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Brücken - ein Essay#

von Peter Diem

Seit Anbeginn seiner Existenz als vernunftbegabtes Wesen ist der Mensch mit der Notwendigkeit - aber auch mit der Möglichkeit - konfrontiert, räumliche Distanz und räumliche Trennung zu überwinden.

Zur Überwindung der Entfernung diente ihm zunächst der aufrechte Gang mit der Fähigkeit zu springen, zu klettern, zu laufen und zu schwimmen.

Diese Möglichkeiten wurden im Lauf der frühesten Entwicklung durch Leiter, Rad und Boot ergänzt. Damit konnte sozusagen der "Normalraum" überwunden werden - Ebene, Hügel, Berg und See. Doch die Erdoberfläche ist so gestaltet, dass in den meisten Siedlungsräumen der Menschheit Hindernisse auftreten, vornehmlich schnell fließende Gewässer, Täler und Schluchten. Diese direkt zu durchqueren, gestaltete sich schwierig, sie zu umgehen, war entweder unmöglich oder zu zeitraubend. Die Notwendigkeit, Brücken zu errichten, stand also schon an der Wiege der Menschheit - wohl mit Ausnahme der nomadisierenden Wüstenvölker. Es verwundert daher nicht, dass der Bibel das Bild der Brücke offenbar völlig unbekannt war, sind die Wanderungs- und Siedlungsgebiete der biblischen Völker ja meist flache Wüstenlandschaften ohne Wasserläufe, sieht man vom Nil ab. Gerade der extremen Wasserstandsschwankungen unterworfene Strom Ägyptens aber ist der wahrscheinlich einzige Fluss der Erde, in dessen Geschichte die Brücke kaum eine Rolle spielt. Boot und Damm bilden oberhalb des Nildeltas bis auf den heutigen Tag die wichtigsten Mittel der Flussüberquerung.

Clapper Bridge Quelle: Wikicommons unter CC
Clapper Bridge Quelle: Wikicommons unter CC
Einfache Formen der Brücke konnten durch Ausgrabungen bis weit in die Vorgeschichte nachgewiesen werden. Aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammt die Steinbalkenbrücke ("clapper bridge") in der Nähe von Postbridge/Devonshire, die rund neun Meter überspannt (Bild rechts). Ebenfalls in England, in der Nähe von Chester, wurde 1854 in einer Tiefe von vier Metern unter der Erdoberfläche eine Brücke aus über 30 Meter langen Eichenstämmen in drei Lagen entdeckt. Über diesen Fund wurde erst 1985 wissenschaftlich genau berichtet und eine Datierung 3000 Jahre vor der römischen Besiedelung angegeben. Es hat also bereits in der Steinzeit am damaligen Hafen von Liverpool eine Holzbrücke gegeben. Desgleichen sind Holzbrücken aus der Bronzezeit (Latene-Kultur) an den Pfahlbausiedlungen bei Neuchatel/Schweiz (um 500 v. Chr.) in der Länge bis zu 80 Metern nachgewiesen worden.

Tibet gilt als das Ursprungsland der Hängebrücken. Jedoch auch aus dem Hindukusch (das Wort bedeutet "hängende Übergänge"!) wird schon vor unserer Zeitrechnung über Seilbrücken berichtet. Unvorstellbar ist uns der Mut derer, die wilde Himalaya-Schluchten überwanden, indem sie zuerst ein dünnes Seil hinüberschossen, an dem dann starke Pflanzenseile nachgezogen wurden, um schwankende Brücken zu errichten. Dasselbe gilt für die Inkas, die um 1350 n. Chr. den Apurimac-Canyon mit einer 45 Meter langen Hanfseilbrücke überspannten, die sogar von Ross und Reiter passiert werden konnte.

Viel früher aber gab es schon feste Brückenbauwerke in Mesopotamien, darunter die 126 Meter lange Euphratbrücke von Babylon aus dem Jahre 600 v. Chr. Darius ließ 493 den Bosporus, Xerxes 480 v. Chr. die Dardanellen durch eine aus 700 Fahrzeugen in zwei Reihen bestehende Schiffsbrücke überspannen. Erst 1973 wurden Europa und Asien endgültig durch eine über 1000 Meter lange Stahlkabelbrücke über den Bosporus miteinander verbunden

Es wird nicht weiter verwundern, dass auch das an Flüssen reiche China schon ein Land der Brücken war, wie etwa die 1189 erbaute Marco-Polo-Brücke westlich von Peking beweist, deren Begrenzungsmauern 280 unterschiedliche Steinlöwen zieren.

