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Glocke#

Glocke

Der Begriff „Glocke“ kommt aus dem Altirischen (clocc - Schelle, Glocke). Irische Mönche verbreiteten sie im 5. und 6. Jahrhundert in Europa. Hier hat sie die charakteristische Hauben- oder Kelchform und einen Klöppel, der den Ton erzeugt. Die ersten Glocken stammten aus China (Schang-Dynastie, um 1600-1027 v. Chr.) und wurden von außen angeschlagen. Seit dem 9. Jahrhundert gießt man Glocken in einer Form aus Lehm oder Sand, die "Glockenspeise“ besteht aus Kupfer und Zinn. Von den gegossenen Glocken unterscheiden sich die Schellen, die aus Blech gefertigt sind.

Kirchenglocken tragen  Verzierungen (Heiligendarstellungen) und Inschriften. Sie werden vor dem Aufziehen geweiht und rufen zu Gottesdiensten, Begräbnissen oder Gebetszeiten. Das frühe Ertönen der Kirchenglocken führte in manchen Tourismusgemeinden zu Protesten. In Deutschland waren diese erfolglos, da das Angelusläuten - soweit es in Wohngebieten 80 Dezibel nicht überschreitet - als kulturelle Tradition gilt. Der Wiener Erzbischof Kardinal Franz König (1905-2004) legte in den fünfziger Jahren für das Stadtgebiet das einheitliche Läuten um 7 Uhr, nicht wie bisher teilweise üblich, um 6 Uhr, fest. In Fließ (Bezirk Landeck, Tirol) bleiben seit 2014 die Kirchenglocken in der Nacht still. Nach Interventionen einiger Urlauber und Hoteliers wegen Lärmbelästigung kam der Fließer Pfarrer den Wünschen nach.

Eine der letzten Glockengießereien, die Firma Grassmayr, befindet sich seit 1599 in Innsbruck. Der Familienbetrieb wird in 14. Generation geführt. Er liefert jährlich 300 größere und hunderte kleinere Glocken und restauriert historische Objekte. In fünfmonatiger Arbeit entstand hier die größte freischwingende Glocke Europas für die rumänisch-orthodoxe Kathedrale in Bukarest. Man kann beim Produktionsprozess zusehen und das Museum des Unternehmens besuchen.

Das Läuten der Mittagsglocken, das lange Zeit auch von den Regionalprogrammen des Österreichischen Rundfunks gesendet wurde, markierte einen wichtigen Zeitpunkt im Tageslauf, den Beginn der Mittagspause. Bis ins 20. Jahrhundert trugen Bauern und Handwerker bei der Arbeit keine Taschen- oder Armbanduhren. Den religiösen Grund gab Papst Calixtus III. (1378-1458) zur Zeit der Türkenkriege um Belgrad. 1456 ordnete er an, dass alle Katholiken beim Ertönen um 12 Uhr drei Vaterunser und drei Ave Maria für das christliche Heer beten. Nachdem ungarische Truppen die Osmanen besiegt hatten, bestand der Brauch weiter. Nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt, der am 2. November 2020 mehrere Todesopfer und Verletzte forderte, riefen die Bischöfe zu einer Gedenkminute am 3. November auf. Dabei sollen alle Wiener Kirchenglocke, auch die Pummerin, als Zeichen der Trauer erklingen

