten den osmanischen Reiseschriftsteller Evliya Celebi so sehr, dass er Wien 1665 als "Stadt des Goldenen Apfels" rühmte. In der Barockzeit entstanden bedeutende Beispiele, wie Christusmonogramm und Strahlenkranz auf der Alten Universitätskirche oder der Fassadenturm der Mariahilfer Stiftskirche, dessen Helm die habsburgische Hauskrone und das Kreuz in Gold trägt. Die Hofburg und viele Adelspalais repräsentierten ebenfalls mit vergoldeten Zierelementen. Aus der Ringstraßenzeit fallen u. a. die Details am Parlament, wie Schornsteine oder Teile des Pallas-Athene-Brunnens, auf. Das "Weiß-Goldene Wien" um 1900 (Manfred Koller) setzte Goldakzente u. a. an der Sezession und Otto-Wagner-Bauten. Für all dies benötigte man drei spezielle Gewerbe: Goldschläger zur Herstellung von Blattgold, Vergolder, die dieses verarbeiteten und Gürtler, um Feuervergoldungen von Metall durchzuführen.
Wenn auch die Goldblättchen im Lauf der Jahrhunderte immer dünner wurden, ist doch die Art der Herstellung gleich geblieben. Sie erfordert vom Goldschläger sowohl Kraft als auch Fingerspitzengefühl. Die traditionelle Methode beruht auf dem indirekten Schlagen des Goldes in zähen, dünnen Zwischenlagen. Für die "Häutchen" eigneten sich spezielles Papier, Pergament oder Rinderdarm. Die Herstellung beginnt mit dem Schmelzen der Legierung. Je nach dem gewünschten Farbton - von Orange bis Hellgrün - enthält das Gold Anteile von Silber, Nickel, Palladium oder Cadmium. In die Form gegossen, die einem Lineal ähnelt, wird der "Zain" ausgeschmiedet und als mehr als 100 m langes "Goldband" auf 3/100 mm Stärke gewalzt. Die Zurichterin schneidet das Band in quadratische Stücke von ca. 4 cm. Rund 600 dieser "Quartiere" legt sie, abwechselnd mit den Häutchen, exakt aufeinander, bis die Form ("Quetsche") gefüllt ist. Der erste der drei Schlagvorgänge mit dem Federhammer dauert rund 20 Minuten und vergrößert das Goldblatt auf das Vierfache, weshalb man es danach viertelt und in ein neues "Paket" legt. Um das Ankleben auf den Zwischenblättern zu verhindern, wird es von Rückständen befreit, "gewischt" und "gebräunt". Das Bestreichen mit Fasergips erfolgt in konventioneller Weise mit Hilfe einer präparierten Hasenpfote. Das zweite Schlagen verdünnt das Goldblatt auf 1/1000 mm. Das dritte, "Dünnschlagen", das bis vor wenigen Jahren händisch vor sich ging, bringt die gewünschte Stärke von 1/10.000 mm. Dafür befinden sich 2 mal 1000 quadratische Blätter in der Form. Dieser dritte, maschinelle, Vorgang kann einige Stunden in Anspruch nehmen. Als ihn die Goldschläger mittels verschiedener Hämmer durchführten, benötigten die sechs verschiedenen Vorgänge fast 500 Streiche. Die Männer bearbeiteten das elastische Paket auf Vorder- und Rückseite von der Mitte nach außen. Auch heute erfolgt das "Fertigmachen" händisch. Als Unterlage dient ein gut meterhoher Granitblick mit geschliffener Oberfläche. Um gleichmäßige Stärke zu erreichen, ohne dass das Material reißt, ist viel Erfahrung und Können nötig. Schließlich schneiden Arbeiterinnen die Goldblätter auf 8 x 8 cm große Stücke und verpacken je 25 in ein "Büchlein" aus präpariertem Seidenpapier. Für die Manipulation verwenden sie Holzzangen. Nach mehreren Tagen ist ein Drittel der flüssigen Legierung zu fertigem Blattgold geworden. Zwei Drittel des wertvollen Abfalls werden wieder eingeschmolzen.
Quellen:
Ingrid Humpl: Blattgold. Heidelberg 1990
Nenna v. Merhart - Traudl Zulehner: Du Mont's Handbuch Vergolden und Fassen. Köln 1987
Manfred Koller: Es ist (fast) alles Gold, was glänzt. In: Steine sprechen, Nr. 152. Wien 2017
UNESCO
Bild:
Alois Wamprechtsamer GmbH
Siehe auch:
Heimatlexikon