Die Römer sind uns als besonders eifrige Brückenbauer vertraut. Sie hatten die Kunst des Keilsteinbrückenbaus von den Etruskern übernommen. Wie für die Ewigkeit erbaut dünken uns heute ihre Werke - man denke etwa an die Geschichte der Milvischen Brücke, zweieinhalb Kilometer nördlich der römischen Porta del Popolo, errichtet im ersten oder zweiten Jahrhundert: an ihren sieben Bogen entschied sich das Schicksal des Christentums, das Konstantin nach seinem Sieg über Maxentius ("In hoc signo vinces" - 28.10. 312) zur Staatsreligion erhob. Über diese Brücke zog Jahrhunderte lang der Verkehr der Via Flaminia.

Garibaldi ließ die "Ponte Nullo" 1949 sprengen - und dennoch trug sie im Zweiten Weltkrieg den gesamten Etappenverkehr - zuerst italienische, dann deutsche und schließlich alliierte Panzer ohne Zahl.

Nehmen wir die spektakulären Rheinbrücken Caesars, in wenigen Tagen als Holzkonstruktionen mit über 50 Öffnungen errichtet, oder denken wir an die berühmte Trajansbrücke über den Tejo bei Alcantra, die noch heute ihren Dienst versieht: pontem perpetui mansurum in saecula, ließ der Pontifex Maximus - Ehrentitel der römischen Kaiser und später der Päpste - auf ihr einmeißeln. Wie viele andere Brücken Trajans krönt sie ein Triumphbogen. Trajan (93-117 n. Chr.) war wohl der größte Förderer der römischen Bau- und Brückenbaukunst. Neben Brücken über Rhein, Euphrat und Tigris ließ er eine über 1000 in lange Donaubrücke beim heutigen Turnu Severin in der Nähe des Eisernen Tores errichten. Die Bauzeit für das hölzerne Tragwerk auf 20 steinernen Pfeilern betrug nur ein Jahr.

Der Architekt des Wunderwerks war Appolodorus von Damaskus. Eine Szene des prächtigen Reliefs auf der Trajanssäule in Rom zeigt den Kaiser, wie er vor dieser Brücke ein Opfer darbringt.

Die römischen Tiefbauingenieure ("architecti") hatten zwar in erster Linie Straßenbrücken zu bauen - insgesamt umfasste das Imperium Romanum mindestens 150.000 km an Straßen zwischen Manchester und Alexandria, Casablanca und Batum - doch soll man auch auf den Wasserleitungsbau nicht vergessen. Das Wasserleitungssystem der Stadt Rom umfasste 404 km, von denen insgesamt 47 km auf Arkaden liefen.

Pont du Gard im Nimes, Foto: Armin Kübelbeck, aus: Wikicommons unter CC
Pont du Gard im Nimes, Foto: Armin Kübelbeck, aus: Wikicommons unter CC
Die kühnste Aquäduktkonstruktion außerhalb Italiens, der Pont du Gard im südfranzösischen Nimes, wurde im Jahre 18 v. Chr. unter Agrippa, zur dieser Zeit Statthalter von Gallien, errichtet. Sie besteht noch heute. Die unterste der drei Arkadenreihen diente Ross und Wagen, die mittlere den Fußgängern, und die oberste trug die Wasserleitung (rechts).

Die römischen Brücken, unter auch ihnen die 138 n. Chr. unter Hadrian erbaute Engelsbrücke, sind durch ihre Bogen- und Keilsteintechnik geradezu zum Prototyp der Brücke schlechthin Geworden.

Im Mittelalter wurden die Brücken weiterhin in dieser Technik erbaut.

Berühmte Beispiele hiefür sind die Brücke von Avignon (1180), im Kinderlied "Sur le pont..." ebenso besungen wie die nach ihrem Vorbild errichtete Prager Karlsbrücke (1357), die im Studentenlied "Mit der Fiedel auf dem Rucken . . ." erwähnt wird.

