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Helga Maria Wolf

Porzellan#

Foto: Doris Wolf

Johann Friedrich Böttger (1682-1719) war ein Berliner Apotheker und Alchemist. Er konnte zwar unedles Metall nicht zu Gold machen, doch produzierte er - erstmals in Europa - "Weißes Gold". 1708 gelang ihm, gemeinsam mit dem Techniker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651-1708) die Herstellung von Porzellan. Die Chinesen kannten das feinkeramische Erzeugnis schon mehr als ein Jahrtausend früher, etwa seit dem Jahr 620. Um 1300 brachte der venezianische Händler Marco Polo (1254-1324) die ersten Gegenstände nach Europa. Die Herstellung blieb jedoch jahrhundertelang ein steng gehütetes Geheimnis.

Das Rohmaterial für kostbares Geschirr, Figuren u. a. besteht aus Kaolin (Porzellanerde), Feldspat und Quarz. Porzellan wird üblicherweise zweimal gebrannt und glasiert. 1710 entstand in Meißen die erste bedeutende Produktionsstätte Europas. Johann Friedrich Böttger wurde ihr erster Administrator. Damals befand er sich bereits seit acht Jahren in der Schutzhaft des Kurfürsten August des Starken. Der sächsisch-polnische Regent hatte Böttger entführen lassen, um Nutzen aus dessen Alchemistenwissen zu ziehen. Die Haft endete erst 1814, doch durfte der Forscher Sachsen nicht verlassen und musste die Experimente fortsetzen, an deren Folgen er starb. Meißner Porzellane tragen seit 1722 als Markenzeichen die "Gekreuzten Schwerter".

Die zweitälteste in Europa war die Wiener Porzellanmanufaktur. 1718 gründete der Hofkriegsagent Claudius Innocentius du Paquier (1679-1751) den Betrieb in der Rossau (Wien 9). 1744 übernahm der Staat die Porzellanfabrik und führte den Bindenschild (fälschlich auch "Bienenkorb" genannt) zur Kennzeichnung ihrer Erzeugnisse ein. Mehrmals verkauft und umbenannt, hat die Manufaktur Augarten seit 1923 ihren Sitz im Augartenpalais (Wien 2). Sie öffnete sich modernen Strömungen und realisierte Entwürfe von zeitgenössischen Künstlern wie Josef Hoffmann, Michael Powolny, Franz von Zülow und anderen Vertretern der Wiener Werkstätte. Josef Hoffmann schuf 1929 mit dem "Melonenservice", der Form Nr. 15, eine Ikone des Wiener Porzellans. Michael Powolny entwarf außer Tierfiguren das bis heute hergestellte Service "Opus", Nr. 68. In der Zwischenkriegszeit entstanden die ersten in aufwändiger Technik hergestellten Figuren der Spanischen Hofreitschule. Seit 2003 ist "Augarten" in Privatbesitz. Das Produktionsprogramm umfasst Vasen, Service, Figuren, Lampen und Staatsgeschenke. Die Entwürfe entsprechen verschiedenen Stilen: Chinoiserie, Klassizismus, Blumen-Buketts, Biedermeier, Jagd und Natur, Art Déco und Moderne. Nach wie vor wird jeder Arbeitsvorgang – vom Ansetzen der Rohmasse bis zum fertigen Stück – in Handarbeit ausgeführt.

Das 2011 eröffnete Museum illustriert die fast 300-jährige Geschichte des Wiener Porzellans. Die erste Epoche, unter der Direktion des Hofkriegsagenten Claudius Innocentius Du Paquier dauerte von 1718 bis 1744. Es entstanden charakteristische Porzellane in der Formensprache des Barock und nach ostasiatischen Vorbildern. Das neue Luxusgeschirr der adeligen Auftraggeber eignete sich ideal für die Modegetränke Tee, Kaffee und Schokolade.

1744, unter Kaiserin Maria Theresia übernahm der Staat die Fabrik. Es war die große Zeit der Porzellanplastik, als man u. a. "Volkstypen" wie die Wanderhändler mit ihren charakteristischen Kaufrufen, in dem edlen Material darstellte. Die "Plastische Periode" mit der Hochblüte der Rokoko-Figuralkunst währte bis 1784.

Zur Zeit Kaiser Joseph II. folgte der künstlerischen auch eine ökonomische Blütezeit, für die 1784-1805 der Direktor Conrad von Sorgenthal verantwortlich zeichnete. Er ermöglichte die akademische Ausbildung seiner Mitarbeiter, die klassizistische Meisterwerke der Miniaturmalerei schufen. Die Produktion von Gebrauchware wurde nach Engelhartszell bei Schärding (Oberösterreich) ausgelagert. In Wien spezialisierte man sich auf Frühstücksgeschirr mit antiken Mustern und Reliefgolddekor, Ansichten von Sehenswürdigkeiten und Landschaften. Die Farben - besonders das Kobaltblau - der Wiener Manufaktur war berühmt, für die sie ein eigenes Laboratorium eingerichtet hatte.

Die "Periode der leichten Dessins" (Waltraud Neuwirth), 1805-1833, brachte unter der Leitung von Matthias Niedermayer (bis 1827) Blumenmalerei und Wiener Veduten in Meisterschaft. Die Produktion traf perfekt den Zeitgeschmack des Biedermeier mit der aufstrebenden bürgerlichen Wohnkultur. Der Wiener Kongress (1814/15) sorgte für Aufträge, Porzellan war als wertvolles Souvenir geschätzt. Schlichte Formen dominierten, die Bildhauer widmeten sich Portraitbüsten historischer Persönlichkeiten und von Mitgliedern des Kaiserhauses.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Werke der Wiener Porzellanmanufaktur international anerkannt und auf Weltausstellungen prämiiert. Doch machte ihr die Konkurrenz privater Fabriken aus Böhmen zu schaffen. 1864 stimmte Kaiser Franz Joseph dem Antrag des Abgeordnetenhauses zur Schließung der Manufaktur zu.

Erschienen in der Zeitschrift "Granatapfel"