Wolfssegen #
Im liturgischen Gebrauch gab es "Segen", die eher an Beschwörungen erinnern, wie der "Wolfssegen". Ein Priester in Pluviale und Stola sang ihn ihn am frühen Morgen nach der Christmette unter dem großen Glockengeläute vom Heiltumstuhl aus. Dieses Gebäude befand sich bis 1699 neben dem Stephansdom und enthielt den Domschatz. In den 1480er Jahren errichtet, bestand es aus einem Bogen und einem loggienartigen Obergeschoß, von wo aus den Gläubigen zu bestimmten Festen die Reliquien gezeigt wurden. Der Text des "Segens" war das erste Kapitel des Matthäusevangeliums, "der Stammbaum Jesu". Er sollte die Wölfe von der Stadt fernhalten. Danach soll mit Gewehren in die Luft geschossen worden sein, was aber von der Stadtverwaltung bald verboten wurde. Dass es im späten Mittelalter in den Donauauen um Wien Wölfe gab, zeigen Bezeichnungen wie Wolfsau, Wolfsschütt oder Wolfsbrücke (Taborbrücke). Ein Chronist berichtet vom "absonderlichen Ton" des Gesanges, der "vor einigen hundert Jahren" geholfen hätte.
Quellen:
Johann Ev. Schlager: Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. 3 Bde. Wien 1836-1846, 1836/6,25
(die hier erwähnte Zeitangabe 1580 bis zur Zeit Joseph II. ist jedoch zweifelhaft, weil der Brauch wohl nur bis zur Reformationszeit stattfand und das Gebäude nur bis 1699 bestand)
Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan, Herbst 2018, S. 16 f.
Bild
Der Heiltumstuhl im Jahr 1502. Gemeinfrei. Von hier aus wurde der Wolfssegen gesungen.