Die bereits 1135 begonnene Regensburger Brücke über die Donau hatte nicht weniger als 16 Bögen und ist ebenso sagenumrankt wie viele andere Stadtbrücken des Mittelalters. Diese trugen oft Läden und Werkstätten und waren so wichtige Umschlagplätze. Ihre Erhaltung wurde durch Mautgebühren und manchmal sogar durch Ablassgelder sichergestellt.

Beispiele für derartige Brücken sind die 1209 fertiggestellte London Bridge, die dicht mit mehrstöckigen Häusern besetzt war, die romantischen Ponte Vecchio in Florenz (1345) und schließlich auch die Rialtobrücke in Venedig, die, auf an die 10.000 Rammpfähle gegründet, 1591 vollendet wurde und damit schon in die Neuzeit gehört. Aus dieser Periode(1567) stammt auch die bekannte Spitzbogenbrücke von Mostar, ein Meisterstück der bis ins 19. Jahrhundert hineinreichenden türkischen Brückenbaukunst, zerstört im letzten Balkankrieg und als Weltkulturerbe wiederaufgebaut.

Im vorigen Jahrhundert erfolgte in Frankreich und England der "Übergang vom empirischen zum technischen Brückenbau" (Charlotte Jurecka). Die schnelle Entwicklung der Eisenbahn erforderte zahllose Brückenkonstruktionen. So gab es auf der Strecke Liverpool-Manchester (1830 fertiggestellt) an die 60 Eisenbrücken, während die erste derartige Eisenbahnbrücke in Deutschland erst 1853 bei Günzburg in Bayern erbaut wurde.

Der Sohn George Stephensons (1781-1348, Schöpfer der ersten Lokomotive), Robert Stephenson (1803-1859), errichtete mit der Britannia-Eisenbahnbrücke zwischen Wales und der Insel Anglesey ein äußerst eigenwilliges, aber richtungsweisendes Bauwerk, die erste schmiedeeiserne Balkenbrücke (1850).

Noch in Steinbauweise hatte Carl Ritter von Ghega zwischen 1848 und 1353 seine berühmten Semmeringbahn-Viadukte errichtet, doch der Stahl entschied bald den Kampf um die Vorherrschaft im Brückenbau für sich, bis er im nächsten Jahrhundert zumindestens zum Teil dem Spannbeton weichen musste.

Eine Zeit kühnster Stahlkonstruktionen brach an: die Periode der Fachwerk-, Ketten- und Stahlseilbrücken. Die Brücke über den Firth of Forth in beeindruckender, massiger Kragbauweise mit zwei Stützweiten von je 521 und einer Gesamtlänge von 2.500 Metern, wurde 1883 begonnen und 1890 fertiggestellt.

Die lange Jahre als Weltwunder geltende, 438 m überspannende Brooklyn Bridge in New York war bereits 1833 errichtet worden.

Alte Trisannabrücke Aus: Wikicommons unter CC
Alte Trisannabrücke Aus: Wikicommons unter CC
Die bekannteste stählerne Fachwerkbrücke Österreichs ist die 1884 nach zwei Jahren Bauzeit fertiggestellte Trisannabrücke, die das Tiroler Paznauntal in 90 m Höhe mit einem 129 m langen Halbparabelträger überspannt. 1964 wurde das alte Tragwerk innerhalb von 10 Stunden durch ein neues, im Aussehen gleich artiges ersetzt.

In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts wurden in Österreich zwei Brücken fertiggestellt, Beispiele für das bisher modernste Brückenbauprinzip, das der Schrägseilbrücke: 1972 die Donaubrücke bei Hainburg und 1975 die Donaukanalüberquerung der Ostautobahn. Die letztere wurde in der so genannten Drehbauweise ausgeführt, d.h. die beiden Brückenhälften wurden erst parallel zu den Ufern fertiggestellt und dann zur Mitte verschwenkt.

Wie bei mehreren sehr langen Brücken in Deutschland (z.B. Köhlbrandbrücke in Hamburg, 3.618 m) oder Frankreich werden die Brückenträger von Zugseilen (oft in "Harfen" angeordnet), die an Pylonen befestigt sind, gehalten. Inzwischen gibt es viele derartige Konstruktionen, die durch ihre Zartheit und Eleganz die Ketten- und Kabelbrücken abgelöst haben.

