Kasten#
Was Landmöbel betrifft, könnte man vereinfacht sagen: Am Anfang war die Truhe. Das knie- bis tischhohe Möbel mit einem Deckel, der nach oben zu öffnen ist, war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der meist verwendete Einrichtungsgegenstand, gleichermaßen in adeligem, klösterlichem oder bäuerlichem Besitz. Leopold Schmidt nennt die Einbaumtruhen, aus einem Stamm gehauene Tröge mit Deckel, als Frühform.
Hingegen ist der Kasten (Schrank, Almer) ein stehendes Behältermöbel. Er diente weniger zur Aufbewahrung von Kleidung als von Lebensmitteln. Die älteren Formen waren schmal und eintürig. Der doppeltürige Kleiderkasten war in eine Seite zum Legen und eine zum Hängen geteilt. Vorbilder sah Schmidt in den Möbeln der Renaissance. Ältere ländliche Möbel dieser Art wurden mit Holzdübeln verbunden, die von Blendleisten verdeckt sind, und ruhen auf einem Sockel. Jüngere Modelle, vom Tischler verzinkt gearbeitet, stehen auf Füßen. Häufig werden sie durch einen Kranz (Gesimse) zusammengehalten. Zusammenfügen von Rahmen und Füllung ergab die Felderung, die zur Gestaltung (Bemalung) der Schauseite motivierte.
In Tirol finden sich im 17. Jahrhundert kostbare Stücke, deren Felder Wappenadler zeigen. Allgemein verbreitet waren pflanzliche Motive wie Sprosse, Bäumchen und stilisierte Blüten (oft Tulpen, Nelken und Rosen), religiöse Darstellungen und Symbole. Schmidt nennt die bemalten Möbel "Bildwände" in den Wohnräumen. Bei reichen Bauern nahm der große, gut bemalte Kasten den Hauptrang unter den Hochzeitsmöbeln ein, dem sein Ehrenplatz in der Stube ein Jahrhundert lang, unabhängig von den Moden der Handwerker-Künstler, erhalten blieb. In manchen Regionen (Pinzgau, Montafon) fertigte man Landmöbel aus unbemaltem Hartholz.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 432
Leopold Schmidt: Volkskunst in Österreich. Wien 1966. S. 96 f.
Bild:
Bemalter Kasten aus Lienz (Osttirol) 1823. Foto: Alfred Wolf