Liebesschlösser#
In den 1990er Jahren entstand in Italien ein neuer Brauch mit alten Symbolen: Ein Liebespaar befestigt ein Vorhängeschloss (oft mit seinen Initialen oder anderen Aufschriften versehen) an einem Brückengeländer und wirft den Schlüssel ins Wasser. So soll die ewige Verbundenheit zum Ausdruck gebracht werden.
Die Bonner EthnologInnen Dagmar Hänel und Mirko Uhlig haben sich eingehend mit dem Phänomen beschäftigt, das vor allem an der Kölner Hohenzollernbrücke unübersehbar ist. Erste Spuren weisen nach Rom, wo der Autor des Jugendromans "Ho voglia di te", Federico Moccia, 2006 in einem Interview angab, das erste "Amorchetti" (amore - Liebe + lucchetti - Vorhängeschloss) an der Milvischen Brücke in Rom angebracht zu haben, um seinem Roman Authentizität zu verleihen. Im selben Jahr war der Brauch in einem Musikvideo des Popsängers Tiziano Ferro zu sehen. Die deutschen Forscher erkannten drei Elemente: die Symbolik von Schloss und Schlüssel (triviale Beischlafmetapher, Macht- und Herrschaftszeichen), der Ort der Objekte (Brücken als Ort von Übergängen) und die Akteure, die auf ein Bekenntnis von Emotion, Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Liebe abzielen.
Auch in Österreich gibt es etliche Beispiele: Am Brunnen auf dem Kahlenberg (Wien 19) hängen Liebesschlösser. Das feinmaschige Gitter erlaubt die Befestigung handelsüblicher Vorhangschlösser. Auch auf der Fußgängerbrücke über den Wienfluß im Stadtpark befinden sich einige, obwohl das Geländer nicht sehr gut für die Anbringung geeignet ist. In Graz ist die Murbrücke dicht behängt. Ein zwischen den Streben des Geländers gespanntes Drahtnetz erleichtert das Aufhängen.
Am 27.4.2017 meldete ORF.at: "Hunderte Kilogramm „Liebesschlösser“ werden bald in Paris für einen guten Zweck versteigert. Bei der Auktion werden unter anderem 15 mit Vorhängeschlössern vollgepackte Geländerteile von Pariser Brücken angeboten - mit einem Gewicht von jeweils bis zu einer halben Tonne, wie die Stadtverwaltung heute mitteilte. Der Erlös der Auktion am 13. Mai geht an Hilfsorganisationen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.
Verliebte Paare aus aller Welt hängen als Zeichen ihrer Treue Vorhängeschlösser an Brückengeländer. In der Stadt der Liebe wurde das aber zu einem echten Problem: Das Gewicht der Schlösser belastet die Brücken - abgesehen davon, dass viele derart vollgehängte Brückengeländer nicht gerade als ansehnlich empfinden.
Die Pariser Stadtverwaltung entfernt die Liebesschlösser deswegen regelmäßig, immer wieder werden ganze Geländerteile abmontiert. An der bekannten Brücke Pont des Arts am Louvre-Museum wurden so einmal 45 Tonnen Metall entfernt, an der Brücke Pont de l’Archeveche 20 Tonnen." Auch in Wien werden Schlösser abmontiert, wenn Brückenteile gefährdet sind oder renoviert werden. Bis zu 100 Schlösser jährlich kommen dann in das Depot der zuständigen MA 39 in Döbling. Dort können sie auch wieder abgeholt werden.
Quellen:
Dagmar Hänel und Mirko Uhlig: Was macht die Liebe auf der Brücke ? In: Fest, Brauch, Event. Regionale Kultur zwischen Tradition und Moderne. Köln 2013
MA 39, publiziert 15.12.2018
Bilder:
Brunnen auf dem Kahlenberg, Foto: Helge-Wernhard Süß, Juni 2014.Freundlicherweise für das Austria-Forum zur Verfügung gestellt
Murbrücke in Graz, Foto: Doris Wolf, 2015