Die Geschichte des modernen Brückenbaus ging nicht ohne größere Unfälle vor sich. Am bekanntesten wurde der Einsturz der Eisenbahnbrücke über den Firth of Tay am 28.12.1879, dem Theodore Fontane in seiner Ballade ein bleibendes literarisches Denkmal gesetzt hat: "Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand." Während man früher immer einen Wintersturm mit Spitzenböen von 144 km/h als alleinige Ursache für den Einsturz des Mittelteils der drei Kilometer langen Eisenbrücke hielt, ergaben erst 1976 veröffentlichte Forschungen, dass die Brücke schon vor dem Unglück Material und Konstruktionsschwächen aufgewiesen hatte. Aus Gewinnsucht war schlechtes Material verwendet worden, aus Fahrlässigkeit waren bekannte Mängel nicht behoben worden. 200 Passagiere ertranken im 130 Meter tiefen, eiskalten Meer.

Tay-Bridge nach dem Einsturz - Aus: Wikicommons unter CC
Tay-Bridge nach dem Einsturz - Aus: Wikicommons unter CC

Obwohl die genannte Katastrophe zu einer gründlichen Revision aller Konstruktionspläne geführt hatte, kam es 60 Jahre später wieder zu einem durch Winddruck ausgelösten Brückenunglück. Die Tacoma Narrows Bridge im Staat Washington, mit einer Spannweite von 855 m die fünftlängste der USA war mit einer Breite von nur 11,9 m nicht genügend verwindungssteif und wurde vom Wind so aufgeschaukelt, dass sie am 7.11.1940 einstürzte. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden.

Relativ glimpflich ging auch der Einsturz der 1937 erbauten Wiener Reichsbrücke am 1.8.1976 um 4.43 Uhr ab, der ein Todesopfer forderte. Ursache war fehlerhafter Beton am linken Strompfeiler. Unerwähnt müssen hier diverse andere Einstürze und Unfälle während des Baus moderner Brücken bleiben

Das Thema "Brücke" fasziniert zunächst durch die technischen Leistungen, die seit den antiken Hochkulturen bei der Überwindung von topographischen Hindernissen durch Architekten, Ingenieure und Bauleute erbracht wurden. Doch weit über das wuchtige oder elegante überspannen van Flüssen und Meerengen, Schluchten und Tälern hinaus, wohnt dem Begriff "Brücke" ein vielfältiger Bedeutungsinhalt inne.

Etymologisch kommen "Brücke" und "Bridge" von ahd. pruccha, das auch mit "pritsche" und "Prügel" in Zusammenhang gebracht werden kann. Im romanischen Sprachraum ist lat. pons die Wurzel, die auf Sanskrit patha/panthan zurückgehen dürfte. Die deutschen Wörter Brücke und Bruck kommen in Hunderten von Ortsnamen vor - von Brügge und Osnabrück bis Brückl und Steinabrückl, von Innsbruck bis Bruck/Leitha. Bridge lesen wir u.a. im englischen Cambridge, und das slawische most findet sich im bereits erwähnten Mostar, der Stadt mit der türkischen Brücke in der Herzegowina.

Bemerkenswert ist, dass die Mehrzahl der mit dem Begriff "Brücke" verbundenen Sprichwörter heute kaum mehr gebräuchlich ist. Man sagt zwar, man wolle jemandem eine goldene Brücke bauen oder habe alle Brücken hinter sich abgebrochen, doch wer verwendet schon "jemandem die Brücke treten" (den Weg bahnen), "über diese Brücke möchte ich nicht gehen" (das glaube ich nicht) oder "wenn das Wort eine Brücke wäre" (als Hinweis darauf, dass man einer Aussage nicht traut).

