Sprachinseln#
Das weit in den Südosten des gesamtdeutschen Sprachraums vorge-
schobene Österreich war seit dem frühen Mittelalter idealer Ausgangs-
punkt für die Anlage von Siedlungen in umliegenden fremdsprachigen
Gebieten. Schon um 1100 entstanden von Tirol aus die sogenannten
zimbrischen Inseln der Sieben Gemeinden (Sette Comuni) im Osten
Oberitaliens in der Provinz Vicenza, später die der Dreizehn Gemein-
den (Tredici Comuni) nördlich von Verona. Um 1200 wurden deutsche
Siedlungen mit städtischem Kern in Böhmen und Mähren angelegt, wie
Budweis, Iglau, Brünn und Wischau.
Ebenfalls um 1200 entstand die älteste bairisch-österreichische Au
ßengründung in Nordwestungarn (Deutschpilsen/Nagybörzsöny). Im
13. Jh. wurden die karnischen Siedlungen Pladen (Sappada), Zahre
(Sauris) und Tischelwang (Timau) geschaffen, im 14. Jahrhundert Gott-
schee (Kocevje) in Unterkrain, während in Oberkrain schon seit etwa
1200 deutsche Bauernsiedlungen in Zarz (Sorica) und Deutschrut (Rut)
bestanden. Große Stadtsprachinseln waren in Laibach, Cilli oder Marburg. Die letzten Außensiedlungen entstanden
zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia und Josephs 11. in Siebenbürgen
durch die Transmigration der evangelischen Landler aus Oberoster-
reich, Steiermark und Kärnten. Die Bewohner dieser vorwiegend von den Grafen von Görz und den
Patriarchen von Aquilea gegründeten Siedlungen standen - trotz zum
Teil größter Abgeschiedenheit - mit den romanischen und slawischen
Nachbarn in Kontakt. Sie haben ihre Sprache und Kultur aus Tirol und
Oberkärnten in ihre neue Heimat mitgebracht und
weiterentwickelt. Der Kultur- und Sprachkontakt weckte früh das
Interesse der Volkskunde und der Sprachwissenschaft. 1849 veröffentlichte Joseph Bergmann in Wien den
ersten Aufsatz über die Osttiroler Sprachinseln Pladen/Sappada und
Zahre/Sauris in Karnien. 1855 edierte er das .Cirnbrische Wörterbuch". Tonaufnahmen gehen auf das Jahr 1912 zurück.
Seit 1972 engagiert sich ein wissenschaftlicher Verein für die im Mittelalter von Österreich aus besiedelten Sprachinseln, in denen alt-österreichische Idiome als Haussprache erhalten sind. Der Verein gibt eine Publikationsreihe "Beiträge zur Sprachinselforschung" mit bisher 24 Veröffentlichungen heraus, veranstaltet internationale Tagungen, Exkursionen und Vorträge. Eine Studienbibliothek und umfangreiche Tondokumentation wurde durch das Forscherehepaar Univ. Prof. Dr. Maria Hornung (1920-2010) und Dr. Herwig Hornung aufgebaut. 2018 erklärte die UNESCO diese Sammlung zum Weltdokumentenerbe. 2021 hat der "Verein zur Erforschung von Sprache und Name in Österreich (VESNA)" die "Plattform Sprachinselfreunde" übernommen.
Quelle:
Festschrift 45 Jahre Verein der Freunde der im Mittelalter von Österreich aus besiedelten Sprachinseln. Wien 2019
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Logo des Vereins der Sprachinselfreunde