Als probates Mittel gegen Unwetter galt das Wetterläuten, das sich bis in das frühe Mittelalter zurückverfolgen lässt. Schon Kaiser Karl der Große (747–814) befahl anno 789, „daß niemand gegen den Hagel Glocken taufe“. Die für den liturgischen Gebrauch geweihten Kirchenglocken trugen Segensworte und Abwehrzeichen. Als älteste Wetterglocke gilt die ‚Klingerin‘ im Merseburger Dom. Ihr Klang sollte, so der Spruch, „Sturmwind, Feind und Feuer“ fernhalten. Die bekannte lateinische Inschrift „Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango“ („Die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich, die Blitze breche ich“) lässt sich erstmals 1486 Im Kloster Allerheiligen in Schaffhausen (Deutschland) nachweisen. 200 Jahre später forderten die Bewohnerinnen und Bewohner von Asparn an der Zaya (Niederösterreich) vehement eine neue Glocke, um mit ihrem Geläute Gewittern vorzubeugen. Die Aufklärung wandte sich gegen das Wetterläuten. 1780 beantragte der Kremser Turmwächter die Abschaffung. Wenige Jahre später verbot der Erzbischof von Trier das Wetterläuten. Bei Unwettergefahr sollten nur noch drei Glockenschläge zum Gebet rufen. Mythologisch stehen Glocken für die Kommunikation mit übersinnlichen Wesen (Arme Seelen), ihr Klang sollte Dämonen und Hexen abwehren. Segenbringend verabschieden sie ein altes Jahr und läuten ein neues ein, wie die Pummerin am Stephansdom. Sagen zeichnen das Bild der Kirchenglocke als beseeltes Wesen, das sich wehren, den Klang verweigern oder von selbst läuten kann. Sie ist fähig, zu fliegen - z.B. in der Karwoche nach Rom - oder sich einen anderen Aufenthaltsort suchen. 

Profane Läutedienste signalisierten Anlässe wie die Eröffnung des Marktes, Hinrichtungen oder die Sperrstunde (Bierglocke). Außer in Kirchtürmen hängen Glocken in öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern oder Schulen, wo sie als Zeitsignale oder Alarmglocken dienen. Kleine Glocken und Schellen fanden und finden Verwendung als Sakristeiglocken, Friedhofsglocken, Ministrantenschellen, musikalische Glockenspiele, Tierglocken, bei Bräuchen (Glöckler, Scheller) etc.

Literarisch ist Friedrich Schillers 32-strophiges "Lied von der Glocke" (1799) berühmt, das zahlreiche Zitate enthält. Weitere bekannte Redensarten sind u. a. "Etwas an die große Glocke hängen" (öffentlich bekanntmachen), "Wissen, wie viel es geschlagen hat" (Bescheid wissen) oder "Jetzt schlägt es dreizehn!" (Unerhört!).

Eine 2021 vom Sänger Paddy Kelly initiierte "Friedensglocke" hängt im 20. Wiener Gemeindebezirk (die erste befindet sich in Mainz, D). In Kriegszeiten wurden Glocken für die Waffenproduktion eingeschmolzen. Das "PeaceBell Projekt" will diesen Prozess umkehren. Am 24. 2.2024, dem zweiten Jahrestag des Beginnes des Ukrainekrieges läuten die Glocken aller Domkirchen und Kathedralen in ganz Europa zehn Minuten lang. Auch beim Stephansdom folgte man dem Aufruf der Europäischen Vereinigung der Dombau-, Münsterbau- und Bauhüttenmeister.

2024 gibt es in Österreichs katholischen Kirchen 20.696 Glocken. Die älteste, die Friedensglocke in St. Martin am Ybbsfelde in NÖ, stammt aus dem Jahr 1200. Knapp 12 % der österreichischen Glocken stammen aus dem 20. Jh.


Quellen: 
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 291 f.
Hannelore Fielhauer: Nun schlägt die Glocke 13. Wien 1991
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin 1927/1987. Bd. 3/Sp.867
Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg/Br. 1991.Bd 1 / S. 550 f.
Schilling, Margarete: Glocken. Gestalt, Klang und Zier. München 1988
Grassmayr
"Kurier", 7. und 28. 10.2020
Gedenkminute
Kelly
Helga Maria Wolf: Wiener Wetter einst. Im Katalog zur Ausstellung zur Ausstellung in der Stadtbibliothek, Mai 2024
Dom 2024, publiziert 23.2.2024
"Kurier", 27.3.2024

Bild: 
"Das Lied von der Glocke". Postkarte 19. Jahrhundert. Gemeinfrei


Siehe auch:

--> Essay Läutbräuche
--> Heimatlexikon Glocken in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015jetzt im Buch blättern