Das Verschwinden dieser Redensarten deutet darauf hin, dass die in die antike und mittelalterliche Stadtarchitektur sehr stark integrierte Brücke, vor allem aber die dem Schutz dienende Zugbrücke, weitgehend aus dem Bewusstsein des modernen Menschen verschwunden ist.
Heutzutage sind Brücken in der Regel nicht mehr schwankende Stege oder von vielen Menschen zu Fuß überschrittene Verbindungen, sondern sich kaum von der sonstigen Strecke unterscheidende Bauwerke im Bahn- oder Autoverkehr, die ohne besondere Empfindungen überfahren werden

Dennoch bildet der Begriff "Brücke" zweifellos einen im kollektiven Unterbewusstsein auch des heutigen Menschen tief verwurzelten Mythos.
Es ist nicht mehr nur der konkrete Bedeutungsinhalt der unmittelbar erlebten Steinbögen ("Auf der Prager Brücke begegnet man entweder einem Mönche, einer Hure oder einem weißen Pferde"), sondern das abstrakte Überwinden von Gegensätzen, das Überspannen des (künstlich) Getrennten, also die übertragene Bedeutung, die den Brückenbegriff heutzutage mitbestimmt. Dementsprechend zitiert auch der Duden das Beispiel. "Die Begegnungen der jungen Menschen sollen Brücken schlagen zwischen den Völkern".

Der Gedanke des geistigen, weltanschaulichen und politischen Brückenschlags hat wohl auch dazu geführt, dass für die 1995 in Wien und Budapest geplante Weltausstellung das Thema "Brücken in die Zukunft" gewählt wurde. Das Bild von der traditionellen "Brückenfunktion" Österreichs ist dabei zweifellos Pate gestanden, wenn auch klar sein muss, dass diese Metapher manchmal bereits überstrapaziert wurde. So hat sich etwa schon der Ständestaat als Brücke zwischen dem Deutschtum und der Welt der Slawen und Magyaren gesehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Doktrin der immerwährenden Neutralität Österreichs zu einer anderen Auffassung von "Brücke" geführt, nämlich zu der einer Drehbrücke zwischen den im Kalten Krieg einander weithin unversöhnlich gegenüberstehenden Machtblöcken. Liegt ja unser kleines Land geopolitisch und zum Teil auch rnentalitätsmäßig in der Tat genau zwischen diesen Blöcken, obwohl niemand daran zweifelt, dass Österreich sich politisch voll den westlichen Demokratien zugehörig fühlt. Zumindest was die Beratungen über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE-Prozess betrifft, hat der Konferenzort Wien und die Vermittlerrolle Österreichs sicher positive Auswirkungen gehabt-

"Brücken in die Zukunft" lässt aber noch viele andere Assoziationen als die Überwindung der geopolitischen Ost-West-Spannungen zu ergibt sich doch gerade aus der weltweiten stürmischen Entwicklung der modernen Technik eine Fülle von schier unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen verschiedenen Lebensfaktoren. Man denke nur an die wachsenden ökologischen Probleme oder an die schon heute spürbare gefühlsmäßige Kälte technischer Abläufe, denen ein steigendes Bedürfnis nach menschlicher Wärme und Geborgenheit gegenübersteht. Man betrachte die sich weiter öffnende Schere zwischen dem Reichtum in der Ersten und der Armut in der Dritten Welt.

Brücke in Patras
Brücke bei Patras - Foto: P.Diem
Wenn sich manches davon auch nur in den Köpfen gesellschaftlich Eilten abspielt, so ist dennoch davon auszugehen, dass diese Prozesse erst am Anfang stehen und uns noch viele Jahre und in immer intensiverer Form begleiten werden.

Das Bild der Brücke trägt vor allem Hoffnung, aber auch Momente der Gefahr in sich. Mythologisch gesehen, ist die Brücke der Ort des Übergangs von einem Lebenszustand in einen anderen. Im Urzustand, dem "Goldenen Zeitalter", in dem es noch keinen Tod gab, konnte der Mensch nach Belieben hinüber- und herüberschreiten. Später wird die Brücke zum Ort des Überganges von Tod zur Unsterblichkeit, vom Unwirklichen zum Wirklichen.

Im persischen Mythos gehen die in der Hölle geläuterten Seelen über eine Brücke ins Lichtreich.

Im Islam ist diese Brücke schmäler als ein Haar und schärfer als eine Schwertklinge, so dass die Verdammten abstürzen und die Auserwählten je nach ihren Verdiensten rascher oder langsamer ins Paradies eingehen.

