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Als Frauen mutig aufs Rad stiegen#

1893 wurde in Graz der erste „Damen Bicycle-Club“ der k.u.k. Monarchie gegründet - ein großer Schritt für die Emanzipation der Frauen.#


Von Robert Engele mit freundlicher Genehmigung der Kleinen Zeitung


Titelblatt der 'Radfahr-Chronik' München vom 26. März 1893
Titelblatt der "Radfahr-Chronik" München vom 26. März 1893: Die Gründerinnen des ersten Grazer Damen-Bicycle-Clubs. (von links) E. Steininger, V. Wenderich, L. Sorg, M. und L. Albl
(KK)

Der Anblick von nackten Frauenwaden oder verschwitzten Frauengesichtern galt Ende des 19. Jahrhunderts als unschicklich, an Hosen für Frauen war überhaupt nicht zu denken. Überdies durften unverheiratete Fräulein nur in Obhut einer Anstandsdame ihr gutbürgerliches Haus verlassen. Keine gute Ausgangsposition also für mutige Frauen, das eben aufgekommene Radfahren zu erlernen. Es war eben ein exzentrisches Vergnügen für Männer der höheren Schichten. Doch seit den 1880er-Jahren waren die neuen Niederräder auf den Markt gekommen, die das gefährliche Hochrad endgültig ablösten und auch viel leichter zu fahren waren. Dazu förderte die Entwicklung des Dunlopschen Luftreifens ihre schnelle Verbreitung. So entstanden in der k.u.k. Monarchie bis 1883 zehn Fahrrad-Clubs, die anfangs nur Männern zum sportlichen Vergnügen dienten, sich dann aber auch für Frauen öffneten.

Eine der großen Pionierinnen des Radfahrens in Mitteleuropa war Elise Rauch, die 1879 in Wien den Versicherungsangestellten Carl Steiniger heiratete und 1890/91 mit ihm nach Graz zog. Mit 37 Jahren lernte sie hier das Radfahren und wurde Mitglied des Vereins „Grazer Tourenfahrer“, den ihr Mann mitbegründet hatte. Elise Steininger fuhr Touren mit und war bald schon eine meisterhafte Kunstradfahrerin. Als sie mit fünf weiteren Frauen bei einer Feier des „Grazer Bicycle-Clubs“ eine Kunstradvorführung machte, kam es zum Bruch mit ihrem Verein, da die Damen vorher nicht um Erlaubnis gefragt hatten und überdies große Vorurteile der Männer gegenüber den Radfahrerinnen herrschten. Sie traten empört aus dem Verein aus, auch Carl Steininger stand zu seiner Frau und wechselte den Club.

Aber die Damen gaben nicht auf: Am 16. Februar 1893 fand die Gründungsversammlung des Grazer Damen Bicycle-Clubs (GDBC) in der Gastwirtschaft „Zum goldenen Steinbock“ in der Jakominigasse 59 statt, Vorsitzende war Elise Steininger. Mit dabei Vinci Wenderich, Louise Sorg, deren Vater ein Fahrradgeschäft betrieb sowie Mitzi und Louise Albl, die Töchter des Grazer Fahrradfabrikanten Benedict Albl. Es gab lustige Wanderfahrten in die Dörfer um Graz, Corsofahrten und Festzüge. Im ersten Clubjahr wurden 8.700 Kilometer bewältigt, berichten Hilde Harrer und Ilse Werner in „Der Grazer Damen Bicycle-Club“. „Als Dress wurde eine bodenlange dunkelblaue Schoss, helle Bluse, dunkelblaue Jacke, lichtblauer Gürtel und (damals revolutionär!) weiße Schirmkappen festgelegt. Für Ausfahrten wählte frau einen glatten Rock und tauschte die Schirmmütze gegen einen Sommerstrohhut“, ergänzt Wolfgang Wehap in seinem Internet-Magazin „Argus Steiermark - Die Radlobby“.

Werbeplakat der Meteor-Fahrradwerke von Benedict Albl in der Grazer Schönaugasse
Werbeplakat der Meteor-Fahrradwerke von Benedict Albl in der Grazer Schönaugasse
(KK)
Carl und Elise Steininger bei der Ausfahrt
Carl und Elise Steininger bei der Ausfahrt
(KK)

1895 unternahm Club-Fahrwartin Louise Sorg mit ihrem frisch Angetrauten, dem Radrennfahrer Franz Fuchs, per Tandem die Hochzeitsreise über Triest nach Venedig, Elise und Carl Steininger gründeten eine eigene Fahrschule im historischen Kastellhof in der Pfeifengasse, heute Kolping-Gasse, der im Juli 2010 so unrühmlich einem Wohnhaus weichen musste. 1893 gab es viele Rad-Fahrschulen, weil bis zum Jahr 1897/98 ein Fahrausweis samt Prüfung für das Befahren öffentlicher Verkehrswege erforderlich war.

Im zweiten Vereinsjahr waren bereits 27 Damen Mitglied, darunter drei Berufstätige - eine Telegrafistin und zwei Lehrerinnen. Auch eine Adelige war dabei, Josa von Matzner, die das Frauen-Radsportblatt „Die Radlerin“ herausgab. Darin veröffentlichte sie 1898 einen Brief von Therese Gräfin Wurmbrand-Wenckheim, in dem diese der Fahrlehrerin Else bestätigte, dass „Sport und Pflicht sich leicht vereinbaren lassen!“ - offensichtlich war die Öffentlichkeit noch immer skeptisch gegenüber radelnden Damen, die anscheinend zu emanzipiert wirkten und besser am Herd stehen sollten.

Als sich nach kaum sechs Jahren der Damen Bicycle-Club Ende 1898 auflöste, war keine der Gründerinnen mehr dabei. Vermutlich hatten sie sich familiären Aufgaben zugewandt. Auch hatten sich inzwischen die meisten Radvereine für Frauen geöffnet. Über Else Steiningers Privatleben ist wenig bekannt. Ihre Ehe blieb kinderlos, ihr Mann starb 1903 im Alter von nur 51 Jahren, sie musste für den Grazer Betrieb Konkurs anmelden und wohnte bis 1920 weiter in der Nähe ihrer alten Radschulbahn. Ihr Lebensende beschloss sie im Versorgungsheim Lainz in Wien.

„Das Bicycle hat zur Emanzipation von Frauen aus den höheren Gesellschaftsschichten mehr beigetragen als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammengenommen“, stellte die Wiener Künstlerin und Frauenrechtlerin Rosa Mayreder 1905 fest.

2006 wurde Elise Steininger als Pionierin des Fahrradfahrens in Graz gewürdigt - die neue Unterführung für Radfahrer und Fußgänger unter der Keplerbrücke wurde nach ihr „Elise-Steininger-Steg“ benannt.

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© "Damals in Graz", Dr. Robert Engele


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