Stammbuch#
Vorläufer der populären Poesiealben waren die, "Liber gentili" genannten, genealogischen Sammlungen von Adeligen. Stammbaumauszüge mit Wappenbildern dienten dem Ausweis der Ritter bei Turnieren. Wappen- und Briefmaler fertigten seit dem 16. Jahrhundert Namensbücher an. Im Humanismus kamen Allegorien und Sinnsprüche der Gelehrten dazu. Der Brauch fand Eingang in Studentenkreise und schließlich in das Bürgertum. Hier entwickelte sich das Stammbuch zum in Leder gebundenen Poesiealbum, mit Sprüchen und romantischen Verzierungen. Die Verse handeln von Freundschaft und Zuneigung, manche sind Wünsche, andere Ermahnungen. Nachfolger der Schülerinnen-Stammbücher sind Erinnerungs- und Fotoalben sowie Gästebücher.
Die erste grundlegende Stammbuch-Geschichte schrieben die Deutschen Robert und Richard Keil, nachdem Johann Wolfgang Goethes Interesse an dieser Gattung den Großherzog von Sachsen-Weimar 1805 zum Ankauf von 275 Stammbüchern motiviert hatte. Mit Stammbüchern und Stammbuchblättern aus Wien beschäftigte sich der Wiener Stadtbibliothekar Karl Gladt (1909-1982).
2015 veranstaltete das Österreichische Museum für Volkskunde eine Ausstellung über Stammbücher und Poesiealten. Die Kuratorin Nora Witzmann schrieb im Katalog über die neuesten Entwicklungen: "Seit den 1980er Jahren sind die Freunde- oder Freundschaftsbücher mit ihren vorgedruckten Fragebogen üblich, deren Tausch bereits im Volksschulalter beginnt. Darin werden weder Gedichte noch Kreativität von den Mitschülerinnen erwartet, sondern steckbriefliche Angaben , versehen mit Passbild und Sticker. "
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 771
Karl Gladt: Stammbuchblätter aus Wien. Wien 1967
Nora Witzmann: Denk an mich. Wien 2015. S 35
Bild:
Stammbuchblatt im Biedermeierstil, Wien 1961. Foto: Helga Maria Wolf