Nach nordischer Vorstellung wanderten die Seelen der abgeschiedenen Frommen über die Bienenbrücke ins Reich der Seligkeit.

In der Edda wird der Regenbogen zur Himmelsbrücke, deren Betreten allein den Asen, den Angehörigen des Göttergeschlechts, vorbehalten ist. Nach alter finnischer Vorstellung führt eine nur aus einem Faden bestehende Brücke über den Todesfluss. Im deutschen Volksglauben werden nach Grimm die Seelen der Gerechten von ihren Schutzengeln über den Regenbogen in den Himmel geführt.

Wie schon erwähnt, spielt die Brücke in der judeo-christlichen Tradition keine Rolle - tatsächlich war ihr Bild den Wüstenvölkern nicht vertraut. Sehr wohl aber kennt die Bibel den Regenbogen Gott setzt nach der Sintflut seinen Bogen (gemeint ist der Blitze schleudernde Kriegsbogen als - friedlichen - Regenbogen an das Firmament zum Zeichen seines Bundes mit den Menschen. Und wenn der Prophet Ezechiel Gottes Herrlichkeit erschaut, ist die Erscheinung von einem strahlenden Regenbogen umgeben (Ez 1,28).

Der Regenbogen - in der griechischen Mythologie der Verkörperung der Götterbotin Iris - ist ein häufiges Symbol der Verbindung zwischen Himmel und Erde. Den Indianern war er Leiter zur anderen Welt. Im Buddhismus symbolisiert er die höchste Stufe, die der Mensch im SANSARA, in der Wanderung durch die Wiedergeburten, erreichen kann, bevor er das "klare, helle Licht" des NIRVANA erlangt. Der Regenbogen ist somit ein Transfigurationssymbol, er bildet die Brücke zum Paradies oder auch den Thron des Himmelsgottes.

In der Offenbarung an Johannes heißt es: "Im Himmel stand ein Thron, darauf saß einer. Sein Gesicht glänzte wie die kostbaren Edelsteine Jaspis und Karneol. Über dem Thron stand ein Regenbogen, der leuchtete wie ein Smaragd." (4,2 f) und ebenda: "Dann sah ich einen anderen mächtigen Engel vom Himmel auf die Erde hinunter steigen. Er war von einer Wolke umgeben, und ein Regenbogen stand über seinem Kopf. Sein Gesicht war wie die Sonne, und seine Beine glichen Säulen aus Feuer." (10,1). In mittelalterlichen Darstellungen trifft man dementsprechend auf Christus als Weltenrichter auf dem Regenbogen sitzend - als "Schutz gegen die geistliche Sintflut" (Dante). Der Regenbogen wird weiters auch als Symbol Marias, der Vermittlerin der Versöhnung verwendet. Der "christliche" Regenbogen besteht entweder aus den drei Grundfarben als Symbol der Trinität oder aber den Farben Blau (himmlische Herkunft Christi), Rot (Passion Christi) und Grün die neue Welt.

Im Islam hat der Regenbogen die vier Farben Rot, Gelb, Grün, Blau, die den vier Elementen entsprechen.

Es wundert nicht, dass die relativ seltene, ein Gewitter beendende und damit Freude ausstrahlende Erscheinung des Regenbogens auch die Phantasie von Dichtern und Musikern beflügelt hat. So ruft Friedrich Schiller aus: "Und sieh! da hebt von Berg zu Berg sich prächtig ausgespannt, ein Regenbogen übers Land" (aus: "Die Herrlichkeit der Schöpfung"). Und im Ring des Nibelungen zieht sich "mit blendendem Leuchten eine Regenbogenbrücke über das Tal hinüber bis zur Burg", auf die der Gott Froh im Finale von "Rheingold" freudig hinweist, liegt sie doch als ersehntes Ziel vor den Göttern.

"Somewhere, over the rainbow, way up high."

So kann also der Regenbogen, die "Himmelsbrücke", als symbolhafte Überhöhung der irdischen Brücke verstanden werden. Als sehr positiv besetztes Symbol hat er deshalb auch mannigfachen Eingang in die Welt der Werbung gefunden.

So formuliert Joseph von Eichendorff in seinem "Morgengebet":

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, ein Pilger, frohbereit
Betreten nur wie eine Brücke
Zu Dir Herr, übern Strom der Zeit,

("Land im Strom der Zeit - Österreich gestern, heute, morgen" heißt ein wichtiges Buch von Friedrich Heer, 1958 in Wien erschienen)

Die Brücke ist für Hermann Hesse Verbindung zwischen Sehnsucht und Erfüllung ("Abends auf der Brücke")

"Abends muss ich auf der Brücke stehen,
Nieder in den dunkeln Strom zu sehen,
Wie er strömt und zieht und mit Gebrause
Sehnlich weiterstrebt - wohin - nach Hause.
"

Eine entscheidende Komponente in der Brückenmetaphorik besteht in der Rolle der Brücke als einem zentralen, neuralgischen Punkt, an dem Entscheidungen im menschlichen Schicksal fallen. Die exponierte Lage jenes Menschen, der die Brücke überquert, zwischen dem Erreichen des ersehnten Zieles und der in der Tiefe drohenden Gefahr, wird zum willkommenen Anlass, schicksalhafte Verstrickungen zu beschreiben

Thornton Wilders Novelle "Die Brücke von San Luis Rey" verknüpft eine Reihe von Menschenleben, die nichts miteinander gemein haben außer dem Tod bei einem Brückeneinsturz in Peru.

Abschied und Wiedersehen - nirgends lässt sich dies symbol- trächtiger inszenieren als auf einer Brücke, der gefährdeten Verbindung zweier Ufer. Dessen sind sich auch Trivial-Literatur und Filmdramaturgie bewusst: als Beispiel sei hier der sentimentale Streifen "Abschied auf Waterloo Bridge" erwähnt, dessen Musik auf dem altschottischen Volkslied "Auld Lang Syne" basiert.

Viele Filme haben sich des Motivs der Brücke bedient - in der Regel handelt es sich dabei um (Anti-)Kriegsfilme, in denen die Brücke als Verbindung zum angestrebten Ziel umkämpfter Brennpunkt des Geschehens wird. "Die Brücke am Kwai", "Die letzte Brücke", "Die Brücke von Arnheim" und nicht zuletzt Bernhard Wickis Antikriegsfilm "Die Brücke" sind Beispiele dafür.

Diese Streifen erinnern unwillkürlich an die Zerstörung fast aller Rhein- und der meisten Donaubrücken im Zweiten Weltkrieg und an ihren erfolgreichen Wiederaufbau - nicht zuletzt dadurch wurde eine neue Phase des friedlichen Miteinanders in West- und Mitteleuropa eingeleitet. Und vermögen diese wiedererrichteten "Brücken in die Zukunft" nicht in der Tat besser zu verbinden als die eingestürzten?

Wir haben aufgrund der zitierten Stellen aus der Literatur - Novellen und Romane zufolge ihrer Vielzahl einmal beiseite gelassen - durchaus erkannt, dass der Begriff der "Brücke" schon aufgrund der technischen Gegebenheiten - sehr wohl auch die Nebenbedeutung des "Prekären", "Unsicheren", "Gefahrvollen" in sich trägt, wofür auch noch die Bilder des Stammvaters der Expressionisten, Edvard Munch herangezogen werden könnten. Viele von ihnen stellen Personen auf Brücken dar, als berühmtestes "Der Schrei" -

Aber Munch mag auch der Anstoß dafür gewesen sein, dass sich 1905 in Dresden eine Malergruppe bildete, die sich "Brücke" nannte. Neben Emil Nolde gehörte ihr auch Karl Schmitt-Rottluff an, der den Namen "Brücke" vorgeschlagen hatte: "das sei ein vielschichtiges Wort, würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen"

Hier schließt sich der Kreis:

Von Schillers "Von Perlen baut sich eine Brücke hoch über einen grauen See" bis zu Simon & Garfunkels "Bridge over Troubled Water" sind Brücke und Regenbogen Symbole der Hoffnung und des Trostes im Strom des Lebens und der Zeit.

Literatur#

Charlotte Jurecka, Brücken, Historische Entwicklung - Faszination der Technik, Schroll, Wien-München, 1979

Vgl. auch Steinbrücken in Nordgriechenland

Bildnachweis: Wikipedia/Commons, Peter Diem


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